Anderthalb Stunden stand die Grünen-Landtagsabgeordnete Sandra Boser zwei Realschulklassen in Ettenheim Rede und Antwort Foto: Decoux

Die Realschüler der Ettenheimer Heimschule St. Landolin mahnten beim Besuch der Grünen-Landtagsabgeordneten Sandra Boser mehr praktischen Unterrichtsstoff an. Auch die schulische Demokratiebildung sei lückenhaft.

An der Ettenheimer Heimschule St. Landolin nahm sich Sandra Boser eine Doppelstunde Zeit, um zahlreiche Fragen zweier Realschulklassen zu beantworten. Zuvor hatte die Grünen-Landtagsabgeordnete und Staatssekretärin im Stuttgarter Kultusministerium ein Gespräch mit der Schulleitung und dem Stiftungsdirektor geführt.

Auf Bosers Besuch mit den Themen „Berufliche Orientierung“ und „Demokratiebildung“ hatten sich die beiden Klassen 10 d und c mit ihren Lehrern Holger Gißler und Jasun Sturm zuvor im Gemeinschaftskundeunterricht extra vorbereitet. Zum Einstieg hatte sich die „Wolfacherin“ mit ihrem eigenen beruflichen Werdegang vorgestellt. Auch manche Schüler gaben Auskunft über ihre derzeitigen Berufsvorstellungen. Lehrer Gißler ergänzte: Derzeit machen rund 70 Prozent der Heimrealschul-Absolventen an weiterführenden Bildungseinrichtungen weiter. Das beeindruckte Boser besonders. Derzeit sind es sonst in Baden-Württemberg „nur“ 45 Prozent, die nach dem Realschulabschluss im Gymnasium weiter machen. Sie bedauerte ansonsten, dass Pflegeberufe derzeit besonders wenig gefragt sind.

Boser fordert Schüler zum Mitgestalten auf

Die Lehrpläne seien nicht mehr zeitgemäß, erklärten ihr die Schüler. Brauche man später noch mathematische Parabeln oder das Wissen um Interrogativpronomen? Boser räumte ein: Die schulischen Bildungspläne stünden weiter auf dem Prüfstand, zumal über das Fachliche hinaus, personenbezogene Kompetenzen wie Teamarbeit, Kreativität und kommunikative Innovationen immer mehr an Bedeutung gewinnen würden. Immerhin, so Boser humorvoll: „Schillers ,Glocke’ steht schon längst nicht mehr drin!“ Jedoch manche Dinge wie chemische Fundamentalkenntnisse seien später auch im Alltag nützlich. Ansonsten hätten die Lehrkräfte viel Freiraum über den Kern-Unterrichtsstoff hinaus. Aber Boser gab auch zu: „ Personalmangel ist die größte Herausforderung an deutschen Schulen“.

Die zweite Dreiviertelstunde stand im Zeichen der Demokratiebildung als Gemeinschaftskunde-Ableger. Dabei beantwortete Boser (1976 geboren) viele persönliche Fragen etwa zu ihrer eigenen politischen Sozialisation. So berichtete sie von ihrer ersten Demonstration als Schülerin gegen den Irak-Krieg oder dem Wolfacher Kampf um das damals noch abgelehnten Jugendzentrum.

Boser räumte ein, dass bei der schulischen Demokratiebildung noch manches lückenhaft sei. Man müsse daran weiter arbeiten, auch mit Lehrerfortbildung und Jugendhearings. Ansonsten lautete ihr Rat: „Beteiligen, mitgestalten, wählen und selbst kandidieren!“ Und, das sei auch von ihrem Kultusministerium erwünscht: „An der Unterrichtsgestaltung mehr mitwirken!“ Etwa beim Stoffverteilungsplan Schülermitverantwortung bei Schulkonferenzen bis ganz nach oben über den baden-württembergischen Landesschüler-Beirat.

Schließlich dankte die beeindruckte Staatssekretärin den wohl vorbereiteten beiden Schulklassen: „Ich habe von euch viel mit genommen!“

Mit diesen Problemen kämpft die Heimschule

Bei Realschulleiterin Nicola Heckner hatte zuvor ein internes Gespräch mit Boser stattgefunden. Bei diesem sprach Patrick Krug als Direktor der Landolin-Schulstiftung aktuelle Sorgen an. Etwa die drohende Einstellung von Buslinien und die unzureichende Finanzierung von Schüler-Monatstickets. Damit habe die privat von der Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg getragene Heimschule mit ihren vielen auswärtigen Schülern besondere Probleme. Weitere Sorgen gebe es bei künftigen Landeszuschüssen für Baukosten oder Neubauten. Dazu machte Boser wenig Hoffnung. Es bleibe bei 60 Prozent Landeszuschuss (immerhin doppelt so viel wie bei öffentlichen Schulen) und einem Gesamt-Fördertopf von derzeit jährlich 25 Millionen Euro. Dritter Problempunkt: Die Finanzierung von Schulsozialarbeit. Da seien, so Krug, die Kosten drastisch gestiegen. Doch auch da konnte Boser über schon erhöhten 30-prozentigen Zuschuss hinaus nicht mehr versprechen. Immerhin: Die bisherigen schulpädagogischen Stellen würden „auf jeden Fall verlängert.“