Der Gedenkstein für den Deserteur des zweiten Weltkriegs, Paul Brisson, auf dem Kaltbrunner Friedhof. Foto: Schoch Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Paul Brisson: Erinnerung an die Ausweglosigkeit eines Menschen / Mahnmal in Kaltbrunn

Ein Gedenkstein für einen Deserteur auf dem idyllischen Friedhof im Kaltbrunner Tal – ist von der Gemeinde neu angelegt worden. Dieser ist ein bleibendes Mahnmal an die Geschehnisse im zweiten Weltkrieg.

Schenkenzell-Kaltbrunn. Dieser Gedenkstein soll an die Ausweglosigkeit eines Menschen erinnern, für den es keinen Anlass zur Hoffnung mehr gab. Der zeitkritische Autor Alfred Andersch hatte es einmal so beschrieben: "Nicht aus Furcht vor dem Tod, sondern aus dem Willen zu leben."

In unmittelbarem Bereich der Kaltbrunner Friedhofskapelle befand sich mehr als 40 Jahre lang eine Grabstätte. Nur ein Holzschild erinnerte an Paul Brüssov mit den Jahreszahlen 1912 bis 1945.

Wie war sein richtiger Name? Was für eine Nationalität hatte er? War er französischer Zwangsarbeiter oder deutscher Wehrmachtsangehöriger? Wann und wo war er geboren und wo war sein eigentlicher Wohnsitz? Niemand konnte diese Fragen in der Vergangenheit beantworten.

Bis Heimatforscher Willy Schoch recherchierte. Es war eine zeitaufwendige Arbeit, die aber letztlich zum Erfolg führte. Der richtige Familienname war nicht Brüssov, sondern Brisson.

Paul Brisson war deutscher Wehrmachtsangehöriger, geboren am 3. Juni 1912 in Kohlberg/Westpommern, einer Stadt an der Ostsee mit rund 23 000 Einwohnern zu Kriegszeiten. Er war verheiratet mit einer Heidelbergerin.

Kein Anlass mehr zur Hoffnung

Brisson zog kurz vor Kriegsende seine Konsequenzen. Die Ausweglosigkeit gab ihm keinen Anlass mehr zur Hoffnung. Wie viele Millionen Deutsche wusste er, dass der Krieg verloren gehen musste. Brisson setzte sich von der Truppe ab, versteckte sich und wollte sich nach Hause zu seiner Familie im badischen Landesteil durchschlagen.

Als Deserteur fand er kurzzeitig Unterschlupf im Leibgedinghaus des Gallenbachhofes in Kaltbrunn. Dort waren zu dieser Zeit auch Flüchtlinge aus Schlesien und Landarbeiter untergebracht.

Sein Aufenthalt blieb den Nazis nicht verborgen. Am 19. März 1945 suchte Gendarm Kücherer vom Polizeiposten Schiltach mit einem Vertreter des Volkssturms Kaltbrunn den Gallenbachhof auf. Paul Brisson erkannte die Personen, als sie auf das Leibgedinghaus zugingen und versuchte zu fliehen. Die Flucht gelang nicht. Er wurde von einer Gewehrkugel des Volkssturmvertreters tödlich getroffen.

In einer Nacht- und Nebelaktion wurde der Fahnenflüchtige Brisson auf dem Kaltbrunner Friedhof buchstäblich "verscharrt". In keinen Akten, weder bei der Gemeindeverwaltung noch bei der Kirchengemeinde, waren Vermerke über die Bestattung zu finden. Das war höchst ungewöhnlich.

Die Gemeinde Kaltbrunn führte die Grabstätte nach dem Krieg unter der Bezeichnung "Soldatengrab". Lange Jahre haben die Eheleute Edwin Harter vom Rußhof die Grabstätte ehrenamtlich gepflegt.

1986 wurde die Grabstätte Brisson aufgewertet. Bildhauer Herbert Maier aus Haslach fertigte ein gediegenes Gedenkkreuz aus Sandstein mit der Inschrift "Paul Brisson 1912 bis 1945" auf Betreiben des damaligen Ortsvorstehers der Gemeinde Kaltbrunn, Konrad Gruber.

2013 räumte die Gemeinde die Gräberreihe. Lange Zeit lag das Gedenkkreuz an der Friedhofskapelle, ehe Kaltbrunner Bürger den Sandstein wieder auffrischten und die Ortschaftsräte einen schönen Platz am Eingang des Kaltbrunner Friedhofes fanden.

Ein gelungenes Ergebnis, zumal nun auch eine Gedenktafel Aufschluss über die Person Paul Brisson und den Tathintergrund informiert. Mit dieser Entscheidung des Gemeinde- und Ortschaftsrats den Gedenkstein in der heutigen Zeit wieder mehr in das Blickfeld zu rücken, wurde ein wichtiges politisches Zeichen der Zivilcourage und Gerechtigkeit gesetzt.