Geringverdiener haben bei der Wohnungssuche im Schwarzwald-Baar-Kreis schlechte Karten. (Symbolbild) Foto: Sommart – stock.adobe.com

Neues Siegel soll Impulse setzen. Mieten für Wohnungen steigen in Region 6,4 Mal so stark wie Lebenshaltungskosten. 

Kein Wohnraum für Geringverdiener – die Mieten für einfache Wohnungen stiegen in der Region 6,4 Mal so stark wie die Lebenshaltungskosten – Der Schwarzwald-Baar-Kreis auf dem "Wohn-Prüfstand" für Haushalte mit niedrigen Einkommen.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Die vom Job-Center übernommenen Mieten für Single-Haushalte stiegen innerhalb von gut sechs Jahren (März 2014 bis August 2020) um 41,7 Prozent, während die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum nur um 6,5 Prozent zulegten. "Bei den Mieten wird oft rausgeholt, was rauszuholen ist. Dabei bauen Vermieter auf die Job-Center als ›zuverlässige Zahlstelle‹. Diese übernehmen die Kosten für Wohnungen ›einfachen Standards‹. Auf genau diese Wohnungen sind aber nicht nur Hartz-IV-Empfänger angewiesen, sondern eben auch die vielen anderen Haushalte mit niedrigen Einkommen", sagt der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther.

"Staat agiert als Mietentreiber"

Das Angebot an günstigen Wohnungen sei rar. "Gerade Neuvermietungen nutzen viele Vermieter, um Maximalmieten zu erzielen."

Um eine bessere Orientierung bei Wohnungsangeboten zu bekommen, gibt es jetzt das Mieter-Gütesiegel: "Meinfairmieter". Dieses soll als Wohnungsmarkt-Label insbesondere die soziale Verantwortung von Vermietern prüfen.

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Matthias Günther hat die Gründung des Gütesiegels mit initiiert. Das Siegel sei ein "Sozial-Kompass für den Wohnungsmarkt" – und für weite Teile der Bevölkerung relevant: Fast ein Viertel der Beschäftigten arbeite nach Angaben des Pestel-Instituts bundesweit im Niedriglohnsektor: Vom Mindestlohnbeziehern über Alleinerziehende bis hin zu Rentnern, die ihre kleine Rente mit einem Minijob aufbesserten. "Der Staat agiert inzwischen mangels eigener Wohnungen als Mietentreiber, weil er Mieten akzeptieren muss, bei denen viele Vermieter offensichtlich die Schmerzgrenze ausreizen", so Matthias Günther.

Wie gerade in einer von der Caritas und der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn beauftragten Untersuchung aufgezeigt, sind es auch in besonderem Maße Menschen mit Behinderungen, die von Wohnungsknappheit und den gestiegenen Mieten betroffen sind. Inklusives Wohnen wird ohne zusätzliche Förderung nicht erreicht werden.

Wohnungsunternehmen müssen auch Gewinne erzielen

Aber auch unter den Vermietern macht sich zunehmend Unmut breit. Vor allem die vielen noch vorhandenen Wohnungsgesellschaften in öffentlichem Eigentum und die Genossenschaften fühlen sich zu Unrecht in der Schublade der "gierigen Vermieter" wieder. "Wie alle anderen Unternehmen müssen auch Wohnungsunternehmen Gewinne erzielen, um langfristig bestehen zu können. Die Umsetzung jedes Mieterhöhungsspielraums ist dabei aber nicht nötig. Gerade beim Grundbedürfnis Wohnen kann der Grundsatz, dass der Gebrauch von Eigentum zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, nicht stark genug betont werden", so Günther.

Auch hinter der Wohnungsmarkt-Analyse für den Schwarzwald-Baar-Kreis steht das neue Gütesiegel, das vom Pestel-Institut durch dessen Leiter, Matthias Günther, mit initiiert wurde. Faire Vermieter, ob öffentlich, genossenschaftlich oder privat, müssen für die Wohnungssuchenden erkennbar sein. In der Schaffung von Markttransparenz wird ein Schwerpunkt der Arbeit des Gütesiegels gesehen. "Aber natürlich werden wir auch wohnungspolitische Forderungen wie etwa die dringend notwendige Stärkung des Sozialwohnungsbestandes und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau insgesamt im Fokus haben", betonen die Gründer des Gütesiegels. Denn letztlich habe eine unzureichende Wohnungspolitik dazu geführt, dass Ende 2019 im Schwarzwald-Baar-Kreis rund 1900 Wohnungen oder 1,8 Prozent des Wohnungsbestands fehlten.