Im Kurtheater führte ein überzeugendes, mit viel Beifall bedachtes Quartett das Schauspiel "Zweifel" von John Patrick Shanley auf. Foto: Keck

Das preisgekrönte Schauspiel "Zweifel" des amerikanischen Autors John Patrick Shanley bot dem Publikum im Kurtheater ein Paradestück an darstellerischer Qualität. Die Besucher dankten dem Quartett am Schluss mit lang anhaltendem Beifall.

Freudenstadt - Aktueller kann die Problematik, die in der knapp zweistündigen Aufführung des "a.gon" Theaters München zutage tritt, kaum sein. Greift sie doch auf ihre Weise den unsäglichen Missbrauchsskandal auf, in den sich die Kirche verstrickt hat.

Anders jedoch als in der Realität, wo sich Fall an Fall reiht und vielfach unstrittig ist, sind "Zweifel" an dem vorgeworfenen schändlichen Tun des Geistlichen namens Vater Flynn im Stück angebracht. Er wird zum Rufmordopfer, das sich verzweifelt gegen Nachrede übelster Art wehrt.

Schwerer Stand für beliebten Pädagogen

Der Plot des Schauspiels, das bereits 2005 am Broadway Aufsehen erregende Erfolge zeitigte, greift mitten hinein in kirchliche Strukturen, die auf Gehorsam und Traditionalismus angelegt sind. Schwester Aloysius leitet in autoritärer Weise eine kirchliche Schule. In ihrem Denken kommen fortschrittliche Erziehungsmethoden nicht vor, weil sie in den Schülern Lebewesen sieht, die es nach vermeintlich bewährten Ordnungskriterien zu formen gilt.

Dass in solch einer Konstellation ein bei den Schülern beliebter Pädagoge und progressiver Prediger wie Vater Flynn einen schweren Stand hat, liegt auf der Hand. Aloysius hat ein misstrauisches Auge auf ihn. Dass sich sein freundschaftlicher Umgang mit dem schwarzen Schüler Donald Muller herumspricht, spielt ihr in die Karten. Bietet sich doch die Gelegenheit, Flynn daraus einen Strick zu drehen und ihn ein für alle Mal loszuwerden. Die Schulleiterin konfrontiert ihn mit dem Vorwurf, er habe Hand an den Jungen gelegt. Beweisen kann sie nichts, es kommt eine verbale Hetzjagd in Gang, in die auch die Lehrerin Schwester James involviert ist.

Unnahbar, selbstherrlich und intrigant

Obsessiv betreibt Aloysius ihren Feldzug gegen Vater Flynn. Zweifel an ihrer Vorgehensweise kommen ihr nicht in den Sinn. Als die hartherzige Erzieherin einen Pyrrhussieg errungen hat, hinterfragt sie ihr unchristliches Vorgehen. Diana Körner gibt sich in diesem Kammerspiel als eine Idealbesetzung für diese Rolle zu erkennen. Das Unnahbare, Selbstherrliche und Intrigante der Schulleiterin spielt sie souverän aus. Wenn sie beharrt "Kinder brauchen Führung von strenger Moral" klingt das wie in Stein gehauen.

Dieter Gring als Vater Flynn gibt sich als Kontrahent, der mimisch und verbal einen verzweifelten Verteidigungskampf führt. Bianca Farthofer spielt die Schwester James als eine Person, die zwischen Loyalität mit ihrer Vorgesetzten und ihrem Gerechtigkeitsempfinden nahezu zerrieben wird. Sie, die in den Augen von Aloysius "einfältig" ist, schlägt sich nach innerem Ringen auf die Seite Flynns und meldet berechtigte Zweifel an den Beschuldigungen an. Und sie traut sich aus der Deckung, wenn sie äußert, eine Schule könne "nicht wie ein Gefängnis geleitet" werden.

Überdimensionales beleuchtetes Kreuz

Das darstellende Quartett wird komplettiert mit Meimouna Coffi als Mutter von Donald. Sie kämpft in ihrer engagierten Auseinandersetzung mit der Schulleiterin um die Reputation ihres Kindes und dagegen, dass auf dessen Rücken ein unwürdiges Szenario in Gang gesetzt wird.

Peter Kühns Inszenierung in Verbindung mit Steven Koops Bühnenbild korrespondiert in idealer Weise mit dem Geschehen: teilweise nüchterne Requisiten als Illustration der abweisenden Atmosphäre. Über der Szenerie hängt ein überdimensionales beleuchtetes Kreuz als stille, doch unübersehbare Mahnung. Gelungen auch das Bild von der Wirkung des Tratsches, der wie Federn vom Wind in alle Richtungen getragen wird. Lothar Graßls sorgfältig komponiertes Lichtdesign trägt das Seine zur mitunter gespenstischen Wirkung bei "Stählen Sie Ihren Charakter" weist Aloysius Schwester James an. Das Schauspiel "Zweifel" ist zweifellos eine eindrückliche Charakterstudie.