Wolfgang Staiger (Pro Bahn), Matthias Lieb (VCD) und Stefan Frey vom Landesnaturschutzverband: Hat die Bahn beim Faktencheck geschummelt? Foto: Lück

Vor der nächsten Sitzung des Interessenverbands Gäubahn warnen drei Verbände die Anrainer: "Fallt nicht auf die S-Bahn Lösung rein! Die Weiterfahrt zum Bahnhof geht – anders als Bahn und Stadt behaupten!" Hat die Bahn beim Faktencheck geschummelt?

Stuttgart/Horb/Rottweil - Pressekonferenz vom Verkehrsclub Deutschland, Pro Bahn und Landesnaturschutzverband. VCD-Landeschef Mathias Lieb spielt einen SWR-Beitrag ab. Bahn-Bevollmächtigter Thorsten Krenz sagt zum Gäubahn-Faktencheck: "Wir sind nicht bei Grimms Märchenstunde."

Doch. Denn: Die drei Verbände werfen der Deuschen Bahn vor, beim Faktencheck geschummelt zu haben. Gäubahn-Anrainer wie Horb, Singen, Rottweil, Böblingen und Herrenberg fordern: Auch nach 2025 Durchfahrt bis zum Hauptbahnhof.

Doch Florian Bitzer von der Deutschen Bahn hat beim Faktencheck Gäubahn die Lage wie folgt dargestellt: Zu teuer, geht nicht, Umbau dauert viel zu lange.

S-Bahn bis Singen ist einfach zu schlecht!

Matthias Lieb, Landeschef des Verkehrsclub Deutschlands: "Die Lösung einer S-Bahn Verlängerung bis Singen ist einfach zu schlecht."

Warum? Stefan Frey, Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes: "Es steht auf den Zügen zwar das S-Bahn Logo drauf. Aber den 30- oder sogar 15-Minuten-Takt wie in Stuttgart wird es bis Singen nicht geben!" Eine Sprecherin des Landesverkehrsministeriums: "Aus fahrplanerischen Gründen kommt eine S-Bahn-Verlängerung allerdings nur in Frage, wenn entsprechende parallele Regionalverkehrsleistungen entfallen." Von einer Taktverdichtung ist da nicht die Rede. Nur von einem Ersatz der Regionalzüge durch die S-Bahn.

40 Zentimeter Distanz bis zum Bahnsteig

Matthias Lieb: "Die Fahrzeit ist viel länger als mit der Regionalbahn. Südlich von Rottweil sind die Bahnsteige sogar nur 55 Zentimeter hoch – da müssen die Fahrgäste dann 40 Zentimeter überwinden. Barrierefrei ist das nicht." Dazu kommt: im Vergleich zur Regionalbahn haben die S-Bahnen keinen Windfang, keine Toilette. Lieb: "Für die Fahrgäste deutlich schlechter!"

Die Verbände hoffen deshalb, dass auch die IG Gäubahn auf dem zweiten Faktencheck auf unabhängigen Experten besteht.

Hat die Bahn hier beim Gäubahn-Faktencheck geschummelt?

Das, was Florian Bitzer von der Deutschen Bahn gegen die Durchfahrt bis zum Hauptbahnhof nach 2025 beim Faktencheck auf den Tisch gebracht hat, sei sehr zweifelhaft. Da sind sich der Verkehrsclub Deutschland, Pro Bahn und Landesnaturschutzverband sicher.

Gammelbrücken

Bitzer hatte gesagt: Die drei Brücken für die Gäubahn am Nordbahnhof sind von 1913. So "gammelig", dass sie in Zustandsklasse 4 seien. Die Bahn-Mitarbeiter wüssten nicht, ob die schon 2025 wegen des Gammel-Zustands stillgelegt werden müssen. In diesem Jahr seien sie am Nutzungsende.

Wolfgang Staiger vor Pro Bahn: "Laut offizieller Deutsche Bahn Seite sind alle drei Brücken in der Zustandsklasse 3. Es kann zwar sein, dass diese Klassifizierung aus dem Jahr 2017 stammt. Es ist aber völlig unplausibel, dass sie schon acht Jahre später schon am Nutzungsende sein sollen."

Fernwanderweg

Stuttgarts OB Frank Nopper (CDU) hatte den 300 Meter langen Fußweg vom oberirdischen Gäubahn-Interim als "Fernwanderweg" bezeichnet. Matthias Lieb: "Stimmt nicht. Die Gleise sind auf einer Ebene mit dem Dach des Tiefbahnhofs. Nutzt man hier eine der jetzigen Fußgängerbrücken für die Überbrückung weiter, sind es 100 Meter Fußweg."

Gleise, Bahnsteige und Oberleitung

Bitzer hatte in seiner Präsentation die Gleise 5 und 6 als Gäubahn-Interimshalt durchdekliniert. Dafür müsste das Dach komplett abgerissen werden, für die Oberleitung müssten neue Quertragwerke gebaut werden.

VCD-Landeschef Lieb: "Wir hatten immer die Gleise 2 und 3 (wo die Gäubahn jetzt ohnehin hält, d. Red.) im Visier. Hier wurde das Dach stabilisiert durch neue Stützen. Die Oberleitung ist hier am Hallendachträger angebracht, die Oberleitung dahinter ist an Obermasten. Weiter hinten kann man die Oberleitung an vorhandenen Masten angebracht werden – ein Verfahren, das die Bahn überall an Bahnhöfen durchführt. Weil das günstiger in der Unterhaltung ist."

Stellwerk

Bitzer hatte behauptet, dass man für das Gäubahn-Interim das Stellwerk komplett abreißen und neu bauen muss. Lieb: "Laut einer Vereinbarung der Projektpartner soll bis 2025 bis zum Nordhalt ein digitaler Knoten errichtet werden. Bis zum Hauptbahnhof wären es nur wenige Weichen und zwei Signale auf dem Gäubahn-Interim, die noch mit eingebunden werden müssten."

Wolfgang Staiger: "Für Nordhalt und neue Weichen in Vaihingen für Weichen, falls die Gäubahn nur bis dort fahren sollte, haben die Projektpartner allein 10,5 Mio. Euro Kosten veranschlagt."

Verbände: Durchfahrt bis Hauptbahn auch nicht teurer als Nordhalt

Viel Geld. Was besser in die Durchfahrt der Gäubahn bis in den Hauptbahnhof investiert gehört, so die Verbände: "Die Kosten der Beibehaltungslösung zum Hauptbahnhof liegen ungefähr gleichauf mit den erwarteten Kosten für den Nordhalt. Der Nutzen für die Fahrgäste ist aber deutlich höher!"

Der Faktencheck – ein Schummel? LNV, Pro Bahn und VCD schreiben: "Der Faktencheck diente nur der Darstellung und Legitimierung der Interessen der Deutschen Bahn und der Stadt Stuttgart!"