Austausch mit der Jugend: die amerikanische Rangerin Erin Noojibail im Gespräch mit den Junior-Rangern des Nationalparks Schwarzwald. Foto: Nationalpark

Nationalpark Schwarzwald soll von US-Erfahrungen profitieren. Rangerin Erin Noojibail spricht über Hürden.

Ruhestein - In Amerika ist es vielerorts Alltagsroutine, im Nordschwarzwald eher Neuland: das Leben in der Nationalparkregion. Denn während die amerikanischen National Park Services in diesem Sommer 100-jähriges Bestehen feiern, steckt Baden-Württembergs erster Nationalpark im Schwarzwald mit seinen zwei Jahren noch in den Kinderschuhen. Jetzt soll er von den US-Erfahrungen profitieren und im Rahmen eines Austauschprogramms mit amerikanischen "Sister-Parks" zusammenarbeiten.

Den Grundstein für die Partnerschaft legte jüngst Erin Noojibail bei einem Besuch auf dem Ruhestein (Kreis Freudenstadt). Die Amerikanerin ist seit 2005 bei den National Park Services tätig, erst als Rangerin in New Mexico, jetzt in der Mitarbeiterförderung der National Capital Region in Washington.

Sie kennt die Hürden, die ein neuer Nationalpark oft nehmen muss: "In den USA haben wir 2015 zwei und im Jahr davor fünf neue Parks gegründet, und es war nicht immer einfach, die Menschen vor Ort von dem Projekt zu überzeugen", sagt sie mit Blick auf die Nationalparkkritiker im Schwarzwald. "Die einen befürchten, keine Pilze mehr sammeln zu dürfen, die anderen bangen um die Holzwirtschaft", erzählt die Rangerin. Klingt irgendwie bekannt und ist – wie Noojibail sagt – menschlich. "Ein Nationalpark bedeutet Veränderung, das sorgt für Unsicherheiten und Ängste", daran ändern wohl auch 100 Jahre Park-Tradition nichts.

Dabei hat sich in den älteren der über 400 Nationalparkregionen Amerikas durchaus einiges bewegt. "Wir haben das Jahr über mehr Besucher als Disneyland", erzählt die Rangerin. Rund 340 Millionen Menschen würden die amerikanischen Nationalparks jährlich besuchen und viel Geld in die Regionen bringen. "Benefits of National Parks" nennt sie diese Zusatzeinkünfte mit beachtlicher Rendite: "Für jeden Dollar, der investiert wird, kommen rund sieben Dollar zurück." Mit solchen Zahlen kann der Nationalpark Schwarzwald zwar nicht aufwarten, doch das zweijährige "Küken" hat sich gemausert: Im und um den Nationalpark herum wird eifrig geplant und gebaut.

Kniebis wird noch höher: durch den Weißtannenturm

Im 970 Meter hoch gelegenen Stadtteil Kniebis plant die Stadt Freudenstadt beispielsweise den Bau eines 30 Meter hohen Weißtannenturms als touristische Attraktion am Südeingang zum Nationalpark. Auf der Aussichtsplattform in 1000 Metern Höhe sollen die Besucher einen 360-Grad-Rundblick auf die Vogesen, die Burg Hohenzollern oder das Rheintal haben. Der Entwurf für den Turm steht bereits und könnte nach Zusage einer Leader-Förderung innerhalb von drei Monaten umgesetzt werden. Ebenfalls auf dem Kniebis ist mittelfristig der Bau einer Markthalle geplant. Dort sollen – ähnlich der Geroldsauer Mühle bei Baden-Baden – heimische Produkte angeboten werden.

