Nach seinem folgenreichen Unfall in der Fernsehsendung „Wetten, dass ..?“ hat Samuel Koch Karriere als Schauspieler und Autor gemacht. Jetzt hat er mit seiner Frau ein Kinderbuch geschrieben: „Das Kuscheltier-Kommando“.
Stuttgart - Im Gespräch erzählt Samuel Koch von seinen liebsten Kinderbüchern, seinem Schreibritual und dem Wert des Einzelnen in der Leistungsgesellschaft.
Herr Koch, was lesen Sie momentan?
Als Erstes fällt mir Hannah Arendts „Vita activa oder Vom tätigen Leben“ ein, das habe ich gestern gelesen und werde es heute und morgen lesen. In längeren Zyklen lese ich „Erde 5.0“ vom Zukunftsforscher Karl-Heinz Land. Das ist ziemlich harter Tobak und sehr spannend. Er geht davon aus, dass man mit der Digitalisierung die Welt retten kann.
Sie lesen also am liebsten Sachbücher?
Ich lese nie Romane, außer für das Theater. Das Theater mag ich unter anderem deshalb, weil es mich in der Literatur herausfordert. Intendanten, Dramaturgen und Regisseure haben sich Gedanken gemacht, welche Literatur heute relevant ist. Und ich kann vertrauensvoll davon ausgehen, dass sie etwas Gescheites ausgesucht haben. Ganz aktuell ist das ein Stück von Sivan Ben Yishai, „Wunden“. Am liebsten lese ich aber Drehbücher.
Weil sie für Sie bestimmt sind?
Ich sage deshalb am liebsten, weil ich mich freue, wenn sie mir zugeschickt werden. Dann hat es etwas mit mir zu tun. Um fremde Drehbücher zu lesen, bin ich zu mikrokosmisch.
Haben Sie zum Lesen einen Lieblingsort?
Ja, den habe ich im letzten Sommer entdeckt. Wir haben einen kleinen, spießigen Garten mit einem Pfosten und einem Baum. Da habe ich eine Hängematte gespannt und darin gelesen.
Lesen Sie digital oder analog?
Mittlerweile lese ich ausschließlich mit dem Tablet und wische durch die Gegend.
Mit Ihrer Frau Sarah Koch haben Sie das Kinderbuch „Das Kuscheltier-Kommando“ geschrieben, das jetzt im März erscheint. Welche Kinderbücher mochten Sie besonders gerne?
Eines meiner Lieblingskinderbücher war „Teddy Brumm“, das ist in Reimform geschrieben. Natürlich erinnere ich mich an Klassiker wie Astrid Lindgren. Meinem Neffen lese ich gerade biblische Kinderbücher mit den Geschichten von Daniel in der Löwengrube und David und Goliath vor. Die sind bis heute extrem spannend. Asterix-Comics mochte ich auch. Als ich im Gymnasium war, habe ich sie auf Latein geschenkt bekommen. Das war dann nicht mehr so ein Spaß.
Haben Sie Rituale, wenn Sie selbst Bücher schreiben?
So absurd es klingt, ich schreibe immer in Bewegung. Schon früher beim Abitur hat es mich genervt, dass man still sitzen musste. Selbst wenn ich meine Hausaufgaben gemacht habe, bin ich zwischendurch aufgestanden und gelaufen. Heute benutze ich ein Lauffahrrad, ein Handfahrrad und einen Stepper. Da kann ich meine Arme einspannen und die Stepp-Geschwindigkeit einstellen. Aber im Grunde werde ich gesteppt.
Sie diktieren Ihre Bücher?
Ja, bei den letzten beiden Büchern habe ich eine Diktiersoftware benutzt. Den Sprachassistenten Siri nutze ich auch. Die Diktierfehler zu entschlüsseln ist allerdings mühsam. Und ich schreibe im Sparring mit einem Lektor und beim Kinderbuch natürlich mit meiner Frau.
Wie hat das Schreiben zusammen mit Ihrer Frau geklappt?
Wir ergänzen uns ganz wunderbar. Wir haben uns auch gegenseitig Hausaufgaben gegeben. Ich bin derjenige, der stunden- oder tagelang über Formulierungen nachdenken kann. Meine Frau ist eher „zack, zack“. Jeder hatte dabei seinen Part.
Wie sehr beschäftigt Sie ein Buch, wenn Sie es schreiben?
Das Schreiben ist der geringere Anteil. Die Stoffsammlung, die Recherche, die Überlegungen, das ist ein Prozess, der Tag und Nacht stattfindet. Man wacht mit Gedanken auf und schläft mit ihnen ein.
