Der Durchbruch der Weströhre des S-21-Tunnels Bad Cannstatt zwischen dem Rosensteinpark und dem künftigen Tiefbahnhof ist am Dienstag gefeiert worden. Bei der Stadt Stuttgart nehmen derweil die Planungen für das künftige Rosensteinviertel konkretere Formen an.
Stuttgart - Der Durchbruch der zweiten Tunnelröhre Bad Cannstatt zwischen dem künftigen Tiefbahnhof der Landeshauptstadt und dem Zwischenangriff Rosenstein ist geschafft. Angeführt vom Polier Günther Weilharter haben Mineure am Dienstag um 10.49 Uhr die zwei bislang durch eine Wand getrennten Abschnitte der in bergmännischer Tradition gegrabenen Röhre miteinander verbunden. Sie wurde – wie die am 19. Dezember 2016 durchbrochene Oströhre – im Verfahren der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise hergestellt. Dafür waren laut dem Hochtief-Niederlassungsleiter Andreas Boettcher 560 Sprengungen mit 48 Tonnen Sprengstoff sowie „unzählige Erkundungsbohrungen“ unter teils äußerst schwierigen geologischen Bedingungen erforderlich. „Das ist ein ganz besonderer Tag, ein ganz besonderes Event“, sagte Manfred Leger, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Gesellschaft DB Projekt Stuttgart– Ulm.
Die Arbeiten für den mehr als 3,5 Kilometer langen Tunnel wurden vor rund dreieinhalb Jahren begonnen. Der Durchschlag stelle einen Meilenstein bei der Neuordnung des Stuttgarter Bahnknotens dar, „weil wir bewegen uns hier in quellfähigem Gestein, dem Anhydrit“, sagte Leger.
80 Prozent der Anhydritlinsen ohne Quellungen durchfahren
80 Prozent der Anhydritlinsen in den zusammenhängenden Tunneln Bad Cannstatt und Feuerbach sind laut der Bahn ohne Probleme durchfahren. „Und so soll es auch im restlichen Anhydrit weitergehen“, sagte Manfred Leger. Als Nächstes steht der Innenausbau der Tunnelröhren an. Dass man „im Vortrieb den Anhydrit bezwungen“ hat, erfüllt nicht zuletzt den österreichischen Tunnelbauexperten Christoph Lienhart mit Stolz. Man habe es zudem geschafft, die Gäubahn sicher zu unterfahren und Probleme im Bereich des Kriegsberg zu meistern.
Von dem 3507 Meter langen Tunnel Bad Cannstatt muss nun noch die etwa ein Kilometer lange Röhre zum Neckar gegraben werden. Laut Manfred Leger sind inzwischen 33 der 59 Tunnelkilometer in Stuttgart gegraben sowie 34 von 61 Kilometern der Neubaustrecke Stuttgart–Ulm. Der Tunnel Bad Cannstatt hat nach Auskunft der Bahn einen Auftragswert von rund 285 Millionen Euro. Die Tunnelpatin Simone Herrmann betonte, dass durch die Arbeit der Mineure im Untergrund „Neues oberirdisch möglich wird“. Stuttgart erhalte die Chance „einer neuen Stadtentwicklung“.
OB kann sich Kulturquartier vorstellen
Bei der Stadt Stuttgart nehmen derweil die Planungen für das künftige Rosensteinviertel konkretere Formen an. So soll für das frei werdende Areal auf den heutigen Gleisflächen hinter dem Hauptbahnhof Anfang 2018 ein internationaler Ideenwettbewerb ausgelobt werden. Dabei soll auch das Gelände hinter dem künftigen Straßburger Platz am Bahnhof im Fokus stehen. Dieses ist als „Kulturquartier“ im Gespräch, wo ein Konzerthaus, ein Kongresszentrum oder ein Neubau des Linden-Museums entstehen könnte. OB Fritz Kuhn (Grüne) kann sich gut vorstellen „dass dort alle drei Einrichtungen integrierbar sind“. Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) hob im Ratsausschuss Stuttgart 21 die Bedeutung des ersten großen Grundstücks im Anschluss an den Hauptbahnhof hervor. „Das wird der Auftakt zu dem neuen Quartier sein.“ Das vorgesehene Kulturquartier solle deshalb ein „Highlight“ werden. Das Gelände mit einer Fläche von rund 15 000 Quadratmetern biete Raum für alle drei Kulturinstitutionen. OB Kuhn betonte, wie wichtig ein weiteres Konzerthaus für Stuttgart mit seinen international anerkannten Orchestern sei. Für ein neues Kongresszentrum gebe es einen großen Bedarf. Das bestehende Gebäude des Linden-Museums am Hegelplatz könne „nur mit massiven Kosten saniert werden“. Dieses würde am neuen Standort zum „Haus der Kulturen der Welt“.
Streit mit der Fraktion SÖS/Linke-plus
CDU und SPD begrüßten die Pläne grundsätzlich. Dem CDU-Fraktionschef Alexander Kotz liegt neben der Kultur das Kongresszentrum am Herzen. SPD-Fraktionschef Martin Körner legt Wert darauf, dass im Rosensteinviertel viele Wohnungen für alle Einkommensschichten entstehen. Deshalb sei „eine gewisse Dichte“ der Bebauung nötig. „Wir sind eine Großstadt, kein Dorf.“ Damit Wohnen an der Stelle auch für Familien mit geringeren Einkommen möglich sei, müsse die Stadt verhindern, dass mit den Flächen spekuliert werde. Darüber herrscht Einigkeit.
Ein Streit entbrannte mit der Fraktion von SÖS/Linke-plus. Hannes Rockenbauch warf dem OB einen „Tunnelblick“ vor. In die Pläne für die Überbauung müsse eine einjährige Testphase eingerechnet werden, um zu sehen, ob der Bahnhof überhaupt funktioniere. Und Rockenbauch kritisierte eine dichte Bebauung der „hochklimarelevanten Fläche“. Darauf warf Martin Körner Rockenbauch angesichts des eklatanten Wohnungsmangels ein „skandalöses“ und „widersprüchliches“ Verhalten vor.
Ende 2019 soll der Ideenwettbewerb abgeschlossen sein, Ende 2021 die Bebauungspläne fertig sein. Nach wie vor will die Bahn den Tiefbahnhof 2021 in Betrieb nehmen. Die Angabe löste bei den S-21-Gegnern auf der Zuhörerbank Gelächter aus.
Zehn Fakten zu Stuttgart 21 sehen Sie in unserem Video: