Gauthier Dance in Action – hier in „Swan Cake“ von Hofesh Shechter Foto: Theaterhaus/Jeanette Bak

Jubel im Theaterhaus: In der Saisonbilanz des Fachmagazins „Tanz“ rangiert die Stuttgarter Kompanie auf Augenhöhe mit Zürich, Wien und Den Haag.

Geändert hat sich einiges im Jahrbuch der Zeitschrift „Tanz“ mit dem traditionellen Rückblick der Kritiker auf die zurückliegende Saison. Offizielle Gewinner gibt es diesmal bei der Umfrage erstmals keine, weil nicht ein einziger der Nominierten die Dreierlatte übersprungen hat. Gleichwohl lassen sich in der Zusammenschau drei dann auch so titulierte „Glanzlichter“ ausmachen: nicht ganz unerwartet Gauthier Dance vom Stuttgarter Theaterhaus, das Zürcher Ballett des Ex-Stuttgarters Christian Spuck sowie das Wiener Staatsballett unter der Leitung von Martin Schläpfer. Auffällig auch das Nederlands Dans Theater, das in der coronabehinderten Saison 2021/22 mit seinen Premierenstreams immer wieder ein weltweites Publikum erreichen konnte.

„Starke Riege junger Nachwuchstänzer“

Interessant sind wie immer bei einer Kritikerumfrage die Details: Christian Spuck schafft den Sprung vor allem mit einer einzelnen Produktion: „Monteverdi“; während Eric Gauthier und Martin Schläpfer wegen ihrer programmatischen Einfallskraft geschätzt werden. Auch der Vorjahressieger Marco Goecke, Ballettchef am Staatstheater in Hannover, hat im kollektiven Gedächtnis der Kritik wieder seine Spuren hinterlassen. Neu in der Umfrage ist hingegen die Kanadierin Aszure Barton, die für den Tanzabend „Sieben Todsünden“ einen Teil sowie für Demis Volpis Ballett am Rhein einen vielversprechenden „Baal“ choreografiert hat.

Das Stuttgarter Ballett hat diesmal in der Saisonbilanz scheinbar das Nachsehen; dank seiner „starken Riege junger Nachwuchstänzer“ kann es sich dennoch am Ende unter die „Kompanien des Jahres“ einreihen – von denen stellvertretend Mackenzie Brown, Henrik Erikson und Shaked Heller genannt werden. Unter der Rubrik „Tänzer*in des Jahres“ finden sich auch Bruna Andrade (Gauthier Dance) und die Ex-Stuttgarterin Hyo-Jung Kang, die inzwischen als Erste Solotänzerin beim Wiener Staatsballett wahre Triumphe feiert.

Lob auch für die Freien am Produktionszentrum Tanz

„Hoffnungsträger“ gibt es im „Tanz“-Annual schon seit einer Weile nicht mehr. Stattdessen werden diesmal unter den Top Ten gleich vier Persönlichkeiten mit Stuttgart-Bezug als „wegweisend“ gewürdigt: allen voran Eric Gauthier, gefolgt von Shaked Heller, der ab kommender Spielzeit leider nicht mehr dem Stuttgarter Ballett angehören wird, Andreas Heise, den man von Noverre-Abenden in Erinnerungen hat – und Smadar Goshen als energiegeladene Repräsentantin der Freien am Produktionszentrum Tanz.

Im Stuttgarter Theaterhaus feiert man das Lob der deutschen Tanzkritiker derweil auch als Anerkennung für eine besonders ambitionierte Saison: „Allein in der vergangenen Spielzeit“, so der Theaterhaus-Intendant Werner Schretzmeier, „haben wir die Großproduktion ,Die sieben Todsünden‘ gestemmt und die vierte Ausgabe des Colours-Festivals nachgeholt.“ Die Gründung der eigenen festen Tanzsparte auf dem Pragsattel 2007 war für das Haus zweifellos ein großes Wagnis; Stadt und Land zögerten lange, neben dem Stuttgarter Ballett am Staatstheater eine zweite Kompanie langfristig zu fördern.

Die 15. Saison starter in Tel Aviv

Inzwischen erfreut sich auch die hiesige Politik an der medialen Präsenz und am internationalen Renommee von Gauthier Dance. Dessen Chef Eric Gauthier kann darum aus Anlass des „Tanz“-Jahrbuches sehr selbstbewusst an weiter bestehende finanzielle Nöte erinnern: „Wir brauchen endlich eine solide und nachhaltige Förderung auf allen Ebenen. Ich hoffe, diese Ehrung wirkt als Weckruf für die Verantwortlichen.“ Die 15. Spielzeit startet Gauthier im Oktober als Stuttgarter Kulturbotschafter mit einem Gastspiel an der Israeli Opera in Tel Aviv.