Sind Sie froh, ein Buch zu beenden?
Wenn es keine Abgabefristen gäbe, würde das Buch nie fertig. Es gibt immer noch so viel zu sagen über die Menschen und das Leben. Es ist zwar schon alles gesagt und gedacht, aber neue Zeiten bringen neue Herausforderungen und Geschichten. Es ist schwierig, dem in einer so politisch korrekten Zeit gerecht zu werden. Habe ich den Islam bedacht, die Perspektive von Alten und Sterbenden, identifiziert sich der junge ALS-Kranke damit? Wenn mir nicht ein Lektorat oder Verlag auf die Finger hauen würde, würde ich mich in solchen Fragen gedanklich verlieren.
War es Ihnen schon immer wichtig, alle Menschen anzusprechen?
Spätestens das erste Projekt (das Buch „Zwei Leben“) hat mich sensibilisiert. Damit war ich für Lesungen in der gesamten Republik unterwegs und habe unfassbar viele unterschiedliche Menschen kennengelernt. Dadurch ist ein aktives Verlangen entstanden, alle einzubeziehen. Wenn ich darüber spreche, wie Träume, Ziele, Kreativität und positives Denken in schwierigen Zeiten helfen, ist das für jemanden mit Beziehungs- oder Finanzproblemen gut. Wenn aber jemand vor mir sitzt, der nur noch wenige Wochen zu leben hat, dann ist man schon differenzierter.
Warum jetzt ein Kinderbuch?
Bei meinen Lesungen sind oft Kinder dabei. Ich habe mich gefragt, ob das für sie unterhaltsam ist. Deshalb habe ich für sie immer Sekundärliteratur vorgelesen, wie Michel aus Lönneberga. Und dann habe ich gedacht: Ich muss irgendwann etwas Eigenes für Kinder schreiben. Aber ohne meine Frau hätte ich es bestimmt fünf weitere Jahre lang nicht gemacht.
Mochten Sie Kinder schon immer?
Zusammen mit meinen Geschwistern habe ich den Kindergottesdienst meiner Eltern und Kinderfreizeiten mitgestaltet. Bei meinem ersten Einsatz als Regieassistent („4 Tage im Mai“) habe ich auch den Kinderbetreuer gegeben. Selbst in meiner Militärzeit habe ich für das Bundeswehrsozialwerk Offizierssöhne und -töchter betreut und mit ihnen Freizeiten gemacht. Ich versuche sowieso zu werden wie die Kinder. Manchmal bin ich geistig eher zwölf als 33 Jahre alt.
Möchten Sie selbst Kinder haben?
Der Wunsch besteht, meine Frau und ich können uns das sehr gut vorstellen. Aber alles zu seiner Zeit. Vielleicht ist das Buch auch prophylaktisch.
Der Teddybär Pollo hat in dem Buch nach dem Verlust seines Armes Angst, von dem Jungen Fred nicht mehr geliebt zu werden. Er fühlt sich nutzlos. Hatten Sie nach Ihrem Unfall selbst so einen Moment?
Natürlich habe ich mich gefragt, was ich noch wert bin in unserer schnellen Leistungsgesellschaft. Für mich war mit das Schlimmste, wenn direkt vor mir etwas heruntergefallen ist und ich unbeweglich herumsaß. Ein Teller oder ein Glas ist kaputtgegangen und ich konnte nicht nützlich sein. Das ist bis heute ein ekliges Gefühl für mich. Die Geschichte von Pollo ist aber nicht in Zusammenhang mit meiner Geschichte entstanden.
Wie sehen Sie sich in dieser Welt?
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich unabhängig von meiner Nützlichkeit etwas wert bin, einfach weil ich da bin. Über Säuglinge kann man auch nicht sagen, dass sie nützlich sind. Aber sie sind wertvoll – egal ob sie Narben haben, ob sie sehen können oder laufen werden. Das Leben wäre ganz schön arm, wenn der Verlust eines Arms es nicht mehr lebenswert machen würde.
Gibt es eine Botschaft im Buch?
Vieles in dem Buch beschäftigt meine Frau und mich. Wir haben verschiedene Geschichten eingereicht, aber es ging immer um Freundschaften und Beziehungen. Ich merke an meinem eigenen Leben, dass viel von meiner Gemütslage an Beziehungen zu anderen Menschen gebunden ist. Wenn ich einen Konflikt habe, denke ich an kaum etwas anderes.