Grabschmuck im Ruhewald: Der Gemeinderat lehnte einen Kompromissvorschlag ab. Foto: Lück

"Er würde zu noch mehr Diskussionen führen." Hinterbliebene wollen weiterhin schmücken.

Das ist ein Schock für einige Ruhewald-Angehörige: Totensonntag erfreuten sich die Hinterbliebenen noch am dezenten Grabschmuck auf den Urnen der Verstorbenen im Horber Ruhewald. Zwei Tage später entscheidet der Gemeinderat mit deutlicher Mehrheit: Das ist ab sofort verboten!

Horb - Die Abstimmung war eindeutig: Mit 14 zu 9 Stimmen lehnt die Mehrheit des Gemeinderats den "Grabschmuck-Kompromiss" für den Ruhewald ab. OB Peter Rosenberger, der für den Kompromiss gestimmt hatte, hatte vorher noch gesagt: "Egal, wie entschieden wird. Ich hoffe sehr, dass alle akzeptieren, wie der neue Beschluss ist. Und dass die Entscheidung jetzt durchgesetzt wird."

Hat die Kritik der Hinterbliebenen Ablehnung provoziert?

CDU-Fraktionschef Michael Keßler: "Der Kompromiss hatte durchaus Sympathien in der Fraktion. Die Diskussion in den letzten Tagen hat alle die bekräftigt, die skeptisch sind. In der Meinung: Dieser Kompromiss wird nicht zu einer dauerhaften Befriedung führen. Er wird zu noch mehr Diskussionen führen!"

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Das bestätigten weitere Stimmen aus der Fraktion. Fridolin Weckerle (CDU): "Ich befürchte, dass der vorgeschlagene Kompromiss weitere Kompromisse nach sich ziehen wird." Gerhard Fassnacht (CDU): "Der Kompromiss wird nur zu weiteren Schwierigkeiten führen. Deshalb muss eine stringente Haltung her, um dort endlich Ruhe reinzubringen!"

Auch OB Rosenberger erklärte: "Ein Zapfen mehr, ein Zapfen weniger – das ist schon ein Dilemma. Ich kann nachvollziehen, dass viele sagen: Lasst uns die Satzung durchziehen!"

Hinterbliebene hatten Größe bemängelt

Der Vorschlag der Verwaltung war Donnerstag von der Stadt veröffentlicht worden. Hinterbliebene der internen "Grabschmuck-Arbeitsgruppe" Anfang September hatten vor der Sitzung kritisiert: "Das ist nicht das Ergebnis unseres Workshops unter der Leitung des Mediators Thomas Haigis." Sie hatten die erlaubte Größe von 20 mal 20 Zentimeter zur Markierung des Urnenstandortes bemängelt.

"Das Urnenloch hat 30 Zentimeter Durchmesser." Auch das absolute Blumenverbot und die Fotos der erlaubten Naturmaterialien führten zu der Aussage: "Das sieht aus wie eine Müllhalde!"

OB Rosenberger: "Ich stehe zum Konsens"

OB Rosenberger sagte in der Gemeinderatssitzung: "Ich stehe zu diesem Konsens. Wir mussten in den letzten Tagen erkennen: Einige wollen sich dem Konsens nicht anschließen. Wir haben versucht, uns aufeinander zuzubewegen. Einen demokratischen Konsens müssen wir hier im Gemeinderat schaffen. In der Arbeitsgruppe haben wir das nicht geschafft."

Und was ist mit der Kritik, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe nicht umgesetzt wurden? Oberbürgermeister Rosenberger: "Sie aus dem Gemeinderat waren dabei im Workshop. Wir hatten die Erkenntnis und das Gefühl – und so haben Beteiligte öffentlich geäußert: ›Es war ein guter Termin.‹ Natürlich hat man zum Schluss nicht abgestimmt: Für welche Varianten bist Du? Viele haben gesagt: ›Uns ist es wichtig, eine Fläche zu markieren. Damit man nicht auf das Grab tritt.‹ Viele haben anerkannt: Blumen haben da nichts zu suchen. Das war Bürgerbeteiligung. Die vorgeschlagenen Varianten A, B und C haben wir uns zum Vorbild genommen. Auch, weil sie ziemlich deckungsgleich mit dem sind, was im damaligen Flyer stand. Dass zwischendurch schon Störfeuer kam wie die Spitzel-Affäre, ist bedauerlich."

Der Oberbürgermeister kritisierte auch indirekt, dass offenbar keiner der Hinterbliebenen zur Abstimmung als Zuhörer gekommen ist: "Wir haben die Teilnehmer der Arbeitsgruppe auch für heute eingeladen."

