Auf dem Gelände der Firma Zermet in der Vogesenstraße stapeln sich die Pakete mit Hilfsgütern für die Ukraine, die von Lahrern beinahe im Minutentakt vorbeigebracht werden. Foto: Köhler

Ein Lichtblick in schwierigen Kriegszeiten: Hunderte Lahrer geben Spenden ab oder helfen anderweitig bei der Sammelaktion in der Vogesenstraße. Die Solidarität überwältigt die Organisatoren, die mit so einem Ausmaß nicht gerechnet haben.

Lahr - Auf dem Gelände der Firma Zermet, wo die Sammelaktion für die Kriegsleidenden organisiert wird, ist noch einmal deutlich mehr Betrieb als beim Besuch unserer Redaktion am Mittwoch. Zig Helfer nehmen am Freitag die Hilfsgüter der Lahrer entgegen, die im Minutentakt mit ihren Autos vorfahren. Auch der Berichterstatter bekommt ein Päckchen in die Hand gedrückt, mit der Aufgabe, es in die richtige Ecke des Geländes zu stellen. Die Helfer sortieren, verpacken und verladen die Güter in Transporter. Teilweise staut sich am Freitag aufgrund des Andrangs in der Vogesenstraße sogar der Verkehr.

 

"Ursprünglich war die Idee, dass wir nur mit einem Sprinter an die Grenze fahren. Wir können gar nicht fassen, was jetzt daraus geworden ist", fasst Mitorganisator Nicolai Hoch die letzten 72 Stunden zusammen. Fünf Transporter sowie ein Auto mit Anhänger haben sich am Mittwoch- und Donnerstagabend bereits auf den Weg gemacht. Viel früher als geplant, da die Resonanz so groß war. "Heute fahren noch zehn weitere Sprinter, ein 7,5-Tonner und ein 40-Tonner los", erläutert Jan Gines Alvarez die weiteren Pläne. Noch bis Samstag werden Hilfsgüter angenommen, am Montag soll es mit den Transporten weitergehen.

Rentner machen sich auf den Weg

Die beiden Rentner Wolfgang Glatz und Herwig Vierus sind zwei der Freiwilligen, die sich bereit erklärt haben, mit einem Transporter Güter an die polnisch-ukrainische Grenze zu bringen. "Die Großen machen den Mist und die Kleinen müssen es ausbaden", erklärt Glatz. Als die beiden über 70-Jährigen sich mit dem Transporter der Firma Vogel-Bau, bei der sie jahrelang gearbeitet haben, losfahren, werden sie vom Helferteam mit Applaus verabschiedet. Hoch wünscht ihnen alles Gute – und dass sie heil zurückkommen.

Aus der spontanen Idee zweier Studenten ist von Montag bis Freitag ein kleines Unternehmen geworden. "Wir haben sechs Leute im Administratorenteam, die sich um die Mails kümmern", erklärt Hoch. Bis zu 100 Helfer seien am Donnerstag auf dem Gelände im Einsatz gewesen. Am Freitag waren es etwas weniger. Knapp 1000 Mails seien bislang eingegangen. Eine Kollegin sei extra dafür abgestellt, sich um die Fahrzeuge zu kümmern. Es hätten sich auch nicht nur Privatpersonen gemeldet, sondern auch Unternehmen, die gerne spenden wollen.

Erreicht haben Hoch und Alvarez dies unter anderem dadurch, indem sie ihre Reichweite in den sozialen Medien genutzt haben. Hoch ist Musiker, Alvarez Künstler. Beide haben Erfahrung darin, sich zu vermarkten, und ihre Verbindungen ausgespielt. Inzwischen hat beispielsweise sogar Christian Günter, Kapitän des SC Freiburg, den Beitrag über die Hilfsaktion geteilt. Auch Alt-OB Wolfgang Müller soll bereits Unterstützung zugesagt haben.

Helfer aus allen Bereichen

"Beeindruckend finde ich, dass wirklich jeder hilft. Manche kommen mit dem Rolls Royce, andere mit dem Drahtesel", berichtet Hoch. "Auch der soziale Austausch hier ist wichtig", ergänzt Alvarez, "die Leute kommen hierher, sind teilweise selbst Flüchtlinge und erzählen ihre Geschichten. Das sorgt dafür, dass keiner alleine diese schrecklichen Bilder ertragen muss".

Alvarez und Hoch haben inzwischen ihre Pläne, selbst an die ukrainische Grenze zu fahren, zu den Akten gelegt. Sie sind sich sicher, dass sie als Organisatoren in Lahr besser ihren Beitrag leisten. Pirmin Styrnol, der Dritte im Bunde, war am Freitag hingegen unterwegs in Richtung Ukraine und soll dort der Koordinator sein. "Wir haben bereits ein Netzwerk nach Polen mit Leuten, die Kontakt in die Ukraine haben. Sie können bei uns quasi bestellen, was benötigt wird. So können wir gezielt das schicken, das gebraucht wird", erläutert Alvarez.

Alvarez und Hoch wollen sich mit ihrer Aktion jedoch nicht nur auf Hilfstransporte beschränken, sondern auf dem Rückweg auch Flüchtlinge aus der Ukraine mitnehmen. "Das ist kein blinder Aktionismus", betont Alvarez. Sie hätten zuvor Familien vermittelt, die diese Flüchtlinge aufnehmen wollen. Für die Menschen, die die Fahrer vor Ort an der Grenze antreffen, haben sie in den Transportern kleine Willkommenspakete mit den wichtigsten Waren zusammengestellt. Im Rahmen der Mitnahme der Flüchtlinge werden derzeit noch Kindersitze und Kinderwagen benötigt.

Die Stadt Lahr indes möchte keine Helfer abstellen, bedauern Hoch und Alvarez. Auf Anfrage unsere Redaktion teilt die Pressestelle mit, dass die Koordinierungsgruppe der Verwaltung das Engagement dahingehend unterstützt, indem man Vereine, Organisatoren und Privatpersonen vernetzt. Zudem habe man der Hilfsaktion angeboten, die Mittel für die Anmietung eines Transportfahrzeugs bereitzustellen.

Öffnungszeiten einhalten

Die Sammelstelle in der Vogesenstraße 4 nimmt am heutigen Samstag von 13 bis 20 Uhr erneut Hilfsgüter entgegen. "Wichtig ist, dass die Öffnungszeiten eingehalten werden, sonst kommt es zu Verzögerungen", sagt Alvarez. Wer sich als Helfer in Lahr engagieren möchte, kann sich melden unter hilfe.lahr.hilft@gmail.com oder fahrt.lahr.hilft@gmail.com.