Schaut er auf West- und Mitteleuropa, hat Russlands Präsident Wladimir Putin (vorn) Grund zur Zufriedenheit. Foto: AFP/Alexander Kazakov

Nicht an allen Fronten läuft es gut für Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Wohl aber in Nato und EU – auf die sein Angriff vor allem zielt, kommentiert StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Es klemmt in der Ukraine. Da kommen russische Truppen zwar voran, aber nur unter grauenhaften Verlusten. Es hat gekracht im Nahen Osten. Da wurde Russlands Präsident Wladimir Putin vom Sturz seines syrischen Schützlings, des ultrabrutalen Präsidenten Baschar al-Assad, so kalt erwischt, dass sich die russische Mittelmeerflotte noch am vergangenen Mittwoch nicht zurücktraute in ihren syrischen Stützpunkt Tartus.

 

Wo bleibt der öffentliche Widerhall?

In den europäischen Staaten von Nato und EU hingegen läuft es glänzend für Putin. Also genau dort, wo sein Schlag, der die Ukraine so hart getroffen hat, nach eigenem mehrfachen Bekunden eigentlich hinzielt. Für Deutschland, seine Nachbarn, seine Verbündeten ist das ein dermaßen beunruhigender Befund, dass staunen macht, welch geringen öffentlichen Widerhall er findet.

Was den Widerstand gegen Putins Allüren schwächt

Regierungskrise in Deutschland, Regierungskrise in Frankreich, Wahlfarce in Rumänien und politische Systemkrise in Bulgarien, das vor der achten Parlamentswahl innerhalb von vier Jahren steht. All das schwächt den Widerstand gegen Putins imperialistische Allüren in Europa und gegen seinen verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Zumal Putin-Kumpel Donald Trump kurz vor dem Wiedereinzug ins Weiße Haus steht. Was wiederum den Putin-Verehrer Viktor Orban, Ungarns Regierungschef, dazu ermuntert, in EU und Nato laut Stimmung zu machen in die falsche Richtung: Dass es doch viel besser sei, sich zügig mit Putin zu arrangieren als der Ukraine weiter Geld und Waffen zu geben. Jetzt, da wegen Trump so viele Fragezeichen hinter der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine stehen.

Die AfD macht sich für Putin stark

Allein Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni teilt nicht das gepflegte Desinteresse der südeuropäischen Nato-Partner am Schicksal der Ukraine und an der so berechtigten wie verständlichen Sorge von Balten und Polen wegen Putins Aggression. In Deutschland wiederum macht sich die AfD für Putin stark. Die seit Jahren als eine Art westliche Chefpropagandistin für Russland aktive Sahra Wagenknecht lenkt neuerdings Brandenburgs und Thüringens Geschicke mit. Und in kaum einem europäischen Land fallen die Lügen Putinscher Propaganda über angeblich gebrochene Versprechen und eine Einkreisung Russlands durch die Nato auf fruchtbareren Boden als hierzulande. Diese Verwirrung in Europa, der schwindende Rückhalt für den Widerstand der Ukraine, die Zersetzung von Geschlossenheit und Freiheitswillen ist Putin nicht in den Schoß gefallen. Das Meiste davon ist Ergebnis großer Anstrengung und eines unbändigen Angriffswillens.

Mit Anstrengung und Angriffswillen

Die Sabotage der Parlamentswahlen in Rumänien macht in diesen Tagen anschaulich, wie solche Angriffe aus Russland ablaufen: Eine wuchtige Blitzkampagne in digitalen Netzwerken, geprägt von Desinformation und Hetze, hat einen prorussischen, rechtsradikalen Kandidaten nach oben gespült. Hinter dieser Kampagne steht offenbar ein Firmengeflecht in Bulgarien, das lauter Russen beschäftigt.

Man mag sich für den Augenblick damit beruhigen, dass das oberste Gericht Rumäniens die Wahl deshalb für ungültig erklärt hat. Dass sich für die fällige Neuwahl eine mehrheitsfähige Koalition gegen Putins Kandidaten formiert. Aber das ändert grundsätzlich nichts an Art, Weise und Intensität, mit der Russland an der Unterwanderung westlicher Demokratien und Gesellschaftsmodelle arbeitet.

Mit allen Mitteln der Gesetzgebung

Es ist an der Zeit, sich dagegen zu wappnen. Mit allen Mitteln der Gesetzgebung, der Geheimdienste, Justiz, Polizei und der Zusammenarbeit in Nato und EU. Und dabei ein wesentlich höheres Tempo anzuschlagen als in den vergangenen drei Jahren.