10.21 Uhr in Schenkenzell: Der Zug rauscht am Bahnhof vorbei. Foto: Ortmann

Es war eine Schocknachricht für Bahnfahrer in Schenkenzell und Loßburg: Wegen einer fehlenden Weiche halten wohl bis Ende 2026 nur noch wenige Züge an den beiden Bahnhöfen. Doch warum wird die Weiche erst in zwei Jahren eingebaut? Und wieso wurde die Einschränkung so spät kommuniziert?

10.14 Uhr am Schenkenzeller Bahnhof: Ein blauer Bus mit der Aufschrift „SEV – Schienenersatzverkehr“ fährt vor. Eine Handvoll Fahrgäste steigen ein, um zum Bahnhof in Schiltach gebracht zu werden. Sieben Minuten später rauscht ein neuer Batteriezug der SWEG am Schenkenzeller Bahnhof vorbei – ohne anzuhalten. Stattdessen wird der Zug die hiesigen Fahrgäste gleich am Bahnhof in Schiltach einsammeln.

 

Es ist der neue Alltag für Bahnfahrer in Schenkenzell und auch in Loßburg. Seit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember halten nur noch wenige Züge an den beiden Bahnhöfen – zwischen 9 und 23 Uhr sogar nur der Schülerzug am Mittag. Die Begründung des Verkehrsministeriums: Auf der Kinzigtalbahn werden seither neue Batteriezüge eingesetzt, die über einen ausfahrbaren Tritt für barrierefreien Zugang verfügen. Das Ein- und Ausfahren kostet auf die Fahrt gesehen jedoch zusätzliche Minuten – die dazu führen, dass den Zügen nicht mehr genug Zeit bleibt, um am Freudenstädter Hauptbahnhof zu wenden.

Hierfür würde eine neue Weiche benötigt, die die DB InfraGO erst 2026 einbauen will. Also wurden mit Schenkenzell und Loßburg-Rodt die beiden am wenigsten frequentierten Halte gestrichen.

10.14 Uhr: Ein Bus sammelt die Fahrgäste am Schenkenzeller Bahnhof ein, um sie nach Schiltach zu fahren. Foto: Ortmann

Nicht nur bei den Bahnfahrern, sondern auch bei den beiden Bürgermeistern ist der Ärger groß. Schenkenzells Bernd Heinzelmann und Loßburgs Christoph Enderle beklagen neben der Dauer der Einschränkung auch mangelhafte Kommunikation. Beide geben an, erst im November davon erfahren zu haben – während Heinzelmann immerhin direkt von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) informiert wurde, sagt Enderle, dass der Landrat ihm die Hiobsbotschaft übermittelt habe.

Wie begründen die Bahn und das Verkehrsministerium ihr Vorgehen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Warum werden in Schiltach weiterhin zwei Bahnhöfe angefahren?

Ein Sprecher teilt mit, dass die NVBW und das Ministerium mit der Planung „für möglichst viele Menschen eine Verbesserung erreichen und für möglichst wenige eine Verschlechterung bewirken wollten“. Damit begründet das Ministerium auch, warum in Schiltach weiterhin zwei Haltestellen angefahren werden. „An allen Stationen in Schiltach steigt ein Mehrfaches an Menschen ein beziehungsweise aus im Vergleich zu Schenkenzell und Loßburg-Rodt.“

Wurden die Bürgermeister wirklich schnellstmöglich informiert?

Zur Kommunikation teilt das Ministerium lediglich mit: „Die Bürgermeister wurden so schnell informiert, wie wir sie informieren konnten.“

„Das wage ich zu bezweifeln“, antwortet Bernd Heinzelmann im Gespräch mit unserer Redaktion. Nicht nur, weil die Fahrgastzahlen bereits zwischen Januar und Juni erhoben wurden. Auch dass die Weiche benötigt werde, sei schon länger bekannt, den genauen Termin habe er jedoch nicht verifizieren können. Heinzelmann bekräftigt erneut, bei einem Termin am 7. November vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein. Wäre er früher informiert worden, „hätte man sich vieles sparen können“, betont Heinzelmann.

Schienenersatzverkehr: Das ist die Aussicht für Bahnfahrer in Schenkenzell und Loßburg für die nächsten zwei Jahre. Foto: Ortmann

Das Verkehrsministerium erklärt, dass die Fahrgastzahlen im Rahmen von „routinemäßigen Auswertungen“ erhoben worden seien und nicht damals schon mit der Absicht, die wegfallenden Bahnhalte zu ermitteln. Der Sprecher liefert auch eine Erklärung, warum Enderle zuerst durch den Landrat informiert wurde: „Über das Verkehrsministerium wurde zunächst auf die Kreise als kommunale ÖPNV-Aufgabenträger zugegangen. Im Fall des Landkreises Freudenstadt hatte dann Landrat Rückert die Rückkopplung mit der betroffenen Gemeinde Loßburg übernommen. Im weiteren Verlauf erfolgte dann zusätzlich ein direkter Austausch zwischen der NVBW und Herrn Bürgermeister Enderle.“

Wie groß sind die Verzögerungen durch die neuen Züge wirklich?

Doch auch sonst bleiben bei den Bürgermeistern einige Fragezeichen. „Der Zug braucht nicht viel länger als der alte“, so Heinzelmanns Beobachtung. Das Ein- und Ausfahren des barrierefreien Tritts habe er sich „ganz anders vorgestellt“. Der DB-Navigator gibt ihm Recht: So braucht der Zug um 7.41 Uhr von Offenburg nach Freudenstadt eine Stunde und 14 Minuten – und damit genau gleich lang wie der Zug um 8.41 Uhr, der die beiden Haltestellen auslässt.

Das Verkehrsministerium teilt dazu mit, dass sich aktuell Verspätungen im Bereich weniger Minuten abbauen lassen würden. „Eine Verringerung der Fahrplanreserven würden sich auf die gesamte Betriebsqualität und den Taktfahrplan auswirken und diesen gegebenenfalls gefährden.“ Das werde jedoch weiterhin beobachtet und gegebenenfalls nachgesteuert.

Werden die Bahnhalte gar dauerhaft gestrichen?

Des Weiteren besteht bei Heinzelmann die Befürchtung, dass sein Bahnhof womöglich auch nach 2026 nicht mehr angefahren wird – sofern die Planer den Eindruck bekommen, dass es auch ohne diesen funktioniert. Es sei zwar nur ein Bauchgefühl, „aber das konnte mir bisher keiner nehmen“, sagt Heinzelmann. In Loßburg wurden gar Pläne für den Ausbau des Bahnhofs aus dem Haushalt 2025 gestrichen, „denn wir wissen nicht, ob die Bahn ab 2027 überhaupt in Loßburg wieder halten wird“, so Enderle im Gemeinderat. Der Sprecher des Verkehrsministeriums kann hier aber beruhigen: „Sobald die Weiche in Betrieb ist, kann das Regelfahrplankonzept umgesetzt werden. Dieses beinhaltet die Bahnhalte Loßburg und Schenkenzell.“

Warum wird die Weiche erst Ende 2026 eingebaut?

Bleibt die Frage, warum die Weiche erst Ende 2026 zum Fahrplanwechsel kommt. Ein Bahnsprecher erklärt zunächst, warum diese nicht längst eingebaut worden ist: Eine Umsetzung der Baumaßnahme im Rahmen der Gleiserneuerung 2022 sei nicht möglich gewesen, da das Planfeststellungsverfahren nicht abgeschlossen gewesen sei und dadurch keine Baugenehmigung vorgelegen habe.

Am Telefon nennt der Sprecher schließlich den Grund, warum die Weiche auch 2025 nicht kommen wird: „Eine Umsetzung 2025 wurde diskutiert, aufgrund der Gartenschau in Freudenstadt aber verworfen.“ Die als „Tal X“ bezeichnete Gartenschau in Freudenstadt und Baiersbronn soll zahlreiche Besucher aus nah und fern anziehen – auch per Bahn –, ist damit aber auch einer der Gründe, warum Bahnfahrer in Schenkenzell und Loßburg für lange Zeit abgehängt werden.