Hinten rein und vorne wieder raus: Sturzbäche wälzten sich durch Häuser. Zurück bleiben Dreck und Chaos. Foto: Schmidtke

In Schenkenzell fließen Schweiß und Tränen. Schäden in Gemeinde enorm. Stockhof trifft es besonders hart. Mit Kommentar

Schenkenzell - Erst kam das Hochwasser, jetzt fließen Schweiß und Tränen: Schenkenzell räumte am Dienstag die Trümmer weg, die der sintflutartige Regen am Montagabend angerichtet hat. Die Schäden in der Gemeinde sind wohl heftig.

Über das genaue Ausmaß lagen gestern noch keine verlässlichen Angaben vor. Die Sachverständigen der Versicherungen nahmen ihre Arbeit vor Ort schließlich erst auf. "Wie hoch der Gesamtschaden wohl sein dürfte, haben wir uns natürlich auch gefragt. Aber darüber lässt sich im Moment nur spekulieren", so Jochen Sum, stellvertretender Kommandant der Feuerwehr Schenkenzell. Er hatte den Einsatz der Helfer am Montag vom Gerätehaus aus koordiniert.

Im Duravit-Werk geht Produktion schon am Dienstag weiter

In Anbetracht der Zahl der betroffenen Objekte und der Heftigkeit, mit dem es manchen erwischt hat, dürfte die Summe wohl mindestens in die Hundettausende gehen. Rund 20 Gebäude wurden überflutet. Bei manchen liefen die Keller voll, bei anderen auch Wohnungen. Heftig getroffen hat es laut Sum das Hotel Waldblick, besonders bitter den Stockhof auf Halbhöhenlage Richtung Alpirsbach. Hier wälze sich eine Schlammlawine den Hang herunter und richtete massive Schäden am und im Haus an. "Der Erdrutsch ging oben ins Gebäude rein, und ein, zwei Stockwerke tiefer floss das Wasser wieder raus", beschreibt Sum. Dabei hatte die Feuerwehr noch versucht, das Schlimmste zu verhindern. Das "Bächle" am Hang, ansonsten ein murmelndes Rinnsal, schwoll innerhalb kürzeste Zeit zum Sturzbach an. Die Einsatzkräfte leiteten den Bach um. Der Gutachter sei gestern vor Ort gewesen. Laut Sum stelle sich die Frage, ob am Hof "Totalschaden" entstanden ist.

Getroffen hat es ebenso das Duravit-Werk am Ortsausgang, in Sichtweite des Stockhofs. Wasser und Schlamm vom Hang auf der Rückseite fluteten Keller- und Erdgeschoss. Dennoch kam der Standort mit rund 160 Mitarbeitern vergleichsweise glimpflich davon, so Werksleiter Ulrich Weber. Produktion und Maschinenpark seien nicht betroffen, die Fertigung konnte gestern wieder anlaufen. Am Abend des Unglücks hätten zwei Drittel der Kollegen in der betroffenen Schicht ihre Arbeitsplätze verlassen, um der Feuerwehr beim Pumpen und Schöpfen zu helfen. Gestern rückte die Werksfeuerwehr aus Hornberg an, um den Schlamm rauszuschippen und die Trümmer zu beseitigen. Im Lager sei "manches kaputt gegangen", Material und fertige Waren. Dazu gab es Schäden am Gebäude und an der Einrichtung. "Einige Böden müssen rausgerissen werden", so Weber, "auch Türen, Regale und Fenster müssen ersetzt werden." Er geht davon aus, dass zwei bis drei Wochen ins Land ziehen, bis alle Schäden "nach und nach beseitigt sind".

So ähnlich geht es auch vielen Schenkenzellern: sortieren, schaufeln, putzen, entsorgen. Um die Häuser liegen Habseligkeiten verstreut, in Kellern summen schon die Heizlüfter. "Sieht aus wie die Sau", sagt eine Einwohnerin. Mehrere Anhänger voll zerstörtes Inventar sind schon entsorgt, aber noch weitere Anhänger werden notwendig sein. Den "stinkigen Schlick" wegzuschaufeln, sei Schwerarbeit. Zwischendurch hätten sie die Kräfte auch mal verlassen, dann flossen die Tränen. Mittlerweile hätten Freunde Hilfe zugesagt. Überhaupt sei viel Solidarität unter den Schenkenzellern zu spüren.

Zu den privat Betroffenen gehört auch Bürgermeister Thomas Schenk. "Ich bin aber noch recht gut weggekommen im Vergleich zu anderen", so Schenk. Gestern war er im Ort unterwegs. Die Stimmung? "Geschockt über die Heftigkeit des Regens, das lief ja aus jedem Knopfloch raus. Aber andererseits auch gefasst." Mit einer Ausnahme: Der Schaden am Stockhof sei "dramatisch." Schenk lobte die Arbeit der örtlichen Feuerwehr und die Überlandhilfe aus Schiltach und vom Kreis. "Das hat wirklich gut geklappt", so Schenk. Die Mitarbeiter des Bauhofs seien unterwegs, um sauber zu machen und verstopfte Dolen wieder zu öffnen, ebenfalls Baufirmen. Nach ersten Prüfungen seien Kläranlage, Brücken und Straßen nicht beschädigt worden. "Unterm Strich ist es glimpflich ausgegangen", so Schenk. Nur fürs Protokoll: Die für Montagabend angesetzte Sitzung des gemeinsamen Ausschusses mit Schiltach sowie des Zweckverbands Abwasser fielen ins Wasser.

Positive Erkenntnis des Unwetters: Der Einsatz der Feuerwehren hat laut Jochen Sum "hervorragend" funktioniert. Die komplette Feuerwehr Schenkenzell war mit beiden Abteilungen mit rund 50 Kräften und allen Fahrzeugen unterwegs, dazu 30 Kräfte mit weiteren Fahrzeugen aus Schiltach sowie zwei Spezialfahrzeuge mit Beladung für Hochwasser-Einsätze und sechs Mann Besatzung des Kreisverbands Rottweil, die in Sulz stationiert sind. "Die Zusammenarbeit war sehr gut, wie immer", lobt Sum. Von 17 bis 24 Uhr waren die Kräfte draußen, arbeiteten Einsatzort für Einsatzort ab, anschließend wurde bis nachts um 1 Uhr im eigenen Magazin aufgeräumt. Nach vier Stunden Schlaf rückte ein halbes Dutzend Feuerwehrleute gestern wieder an, um Fahrzeuge und Gerätschaften sauber und bereit für den nächsten Einsatz zu machen. Die Ereignisse würden auch im Kopf noch nachhallen, so Sum.

Weitere Erkenntnisse: Die lokale Gewitterzelle mit Starkregen und -hagel ging lediglich über Schenkenzell nieder, die Ortsteile blieben komplett verschont, so Jochen Sum. Dafür seien in der Kerngemeinde praktisch alle Wohngebiete gleichermaßen betroffen gewesen. Problem war nicht die Kinzig, sondern das Wasser, das die Hänge herunterschoss, Gebäude flutete und die Kanalisation zum Überlaufen brachte.

Seite 2: Kurioses

Alles ist nie kaputt, heißt es. So ging es auch Karin Schmidtke. Vor dem Hochwasser hatten sie und ihre Familie rund 20 Goldfische und Kois im Teich, dann plötzlich keine mehr. Alle weggeschwemmt. Ein Goldfisch tauchte aber wieder auf, jenseits der Bundesstraße. Eine Bekannte brachte das fortgespülte Tier zurück, in einem Gsälzglas. Es soll einen Namen bekommen: "Survivor" – auf deutsch: der Überlebende.

Rund 115 Liter Niederschlag pro Quadratmeter in zwei Stunden – so viel kam beim Gewitter in Schenkenzell als Regen und Hagel herunter. Zum Vergleich: Im Jahresmittel beträgt die Gesamtmenge im Schnitt 700 bis 1000 Liter pro Quadratmeter. Diese Werte hat Jan Hagnberger zusammengetragen. Der 16-jährige Schüler, der im Stockhofweg wohnt, ist interessiert an Wetter und Klima und betreibt privat eine Messstation im Ort. Weitere interessante Werte: Beim Gewitter stürzte die Temperatur von 17,2 auf 11,6 Grad Celsius ab, Windböen hielten sich mit rund 34 Stundenkilometern in Grenzen. Der Solarwert fiel von 16,3 Watt pro Quadratmeter auf 0,4 Watt – es war praktisch Nacht. Übrigens: Der Jugendliche braucht einen neuen Niederschlagsmesser, spart für ein Gerät, das den Anforderungen des Deutschen Wetterdienstes genügt. Er könne finanzielle Hilfe brauchen. Gibt’s einen Sponsor?

Kommentar: Glimpflich

Von Volker Rath

Man kann an den Klimawandel glauben oder nicht. Aber an einer Erkenntnis kommen wir nicht mehr vorbei: Die Zahl der heftigen Gewitter, die zu Überschwemmungen führen, nimmt zu. Der Raum zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb scheint besonders betroffen zu sein. Die Bilder gleichen sich: Es sind vor allem lokal begrenzte Wetterphänomene. Während in einem Ort die Welt unterzugehen scheint, kann es sein, dass es im Nachbardorf grade mal tröpfelt. Bürgermeister Schenk hat recht: Schenkenzell ist am Montag mit einem blauen Auge davongekommen. Vor ein paar Jahren gab es im Killertal auf der Zollernalb drei Tote zu beklagen, ertrunken in eigenen Kellern und fortgerissen von tosenden Bächen, die sonst nur Rinnsale sind. Das Thema Hochwasserschutz wird wichtiger und duldet keinen Aufschub. Aber 100-prozentigen Schutz wird es nicht geben.

Service: Rat und Hilfe

Haus unter Wasser – und nun? Wir fragten bei der SV-Versicherung nach, dem größten Gebäudeversicherer der Region, der nach eigenen Angaben 70 Prozent der Gebäude absichert.

Was muss ich als Betroffener im Schadensfall tun?

Schäden durch Überschwemmungen, Sturm oder Hagel müssen unverzüglich gemeldet werden. Die Meldung sollte möglichst detailliert die Schäden schildern. Wichtig ist auch zu melden, ob Schäden an der Inneneinrichtung eingetreten sind, etwa an verklebten Teppich- oder Parkettböden. Alle wesentlichen schadhaften Stellen sollten vor der Behebung des Schadens fotografiert werden. Diese Dokumentation ist wichtig, damit wir als Versicherer den Schaden später auch nachvollziehen können. Dazu gehört übrigens auch, dass außer zur Schadenminimierung zunächst keine Veränderungen an der Schadenstelle vorgenommen werden dürfen. Beschädigte Teile sollen aufbewahrt werden, damit sie bei Bedarf begutachtet werden können. Versicherte sollten versuchen, Folgeschäden so gering wie möglich zu halten, in dem man etwa Schäden an Fenstern oder Dächern mit einer Plane oder durch Bretter provisorisch abdichtet. Bei einer Überschwemmung müssen das Wasser möglichst schnell beseitigt und die betroffenen Bereiche getrocknet werden. Die Kosten für das Abpumpen und die Trocknung übernimmt die Gebäudeversicherung.

An wen kann ich mich wenden?

Im Schadenfall an den Berater vor Ort oder direkt telefonisch beim Versicherer. Eine Schadenmeldung ist auch über die Homepage www.sparkassenversicherung.de möglich.

Welche Versicherung zahlt was?

Im Umfang einer klassischen Gebäude- und Hausratversicherung sind üblicherweise Unwetterschäden durch Sturm und Hagel abgedeckt. Allerdings nur, wenn das Sturmrisiko mitversichert ist. Dies ist in der Regel der Fall. Ein Blick vor allem in ältere Versicherungsbedingungen schadet dennoch nicht. Grundsätzlich gilt: Ab Windstärke acht (Windgeschwindigkeit von mindestens 62 Stundenkilometern) herrscht nach den Versicherungsbedingungen Sturm. Ebenso abgesichert sind abgedeckte Dächer, eingedrückte Fensterscheiben und deren Folgeschäden wie eindringende Niederschläge. Über die Hausratversicherung sind Sturm- und Hagelschäden an der Wohnungseinrichtung und Folgeschäden abgesichert. Schäden an Gebäuden und am Hausrat durch Überschwemmungen werden als Elementarschäden bezeichnet. Dafür ist eine extra Elementarschadenversicherung notwendig, die in die Hausrat- und Gebäudeversicherung eingeschlossen werden kann. Sturm-, Hagel- und Überschwemmungsschäden an Fahrzeugen sind durch die Teil- oder Vollkaskoversicherung abgedeckt.

Wie läuft die Abwicklung ab?

Nach der Schadenmeldung wird bei größeren Schäden wie auch bei Überschwemmungsschäden kurzfristig ein Termin vereinbart, um den Schaden vor Ort zu besichtigen. Unsere Fachleute besprechen dann die erforderlichen Reparaturmaßnahmen. Danach können Versicherte ihren Handwerker beauftragen oder den Schaden selbst beheben. Bei kleineren Schäden sind in der Regel keine Ortsbesichtigungen notwendig, hier reichen Kostenvoranschläge und Fotos, damit wir die Schadenhöhe ermitteln können.

Wie lange dauert die Regulierung im Regelfall?

Nach Eingang der Belege erstatten wir zeitnah. Im Einzelfall, etwa bei größeren Schäden, werden auch Teilzahlungen geleistet, um Versicherten eventuelle Zwischenfinanzierungskosten zu ersparen.

Laufen betroffene Haus-halte Gefahr, jetzt ihre Elementarschadensver-sicherung zu verlieren?

Nein, eine Versicherung ist dafür da, im Schadenfall auch einzuspringen.