Eine Szene aus dem düsteren Science-Fiction-Streifen „Ghost in the Shell“ mit Scarlett Johansson. Foto: AP

Hollywood-Star Scarlett Johansson spricht im Interview über den technischen Fortschritt, warum sie nicht in sozialen Netzwerken zu finden ist und böse Kritiken und ihren neuen Film „Ghost in the Shell“.

Stuttgart - Sie ist erst 32 Jahre alt, doch Scarlett Johansson blickt bereits auf über 20 Jahre Schauspielkarriere zurück. Jetzt ist die US-Amerikanerin in dem düsteren Science-Fiction-Film „Ghost In The Shell“ zu sehen.

Frau Johansson, wir leben in einem durchdigitalisierten Zeitalter. Ist „Ghost In The Shell“ der ultimative Film für unsere Zeit?
Die Geschichte ist schon ziemlich zeitgemäß. Vor allem wenn man sich die Anime-Vorlage ansieht, die ja über 20 Jahre alt ist. Aber meine Güte war die ihrer Zeit voraus. Am erstaunlichsten finde ich, wie der Film damals diese Abkopplung vorhergesehen hat, die ein Nebeneffekt des digitalen Zeitalters ist. Denn das Paradoxe ist ja, dass wir einerseits so umfassend miteinander verknüpft sind wie nie zuvor, uns aber gleichzeitig so leer und einsam fühlen. In dieser Hinsicht ist „Ghost In The Shell“ auf jeden Fall passend für unsere heutige Gesellschaft.
Sie selbst sind mit der Welt nicht so sehr verbunden, zumindest auf Twitter und Co . . .
Dafür habe ich einfach keine Zeit. Abgesehen davon bin ich einfach eine sehr private Person und habe kein Interesse, die Welt an meinem Leben teilhaben zu lassen. Meine Freunde treffe ich im echten Leben und nicht online. Wenn ich deine Telefonnummer nicht habe und wir nicht in Kontakt geblieben sind, dann wollen wir uns vermutlich nicht sehen. Oder zumindest will ich dich nicht sehen. Klingt zickig, aber so ist es eben.
Würden Sie sich als Technikskeptikerin bezeichnen, oder geht die Entwicklung alles in allem doch in die richtige Richtung?
Insgesamt bewegt sich aktuell leider gar nicht viel in die richtige Richtung, oder? Was die technischen Fortschritte angeht, würde ich aber nicht sagen, dass ich Angst davor habe, wo das noch alles hinführt. Mir fehlt nur wirklich der Sinn dafür. Und natürlich kann ich auch anerkennen, wie hilfreich technologische Erfindungen oft sein können. Allerdings muss man sich natürlich immer fragen, welchen Preis wir dafür zahlen.
„Ghost In The Shell“ wirft einen Blick in die Zukunft – und die sieht durchaus düster aus. Machen Sie sich Gedanken über die Zukunft?
Als Mutter denke ich natürlich über die Zukunft nach. Allerdings muss ich gestehen, dass es mir dabei weniger um technologische Fortschritte geht. Was mir Sorgen macht, sind Umweltfragen. Wenn ich mir ansehe, wie es um unsere Welt bestellt ist und wie wenig Beachtung man der Natur in den USA 2017 schenkt, muss man Angst haben, dass es vielleicht bald zu spät ist . . .
Fühlen Sie sich dabei hilflos?
Geht es uns nicht allen bisweilen so? Aber aus Hilflosigkeit kann auch Aktivismus entstehen. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass man sich an die Hoffnung klammern muss, denn wer sich dem Schicksal ergibt, vertut die Chance, etwas zu verändern.
Leichter gesagt als getan, oder?
Na klar. Auch ich muss mich zusammenreißen um nicht allzu pessimistisch zu werden. Wobei ich immer an einen Satz aus einem der Filme denken muss, die ich mit Woody Allen gedreht habe: „Pessimismus ist Realismus, nur anders geschrieben.“

Was Scarlett Johansson von den Kollegen Robert Redford und Liev Schreiber gelernt hat

Apropos Woody Allen: welche Kollegen, mit denen Sie zusammengearbeitet haben, haben Sie am meisten beeindruckt?
Woody war auf jeden Fall jemand, der für mich sehr wichtig war. Am meisten geprägt hat mich aber Robert Redford. Ich war zwölf Jahre alt, als ich mit ihm „Der Pferdeflüsterer“ gedreht habe. Von ihm habe ich gelernt, vor der Kamera natürlich und ganz im Moment zu sein. Hätte ich ihm nicht bei der Arbeit zusehen dürfen, wäre in mir vielleicht nie der Wunsch entstanden, die Schauspielerei wirklich zum Beruf zu machen. Später war dann auch Liev Schreiber sehr wichtig.
Mit dem standen Sie nie vor der Kamera, oder?
Aber am Broadway auf der Bühne. Unser Stück „A View From The Bridge“ war 2010 mein erstes Theaterstück als Erwachsene, und Liev hat mich nicht mit Samthandschuhen angefasst. Er war immer ehrlich, hat mich gefordert und mir beigebracht, dass man sich auf der Bühne auf nichts verlassen darf. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar.
Sie standen 2013 abermals am Broadway auf der Bühne. Zieht es Sie wieder dahin zurück?
O ja. Es gibt nichts Besseres als das Theater. Für mich waren diese beiden Stücke die besten Jobs, die ich je hatte. Auf der Bühne kontrolliert man jeden Moment und ist komplett für seine Rolle und seine Leistung verantwortlich. Das ist eine unfassbar aufregende, wunderbare und anstrengende Erfahrung, bei der man sich jeden Abend hinterfragt und oft frustriert ist. Aber ich habe es mit jeder Faser meines Körpers geliebt.
Die Kritiken waren nicht immer nett. Verfolgen Sie, was die Presse über Sie schreibt?
Nein, da stecke ich meinen Kopf in den Sand. Und dass ich mich nicht auf Twitter, Facebook und Co. tummle, hilft natürlich. Ich liebe es, im Kino zu sitzen und mich von einem Film mitreißen zu lassen. Mein Traum ist es, dass mir das mit meinen Rollen auch immer wieder gelingt. Allerdings mache ich mir nicht die Illusion, dass ich jedem gefallen kann. Geschmäcker sind nun mal verschieden. Und für jeden Arsch gibt es einen Sitz.
Wenn man sich Ihre Filme der letzten Jahre ansieht, von „Marvel’s The Avengers“ über „Her“ bis zu „Lucy“ , könnte man meinen, dass Sie ein Science-Fiction- und Fantasy-Fan sind.
Überhaupt nicht. Es gibt viele gute Science- Fiction-Geschichten, die mir gefallen. Aber dass ich eine besondere Schwäche für dieses Genre hätte, kann man nicht sagen. Dass ich so viele Filme gedreht habe, die man unter diesem Label zusammenfassen kann, ist für mich eher Zeichen eines Trends. Wir leben in einer Welt, in der wir unsere Identität als Menschheit neu definieren müssen. Wir müssen unseren Platz finden und zusehen, dass wir mit all den Fortschritten klarkommen. Und diese Entwicklung schlägt sich natürlich in den Filmen nieder, die im Moment gedreht werden. Dass ich damit allerdings besonders viel Erfahrung habe, wurde mir erst wieder bewusst, als ich bei „Ghost In The Shell“ mit Juliette Binoche zusammengearbeitet habe. Für die war das alles total neu, die musste sich richtig hineinfuchsen in diesen Techie-Jargon. Willkommen in meiner Welt, habe ich dann immer gesagt! Denn ich erinnere mich kaum noch an Dreharbeiten, bei denen ich nicht mit futuristischem Vokabular um mich werfen musste.
Ein weiteres gemeinsames Element Ihrer Filme der letzten Jahre ist die Action. Ist der körperliche Aspekt Ihrer Arbeit inzwischen Routine?
Sollte man meinen? Ich habe auf jeden Fall inzwischen reichlich Erfahrung, und das war bei „Ghost In The Shell“ Gold wert. Einfach weil ich nicht bei null anfangen musste. Wie etwa die Choreografie von Kampfszenen funktioniert, das weiß ich inzwischen einfach. Und der Umgang mit Schusswaffen ist natürlich auch längst nichts Neues mehr.
Was liegt Ihnen denn gar nicht?
Wovor ich mich ewig gedrückt habe, war taktisches Training. Also zu lernen, wie man sich in einem Team bewegt und so weiter. Für „Ghost In The Shell“ stand es nun auf dem Programm. Es ist immer noch nicht meins, war aber nicht so schlimm wie befürchtet. Was ich allerdings nach wie vor einfach nicht leiden kann, ist dieses Hängen an Drahtseilen, was man für Schwebe-, Sprung- oder Sturzszenen machen muss. Furchtbar!