Dass die Fördermittel für die Umsetzung der Ganztagspflicht in Grundschulen viel zu gering sind, wurde bereits im April bekannt. Nun der nächste Schock für Kommunen: Wer dennoch Geld erhält, wird ausgelost. Laut Ettenheims Bürgermeister ein Skandal.
Jedes Grundschulkind in Baden-Württemberg soll ab 2026 einen gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben. Für Kommunen eine gewaltige Aufgabe, da in den Einrichtungen nun genügen Platz geschaffen werden muss. Zahlreiche Umbauten sind die Folge. Um die Verwaltungen finanziell zu entlasten, konnten diese beim Land Fördermittel beantragen. Das Problem: Der Fördertopf in Höhe von 360 Millionen Euro ist deutlich zu klein. Bereits im April wurden Anträge mit einem Volumen von 1,25 Milliarden Euro eingereicht. Welche Kommune letztendlich Geld erhält, soll noch diese Woche per Zufallsprinzip entschieden werden. Wer also Pech hat, geht leer aus.
Dass diese Entscheidung bei vielen Verwaltungschefs sauer aufstößt, machte nun Ettenheims Bürgermeister Bruno Metz am Donnerstagnachmittag in einem öffentlichen Brief deutlich.
Bürgermeister spricht von „Skandal“ und „Offenbarungseid“
„Lotterieglück soll nun im Land darüber entscheiden, wer Zuschüsse für den Ausbau der Grundschulen zur Ganztagsschule bekommt. Die Mittelvergabe nach dem Zufallsprinzip lässt jegliche Ernsthaftigkeit seitens des Landes vermissen, den Kommunen bei einer Aufgabe zu helfen, die vom Bund beschlossen wurde.“ Von einem „Skandal und Offenbarungseid“ sowie von einer „neuen Dimension im Umgang mit den Kommunen“ ist in Metz’ Brief die Rede. „Der Bund hat 2021 beschlossen, dass die Kommunen ab 2026 in den Grundschulen verpflichtend ein Ganztagesangebot unterbreiten müssen. Dazu sind eine Fülle von Einzelregelungen verfügt worden, die das ganze Thema extrem teuer machen. Der Bund hat 70 Prozent Zuschüsse für die notwendigen Bauten zur Ganztagsschule in Aussicht gestellt“, so der Rathauschef.
Auch die Stadt Ettenheim habe für die beiden Grundschulen in Altdorf und Münchweier Förderanträge mit einem Investitionsvolumen von mehr als fünf Millionen Euro gestellt. „Dass nun Losglück über die zugesagte Förderung entscheiden soll, ist eine Verabschiedung aus der Verantwortung von Bund und Land. Schon im Vorfeld hatten die Kommunen und ihre Verbände darauf hingewiesen, dass das Geld absolut nicht ausreichend ist und angesichts der dreijährigen Findungsphase im Bund zur Finanzierung ist der Termin 2026 nicht zu halten“, betont Metz.
Forderung: Frist bis 2026 soll verschoben werden
Er schließe sich der Forderung von Kommunalverbänden an, den Zeitraum 2026 auszusetzen und mehr Geld für die Kommunen bereitzustellen. Mit der Auslosung verletzte Bund und Land „wieder einmal“ das Konnexitätsprinzip – also wer bestellt, bezahlt. „Der Bund, der die Ganztagsgrundschule verpflichtend wollte, muss auch das dazu notwendige Geld zur Verfügung stellen.“
Sowohl Metz als auch viele seiner Kollegen würden das Thema Ganztagsgrundschule grundsätzlich als folgerichtig sehen. „Wir können nicht nur in den Kitas eine mittlerweile sehr umfassende Betreuung anbieten und in der Grundschule dann sagen, ab jetzt ist es Elternsache. Die Frage ist, wie das gestaltet wird, wer es bezahlt und vor allem, muss das alles verpflichtend sein?“ Demnach gebe es noch immer Familien, die ihre Kinder am Nachmittag gerne zu Hause haben würden. Das bisherige freiwillige Angebot habe sich laut vielen Bürgermeistern bewährt. „Die Ganztagespflicht kostet viel Geld und geht teilweise am Bedarf vorbei“, erklärt der Rathauschef abschließend.
Info – Frist bis 2026 bereitet Kommunen große Sorgen
Der Anspruch auf die Ganztagsbetreuung soll 2026 in Kraft treten. Zu früh, wenn es nach Ettenheims Bürgermeister Bruno Metz geht. Auch dem Lahrer Oberbürgermeister Markus Ibert bereitet das Ganze große Sorgen, wie bei einem Besuch von Sandra Boser, Grünen-Landtagsabgeordnete und Staatssekräterin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, deutlich wurde. Ibert betonte, dass die Realisierung bis zum angegebenen Zeitraum Kommunen vor extreme Herausforderungen stelle. Boser entgegnete, dass nicht das Land den Rechtsanspruch gestellt habe, sondern der Bund. Zudem laufe der Ausbau laut ihr in vielen Bundesländern besser als in Baden-Württemberg.