Seit fünf Jahren ist Christian Streich im Amt – damit ist er dienstältester Trainer in der Bundesliga und nicht nur deshalb ein echtes Unikat. Foto: Seeger

Fußball: Freiburgs Trainer macht den Mund auf - auf dem Platz und zu politischen Dingen. Mit Auszug seiner besten Sprüche

An diesem Freitag startet die Fußball-Bundesliga mit dem Auftaktspiel zwischen dem SC Freiburg und dem FC Bayern ins neue Jahr. An der Seitenlinie beim Sportclub steht der dienstälteste Coach der Liga. Seit fünf Jahren ist Christian Streich im Amt – damit ist er dienstältester Trainer in der Bundesliga und nicht nur deshalb ein echtes Unikat.

Kürzlich gab Christian Streich (51) einen Einblick in seinen Alltag als Trainer in der Fußball-Bundesliga. Es ging um seine Art der Menschenführung. Darum, wie er mit seinen Spielern spricht. "Ich gehe in mein Kabuff, das ist fünf Quadratmeter groß", sagte Streich, "da liegen meine Klamotten rum. Aber meinen Sie, das macht einen Unterschied bei der Qualität des Gesprächs? Wenn ja, hat der andere ein Problem, nicht ich."

Er redet so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist

Christian Streich ist längst Kult. Bundesweit. Was an seiner kauzigen Art liegt. An seinem breiten alemannischen Dialekt, an seiner oft drolligen Art zu sprechen. Streich ist Streich. Und bleibt Streich. Ein Original. Zu Beginn seiner Amtszeit probierte er es auf Pressekonferenzen mal auf Hochdeutsch. Schnell erkannte er seine Grenzen – weshalb er einfach so redet, wie ihm sein südbadischer Schnabel gewachsen ist. Manchmal kommen dann so herrlich unverstellte Äußerungen wie diese raus: "Am beschten du machsch de Fernseher aus, schausch de Tabelle nit an, bringt ja alles nix. Spielsch! Übsch!"

Mit seiner ehrlichen und direkten Art erreicht Streich auch seine Spieler. Einer, der mit dem Coach wohl die meisten Gespräche in seinem kleinen Trainerbüro geführt hat, ist der Kapitän Julian Schuster. Der ist seit 2008 beim Sportclub. Er kennt Streich aus dem Effeff, er hat die Lage der Dinge beim SC schon hundertfach mit ihm erörtert. Schuster bewundert Streich. Nach fünf gemeinsamen Jahren sagt er, dass eines ganz besonders am Coach sei: "Er will von jedem Gegenüber etwas lernen, er interessiert sich für ihn. Eine tolle Eigenschaft, die er uns entsprechend vorlebt."

Streich wähle immer deutliche Worte, ergänzt Schuster vor dem Auftaktspiel ins neue Bundesligajahr gegen den FC Bayern München an diesem Freitag ( 20.30 Uhr/ARD und Sky): "Diese teils schonungslose Offenheit und Direktheit ist selten. "

Christian Streich, der Menschenfänger. Christian Streich, der Pädagoge. Der Sohn eines Metzgers studierte in Freiburg Germanistik, Geschichte und Sport auf Lehramt. Unterrichtet hat er nie, stattdessen wurde der Südbadener nach mehreren Profistationen im Jahr 1995 A-Jugendtrainer beim Sportclub. Und blieb bis heute im Verein.

Er ist der Lehrer unter den Bundesligatrainern. Einer, der alle mitnimmt. Schusters Loblied auf den Coach ist bei Weitem nicht das einzige. Unterschiedliche Spielertypen, die schon mit Streich zusammengearbeitet haben, rühmen dessen menschliche Qualitäten. Weil er sich regelrecht in sein Gegenüber hin-einfühlt. Weil er für jeden einzelnen Profi die passende Ansprache sucht. Oder, wie es der Freiburger Sportvorstand Jochen Saier ausdrückt: "Christian taucht regelrecht in die Spieler ein."

Diese Gabe verfeinerte Streich schon zu seiner Zeit als Leiter der Freiburger Fußballschule, als er sich den Jugendspielern, die im Internat wohnten, mit Hingabe und Herzblut widmete. Er ging auf jeden Einzelnen ein, als wäre er sein eigener Sohn. Er förderte und forderte. Streich war manchmal Vater, Mutter, Herbergsvater und Trainer in einem. Wie im Falle des ehemaligen SC-Jugendspielers Dennis Aogo.

Einmal saß Streich mit Aogo und dessen Familie zusammen. Als Jungspund konnte Aogo manchmal ein schwieriger Fall sein. Als er mal wieder über die Stränge geschlagen hatte, schien es für ihn nicht mehr weiterzugehen beim SC. Alle Beteiligten am Tisch weinten. Streich und die Familie, in Traurigkeit vereint. Am Ende ging es doch weiter. Und Dennis Aogo wurde später zum deutschen A-Nationalspieler.

Mal streng, mal fürsorglich, immer einfühlsam – das war Christian Streich. Und das ist Christian Streich. Im Grunde macht er heute im Vergleich zu den Zeiten in der Fußballschule nichts anderes. Dabei ist es dem Pädagogen Streich auch wichtig, seine Jungs hin und wieder für politische Themen zu sensibilisieren. Streich, der einst mit seinem früheren Mitspieler und heutigen SC-Sportdirektor Klemens Hartenbach in einer WG wohnte, ist vor 30 Jahren in der Freiburger Studentenszene als politisch denkender Mensch geprägt worden. Klappe halten ging nicht. Mund aufmachen hieß die Devise.