Einige Stadträte gegen Grabschmuck im Ruhewald

Doch neben den Gemeinderäten, die wohl die Kritik der letzten Tage gestört hat, gibt es auch gewählte Volksvertreter, die grundsätzlich gegen Grabschmuck im Ruhewald sind. Wolf Hoffmann (OGL): "Ich habe selbst Erfahrungen im Ruhewald. Meine Mutter ist auf der schwäbischen Alb bestattet. Ich war mit ihr vorher da, habe mit ihr den Baum ausgesucht. Sei sagte: Hier möchte ich bestattet werde und in die Natur eingehen. Als ich die Urne in die Grube gesenkt hat, hat der Förster gesagt: ›Ihre Mutter möchte sicher, dass die Natur mit den Buschwindröschen weiter wachsen kann.‹ Das Bestattungswesen in Deutschland bietet Alternativen. Ich habe die starke Befürchtung, dass wir uns der Erbsenzählerei widmen müssen. Ich glaube, viele, die sich nicht gemeldet haben, werden meiner Meinung sein."

Silke Wüstholz (FD/FW): "Wenn ich mich für ein Grab im Ruhewald entscheide, bekomme ich einen Vertrag und die Satzung. Die lese ich mir vor der Unterschrift durch! Es kann nicht sein, dass eine Hand voll Menschen anders entscheidet. Ich kann nicht von den Bauhof-Mitarbeitern verlangen, dass sie täglich durch die Bäume mit dem Meterstab laufen und Steine zählen. Dann kommt wieder ein Pressebericht. Wir werden immer nur Schläge bekommen von einzelnen Personen. Deshalb bitte ich darum, einstimmig für die Satzung zu stimmen."

Mattes: Ablehnung des Kompromisses wäre eine Farce

Andere Gemeinderäte plädieren für den Kompromiss. Damit die Bürgerbeteiligung nicht vergeblich war. SPD-Fraktionschef Thomas Mattes: "Der Beschlussvorschlag könnte zur Befriedung führen. Im bisherigen Prozess sind gewisse Erwartungen und Hoffnungen geweckt worden. Es wäre eine Farce, wenn dann nichts passiert. Der Kompromiss ist gegenseitiges nachgeben, dahinter sollte man nicht zurückgehen."

Simon Jung (BiM): "Ich würde persönlich wünschen, dass im Ruhewald nichts niedergelegt wird. Aber ich sehe, es wurden Fehler gemacht – deshalb bin ich für den Kompromiss!" Hermann Walz (ULH): "Nachdem die ganzen Termine waren und dieser Konsens geschaffen wurde, kann ich mich dem anschließen. Wohl wissend, das es einige sehr wenige bei den Hinterbliebenen gibt, die aus der Art schlagen."

Hinterbliebene sagen: "Wir dürfen weiter schmücken"

Eine der 16 Teilnehmer von den Hinterbliebenen in der Arbeitsgruppe: "Ich sehe es so: Zwar wurde der Kompromiss abgelehnt. Damit ist aber die Drucksache von 2016 weiterhin gültig. Es hätte uns eigentlich nichts Besseres passieren können. Es wurde keine Drucksachen-Änderung durchgebracht, sondern nur eine Ablehnung eines neuen Vorschlages." Auch das Abstimmungsergebnis sage, dass 40 Prozent der Gemeinderäte für den Kompromiss gestimmt haben: "Sie haben den Bürgerwillen ernst genommen. Hut ab vor Simon Jung! Er hat es passend formuliert, warum er für den Kompromiss gestimmt hat."

Sven-Markus von Hacht: "Ich bewundere solche jungen Leute, die dem Bürgerinteresse Engagement zeigen und nicht ihrem persönlichen Interesse. Das ist für mich ein Stadtrat. Ich wünsche mir, dass es mehr solcher jungen Menschen gibt, die nicht nach Berlin verjagt werden. Es ist nur der pietätlose Vorschlag der beiden Bürgermeister abgelehnt worden, der nichts mit diesem Workshop zu tun hat."

In der Drucksache 28/2016, die der Gemeinderat am 1. März 2016 mit 20 Ja-Stimmen und einer Enthaltung beschlossen hatte, steht auf Seite 8: "Um dem Bedürfnis nach individueller Kennzeichnung und Pflege einer Grabstätte nachzugehen, sind Gebilde aus am Ort vorhandenen und natürlich vorkommenden Materialien erlaubt. So kann man in bestimmten Bestattungswäldern kunstvolle Gestaltungen mit Moos, Farn, Steinen, Tannenzapfen und einzelnen Schnittblumen sehen." Genau das, was die Hinterbliebenen auch bis zur Gemeinderatsitzung am Dienstag gefordert hatten.