In Hollywood geht der Kampf der Schauspielerin Scarlett Johansson gegen Disney weiter. Es steht gerade nicht gut für das Studio.
Stuttgart - Seit einst tonlose Filmstreifen per Handkurbel weiterbewegt wurden, hat die Filmindustrie einige Umwälzungen erlebt. Aber sie kennt auch ihre Konstanten, die Unzufriedenheit über Gewinn- und Risikoverteilungen beispielsweise. In Hollywood saßen Schauspieltalente jahrzehntelang am kürzeren Hebel. Erst boten ihnen die kartellartig agierenden großen Studios nur Knebelverträge an, dann verfingen sich die Künstler im Abrechnungsdickicht. Bei manchem globalen Kinohit konnten die Studios vorrechnen, dass unterm Strich leider nur ein Verlust blieb. Der Ausdruck Hollywood Accounting, also Filmindustrie-Buchführung, wurde zum Synonym für eine faktenvernichtende Betrugsmasche an der Grenze zur Magie.
Johansson soll altes Unrecht rächen
Vor diesem Hintergrund muss man die Sympathie sehen, die der Schauspielerin Scarlett Johansson aus Teilen der Kreativgemeinde bei ihrem jüngst begonnenen Rechtsstreit mit Hollywoods mächtigstem Studio entgegenschlägt. Johansson vs. Walt Disney, das scheint manchen ein Stellvertreterkampf zu sein, der strukturelles Unrecht vergangener Jahrzehnte rächen soll. Jedenfalls tritt gerade immer stärker hervor, was sich schon in den ersten Tagen des Zwists abzeichnete. Juristische Feinheiten spielen keine große Rolle, es geht um anderes. Es könnte gut sein, dass Disney vor einem Zivilgericht mit Ach und Krach gewinnt, in der Arena der öffentlichen Meinung aber eine katastrophale Niederlage erleidet.
Johansson hat für ihre Rolle in „Black Widow“ 20 Millionen Dollar Gage erhalten und ist vertraglich auch am Kinoeinspiel beteiligt worden. Weil Disney „Black Widow“ aber – nach Johanssons Deutung vertragswidrig – pandemiebedingt nicht nur im Kino, sondern parallel auch beim Streamingdienst Disney+ anbot, meint die Schauspielerin, um zig Millionen geprellt worden zu sein.
Sexismus und Machtkämpfe
Disney schimpfte zurück, Johansson nehme die Pandemie und deren Auswirkungen nicht ernst. In arger Strapazierung des Gesagten schlagen nun Johanssons Agenten, die Schauspielergewerkschaft, Vertreterinnen der Metoo-Bewegung und Kolleginnen seit Tagen ohne Unterlass zurück. Disney betreibe „Gender-Shaming“, argumentiere also sexistisch, setze Johansson ihrer Weiblichkeit wegen herab und versuche gezielt gegen den Star zu wenden, dass überhaupt einmal eine Frau in der Traumfabrik zu Macht und Einfluss gekommen sei.
Fraglos gehört die Zurücksetzung von Frauen in Hollywood sogar in den erzählten Geschichten selbst noch immer zum Geschäftsmodell der Industrie. Zu diesem Thema liefert gerade der Dokumentarfilm „This changes everything“ bei RTLs Streamingdienst TV Now Erhellendes. Dass ausgerechnet eine viel beschäftigte Superverdienerin von der Masse der Geleimten als Hoffnungsträgerin adoptiert wird, mag zwar absurd erscheinen. Wenn aber im Post-Metoo-Hollywood der resonanzreiche Vorwurf der Frauenfeindlichkeit Disney zum frühen Einlenken bringen sollte, wäre tatsächlich eine Machtverschiebung zu verzeichnen.