Die Länder streiten über eine Reform von ARD und ZDF und hängen sich an der Frage auf, ob 58 Cent mehr dem Wähler zuzumuten sind. Dabei zeigt der Blick ins Ausland: Es bräuchte dringend eine andere Debatte, meint Tim Schleider.
Weniger Radioprogramme? Kein 3sat-Kultur-TV mehr? Weniger Aufwand für Technik und Verwaltung in den längst auch baulich in den Himmel gewachsenen Funkhäusern?
Über all das wollen die dafür zuständigen Ministerpräsidenten der Länder ab Mittwoch in Leipzig entscheiden. Ihr Ziel: den Kostenanstieg bei ARD, ZDF und Deutschlandfunk zu bremsen. Denn zu Neujahr 2025 ist eigentlich die nächste Erhöhung des Rundfunkbeitrags für alle Haushalte fällig. Er soll um monatlich 58 Cent auf dann 18,94 Euro steigen. Und obwohl viele Haushalte beim Bezahlen der Medienabos privater Anbieter wie Netflix, Disney, RTL oder Amazon erstaunlich großzügig sind, zeigen sie sich beim Zahlen des Rundfunkbeitrags oft maulig bis aggressiv: Nicht nur in ostdeutschen Ländern, auch in Bayern oder Hessen, so behaupten Politiker, sei eine weitere Erhöhung der „Zwangsgebühren“ politisch nicht mehr durchsetzbar.
Höhere Kosten sind keine Zauberei, sondern politisch beschlossen
Deswegen ist es grundsätzlich richtig und notwendig, wenn die dafür zuständigen Länder über die Strukturen der Öffentlich-Rechtlichen nachdenken. Denn auch wenn manche Ministerpräsidenten bei Wahlkampfreden gern so tun, als hätten sie nichts mit alledem zu tun: ARD, ZDF und Deutschlandradio suchen sich ihre Sendeaufträge nicht aus – diese sind politisch vorgegeben. Die Zahl der Rundfunkanstalten und wie groß oder wie klein sie zugeschnitten sind? Entscheidungen der Politik. Die Zahl der Hörfunkwellen? Ein oder zwei Jugendprogramme, digital oder nicht? Ein eigenes TV-Programm pro Sendeanstalt (früher nannte man sie mal: die „Dritten“)? Alles irgendwann einmal politisch beschlossen und abgelegt in Staatsverträgen. Und so wächst sich das dann über die Jahre aus und wird eben keineswegs allein durch Schlendrian und sicher nicht durch Zauberei, sondern schlicht notgedrungen immer teurer.
Also: Die Debatte ist gut und spät genug. Trotzdem ist es wichtig, den Blick zu weiten. Das Problem der Ministerpräsidenten darf nicht nur sein, den Wählern aus politischem Kalkül die nächste Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu ersparen. Die Medienlandschaft als Ganzes ist das entscheidende Thema. Man schaue ins Ausland. Russland, Ungarn, Polen, womöglich demnächst Österreich: Überall, wo Autokraten die Macht an sich ziehen konnten, sind neben den Gerichten die Medien die ersten Institutionen, die unter Kontrolle und im Sinne der neuen Macht umgebaut und auf Linie gebracht werden. Gleichzeitig wächst die Macht der Internetriesen, nicht mehr nur in den USA, sondern inzwischen auch in China, die keineswegs nur neutrale Plattformen zur Verfügung stellen, sondern maßgeblich mitentscheiden, welche Nachrichten und Geschichten, ob nun wahr oder falsch, durch die Welt kursieren.
Wie ist ein freier, vielfältiger Rundfunk noch möglich?
Verglichen damit ist unsere deutsche Medienlandschaft von starker Vielfalt – noch. Wir haben öffentlich-rechtliche und private Sender, überregionale und regionale Presse, lokale Netzwerke und Plattformen. Wie kann ein fairer Wettbewerb diesem Konzert freier, vielfältiger Stimmen den Weg in die voll digitalisierte Gesellschaft ermöglichen – das wäre und ist eigentlich die sehr dringende Aufgabe für eine deutsche Medienpolitik auf der Höhe der Zeit.
Die Frage, wie viele Milliarden Euro ARD und ZDF jedes Jahr automatisch via GEZ für besagten Wettbewerb zur Verfügung haben, ist Teil einer solchen Debatte, aber eben nur ein Teil. Doch derzeit gibt es in Deutschland keine Institution, die diese Debatte annimmt und voranbringt; sie geht, mit Verlaub, auch weit über den Tellerrand unserer Bundesländer hinaus. Die Folgen von alledem könnten uns Bürger aber schon bald immens viel mehr kosten als 18,94 Euro pro Monat.