Wenn Streich nun also wie in den vergangenen Wochen über politische Themen spricht, wenn er sich über Flüchtlinge äußert, zum Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit aufruft und die AfD attackiert, dann hat das nichts mit irgendeinem Geltungsdrang zu tun, den ihm einige Menschen unterstellen. Sondern mit Streichs Selbstverständnis als Demokrat.

Anfang Dezember etwa forderte er mehr Zivilcourage, als in Freiburg fremdenfeindliche Kommentare in Folge der Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin aufgekommen waren. Tatverdächtiger war ein junger Flüchtling. "Jetzt kommt es darauf an, wie diese Gemeinschaft in diesem Land auftreten wird. Was auch gesellschaftlich toleriert wird", sagte Streich. Dafür gab es viel Lob, aber auch Kritik. Was mischt der sich ein, der soll sich ums Kicken kümmern und kein schlaues Zeugs daherreden, hieß es in einigen Internetforen. Streich selbst sagt dazu das: "Ich hätte die Fragen auch so beantwortet, wenn man sie mir beim Einkaufen oder im Café gestellt worden wäre. Warum soll ich sie dann nicht beantworten, wenn sie von einem Journalisten kommt?"

Wer den eher öffentlichkeitsscheuen und bescheidenen Streich kennt, der weiß, dass er es sich niemals vornehmen würde, sich mit einem politischen Statement zu positionieren. Aber wenn ihn jemand vor dem Spiel etwas Politisches fragt, dann sagt er eben das, was er denkt.

Die Antithese zum modernen Laptoptrainer

Auch wenn es sicher nicht sein Ziel ist – Streich ist, wenn man so will, so etwas wie der politische Meinungsführer unter den Bundesligatrainern. Auch, weil es sonst keinen Coach gibt, der regelmäßig mehr zu sagen hat als das, ob sein Spieler xy nach einer Oberschenkelzerrung wieder fit ist und dass der nächste Gegner eine unglaubliche Qualität hat. Streich ist die Antithese zum modernen Laptoptrainer. Auch er ist ein Taktikfuchs, ein detailversessener Fußballlehrer. Aber eben einer, der nicht wirkt wie am Reißbrett entworfen. Ein Unikat. Und Kult in Freiburg. Und im Netz.

Denn Streich ist Streich – egal mit wem er spricht. Er interessiert sich für sein Gegenüber. Er erkundigt sich, wie die Anreise war, er fragt nach dem Heimatort. Und zum Abschied, da will Streich wissen, wie lang denn jetzt die Rückreise dauere – und sagt: "Passet se au gut auf beim Fahre!" Andere wären da wohl längst aus dem Raum gegangen. Danke, Tschüss, der nächste bitte – so etwas könnte Streich gar nicht. Das widerspräche seinem Naturell.

Gelassenheit gehört nicht zu Streichs Stärken

Auch durch seine ihm ureigene Art steht der Coach nun schon seit fünf Jahren im Fokus. Und der Unterhaltungsbetrieb Bundesliga tut ja ohnehin schon sein Übriges. Dabei ist es eigentlich gar nichts für Streich, immer im Rampenlicht zu sein. Am liebsten würde er sich nur um den Fußball und die Weiterentwicklung seiner Spieler kümmern. Was kommt jetzt also? Nochmal fünf Jahre? Streich schüttelt den Kopf. Und sagt dann: "Aber ich konnte mir ja damals auch nicht vorstellen, Profitrainer zu werden."

Klar ist, dass man weiß, was man an Streich hat – und umgekehrt. Klemens Hartenbach, der frühere Mitbewohner und heutige Vorgesetzte Streichs, sagt: "Der Standort für Chris ist nicht schlecht, mit den Freiheiten, mit dem Vertrauen. Wir bekommen viel von ihm, halten aber dafür auch mal Dinge aus und federn sie ab."

So einfühlsam Streich im Umgang mit seinen Profis ist, so emotional ist er an der Seitenlinie. Gelassenheit gehört nicht zu Streichs Stärken, das wissen die Freiburger Strategen um Hartenbach, die damit umgehen können. Wenn Streich sich ungerecht behandelt fühlt, wird er zum unberechenbaren Wüterich. Auch mit persönlichen Verbal-Attacken außerhalb des Platzes hat er oft wochenlang zu kämpfen.

All das wird an der Dreisam toleriert. Weil die Freiburger ganz genau wissen, dass Streich es wie kein Zweiter beherrscht, junge, kostengünstige Profis schnell weiterzuentwickeln. Eine Gabe, die am Freiburger Fußballstandort ohne die großen finanziellen Mittel unumgänglich ist. Deshalb ist eine Vertragsverlängerung über die ursprüngliche Laufzeit (bis 2018) hinaus gut möglich. Der Umzug in die neue Arena zur Saison 2019/20 könnte auch für Streich ein Anreiz sein, weiterzumachen.

Seite 2: Die besten Sprüche von Christian Streich

"Am beschten du machsch de Fernseher aus, schausch de Tabelle nit an, bringt ja alles nix. Spielsch! Übsch!"

"Es ist doch schöner, wenn jemand beim Einkaufen sagt: Der Senf steht dort, und wir freuen uns gerade an euch. Anstatt dass er sagt: Sag’ ich dir nicht, wo der Senf steht."

"Bodyguards? Ich brauch’ keine. Bodyguards haben die Stars."

"Freiburg will de Ball habe. Mir wolle auch gegen Bayern de Ball habe. Auch wenn mir ihn da net so viel kriege, weil die sage, ihr krieget den net. Aber mir sage dann trotzdem zu ihne, mir wolle ihn. Aber sie gebe ihn uns net."