In Sasbachwalden (Ortenaukreis) im Gebiet der ehemaligen Höhenklinik Breitenbrunnen soll auf rund 50 Hektar Fläche die "Tierwelt Breitenbrunnen" entstehen, ein Tiergarten mit Schaubauernhof, Therapie- und Bildungsangeboten. Rund 20 Millionen Euro will Grundig-Erbin Maria Wruck in das denkmalgeschützte Klinikgebäude und seine Umgebung investieren. Im Oktober hat der Gemeinderat Sasbachwalden (Ortenaukreis) die Erstellung eines Bebauungsplans für die "Tierwelt Breitenbrunnen" gefasst, die Bau- und Umbauarbeiten sollen spätestens zwei Jahre nach Baubeginn beendet sein.

In Abstimmung mit dem Projekt in Sasbachwalden soll auch im Bereich der historischen Alexanderschanze (Kreis Freudenstadt) ein Wildtierpark entstehen. Ein Förderverein lässt gerade die Planung für das Projekt erarbeiten, bei dem sich Mensch und Tier ohne störende Zäune begegnen sollen. Geplant ist ein modularer Aufbau des Parks, den Start soll ein weitläufiges Wisentgehege machen.

Neben der maroden Höhenklinik in Sasbachwalden wird auch das ehemalige Traditionshotel Alexanderschanze von den Planungen rund um den Nationalpark profitieren: Im vergangenen Jahr hat das Land das Gebäude gekauft, das künftig Teile der Nationalparkverwaltung beherbergen und Portal für den Nationalpark und den dort geplanten Wildtierpark sein könnte.

Eine neue Nutzung ist auch für den historischen Pferdestall in Herrenwies bei Forbach (Kreis Rastatt) vorgesehen. Das Gebäude, das im Besitz von ForstBW ist, soll zu einem Informationshaus für den Nationalpark mit Dauerausstellung und Personal ausgebaut werden und geht noch in diesem Jahr in die Planungsphase.

Baiersbronner Schultes warnt: Pragmatismus ist keine Zustimmung

Über den gesamten Nationalpark verteilt ist darüber hinaus ein Netz von Ranger-Stationen und Informationspunkten vorgesehen, von denen aus auch Führungen gestartet werden. Bereits in diesem Jahr wird die Rangerstation im Tonbachtal bei Baiersbronn (Kreis Freudenstadt) eröffnet. Sobald der Schnee weg ist, sollen die Arbeiten beginnen. Highlight im Herzen des Nationalparks soll das neue Besucherzentrum auf dem Ruhestein werden. Rund 23 Millionen Euro will das Land für das Infozentrum und ein angrenzendes Verwaltungsgebäude investieren, bis 2018 soll das Forum mit Ausstellung zum Thema Wildnis, Gastronomie und Shop fertig sein. Weitere zwei Millionen Euro stellt das Land zur Erarbeitung eines Verkehrskonzepts für die Nationalparkregion zur Verfügung, um den steigenden Besucherandrang im Park zu bewältigen. Dabei sollen nachhaltige Verkehrslösungen erarbeitet werden, die den öffentlichen Personennahverkehr stärken und den Individualverkehr lenken.

Doch trotz der millionenschweren Investitionsplanungen scheint das Nationalparkprojekt im Schwarzwald manchen Kritiker nicht überzeugen zu können. Das machte Bürgermeister Michael Ruf aus Baiersbronn (Kreis Freudenstadt) erst vor wenigen Tagen wieder deutlich: 6500 Hektar des rund 10 000 Hektar großen Parks liegen auf der Gemarkung seiner Gemeinde. Das hätten viele Bürger seinerzeit nicht befürwortet, würden aber zwischenzeitlich das Bestmögliche aus der Situation machen, so Ruf. Er mahnt, diesen Pragmatismus nicht mit Zustimmung zu verwechseln.

100 Jahre Nationalpark-Erfahrung in den USA, zwei Jahre im Südwesten – was rät die amerikanische Rangerin den Kritikern? "Mehr Gelassenheit" wäre hilfreich, meint Erin Noojibail, "ein so langfristiges und großes Projekt wie ein Nationalpark braucht Zeit, um seine Wirkung entfalten zu können", das hat sich in 100 Jahren Nationalparkerfahrung in Amerika gezeigt.