Die EU wollte im großen Stil Rohstoffe aus Ruanda kaufen. Doch es gibt Kritik – wegen des Krieges im Osten Kongos – und wegen des Vorwurfs, es handle sich um geschmuggelte Mineralien. Nun wehrt sich Kigali und präsentiert „eigene“ Bergwerke. Der Bericht über einen aufgedrängten Besuch.
Am Anfang der Recherche, die 120 Meter unter die Erde führen wird, steht eine Nachricht an Ruandas Regierungssprecherin. Im Zuge einer Recherche zum Krieg im Kongo erbitten wir eine Stellungnahme zu Vorwürfen wegen Ruandas Rolle in dem Konflikt. Vorwürfe gibt es zuhauf: Kigali unterstütze Rebellen im Kongo, so heißt es. Zudem deklariere es Rohstoffe, die aus dem Nachbarland eingeschmuggelt werden als eigene Ware.
Zwei Tage lang gibt es keine Reaktion. Dann, bei einem Zwischenstopp auf dem Flughafen von Kigali, kommt die Antwort doch noch. Man würde den Reporter gerne am nächsten Tag eines der örtlichen Bergwerke zeigen. Schnell ein Anruf: „Sehr nett, aber da sitze ich im Flieger.“ Prompte Nachfrage: „Geht es in einer Stunde?“
4000 ruandische Soldaten im Kongo
Eine Stunde nach dem Telefonat fährt tatsächlich ein ruandisches Regierungsauto vor. Die offensive Pressearbeit ist nachvollziehbar, es stehen Milliarden auf dem Spiel. Präsident Paul Kagame will binnen zehn Jahren zum Schwellenland aufsteigen – ein ehrgeiziges Ziel für ein von Krisenherden umgebenes Entwicklungsland. Eine Säule sollten Exporte in die Europäische Union sein. Investitionen von 940 Millionen Euro hatte Brüssel zugesagt, meist im Rohstoffsektor.
Die Mineralien der Region sind der Hebel, mit dem der Kongo einen Krieg gewinnen will, in dem seine desolate Armee militärisch der Allianz von Rebellen und 4000 ruandischen Soldaten hoffnungslos unterlegen ist. Ende Februar bot Kongos Präsident Félix Tshisekedi den Vereinigten Staaten und Europa einen „Anteil an dem riesigen Mineralienreichtum“ seines Landes an.
Kongo wichtigster Lieferant für Kobalt
Tshisekedi fügte seinem Angebot den Hinweis hinzu, dass der Sektor „derzeit von China dominiert“ werde. Und vor einigen Tagen legte er im Interview mit Donald Trumps Haussender „Fox News“ nach: „Wir wären sehr froh, unsere amerikanischen Freunde hier zu haben.“ Die USA seien in den 1970er und 1980er Jahren „viel aktiver“ in seinem Land als China gewesen.
Doch aktuell kontrolliert Peking dort 70 Prozent das Abbaus von Kobalt. Der Rohstoff wird für die Produktion von Batterien für Elektrofahrzeugen eingesetzt. Unter den möglichen Lieferanten gilt der Kongo als das mit Abstand wichtigste Land weltweit. In China hat man die Avancen in Richtung USA offenbar registriert und weicht von seiner strikten Linie der politischen Neutralität bei Konflikten in Afrika ab.
Chinesen drohen Richtung Ruanda
Während Peking bei frühen Verlautbarungen zum Kongo-Krieg neutral den Einsatz „ausländischer Kräfte“ im Kongo kritisierte, wurde zuletzt Ruanda namentlich genannt. China habe die Hoffnung, dass Ruanda seine militärische Unterstützung für die Rebellenarmee im Kongo einstelle und sein Militär sofort komplett aus dem Nachbarland abziehe, betonte der chinesische Botschafter bei den Vereinten Nationen vor ein paar Wochen.
Der Kongo verlangt für die geopolitische Umorientierung, ähnlich wie die Ukraine, umfangreiche Sicherheitsgarantien. Das Angebot an die USA: Mineralien und Kontrolle über einen Tiefwasserhafen als Exportzentrum. Der Preis: Ausbildung und Ausrüstung kongolesischer Streitkräfte zum „Schutz vor militanten Gruppen, die von ausländischen Mächten unterstützt werden“. Das klingt nach einem Gruß Richtung Ruanda.
Ein Deal nach Trumps Geschmack?
Es könnte ein transaktionaler Deal ganz im Stil von Trump daraus werden. Das US-Außenministerium teilte vage mit, dass man offen für eine Partnerschaft mit dem Kongo im Bergbau sei. Auf militärische Aspekte ging es nicht ein. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die USA aktiv in die Kämpfe eingreifen. Ein realistischeres Ziel wären Waffenlieferungen, zumal die Rebellen bei ihrem Vormarsch Kongos chinesische Kampfdrohnen mühelos abschießen.
Der US-Abgeordnete Ronny Jackson warnte nach einer Kongo-Reise US-Firmen vor der enormen Korruption und unberechenbaren Justiz des Landes. Dem Kongo fehle zudem „die Ressourcen und Fähigkeiten“, den Osten des Landes zu kontrollieren: „Das ist der wilde, wilde Osten.“ Jackson hat einen guten Draht zu Trump – er war sein Arzt während dessen erster Amtszeit.
Die ersten Schächte stammen noch aus der Kolonialzeit
Westliche Industrienationen, so jedenfalls der Tenor aus Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, sollen ihre Rohstoffe beim „rechtmäßigen Besitzer“ kaufen. Also nicht in Ruanda.
Doch dort will man diese Darstellung nicht so einfach stehen lassen. Im Geländewagen sitzt Oreste Mukiza von der ruandischen Rohstoffbehörde. Der hoch aufgeschossene Mann nutzt die Fahrt in ein Zinn-Bergwerk, um für Ruanda als Rohstoffquelle zu werben. Man habe schon vor Tausenden Jahren Eisenerz ausgegraben, sagt er, ein Ort sei sogar danach benannt worden.
„Was man im Kongo findet, findet man auch in Ruanda“
Seit Jahrzehnten wachse der Sektor rasant. Mehr als 100 Bergwerke gebe es im Ruanda inzwischen, besonders im Norden des Landes. „Egal, was man im Kongo findet, das findet man auch in Ruanda“, behauptet Mukiza, „nur nicht in der gleichen Menge.“
Der Weg, der dicht besiedelte Landschaften quert, endet plötzlich am Eingangstor zu einem Zinn-Bergwerk mit dem Namen „Bashyamba“. In den 1930er Jahren ließ Belgien hier die ersten Schächte ausheben. Ruanda wirft der ehemaligen Kolonialmacht in diesen Tagen „neokoloniale Wahnvorstellungen“ vor. Das Land habe EU-Sanktionen gegen angeblich mit den kongolesischen Rebellen kooperierende Kommandeure der ruandischen Armee „mit Lügen und Manipulationen“ durchgedrückt.
Alles mustergültig?
Inzwischen wird die Mine von einer ruandischen Firma betrieben. In einem Konferenzraum verweisen die Mitarbeiter darauf, dass sie Bäume gegen die Erosion angepflanzt hätten, das Wasser wiederverwerten, Schulen und Kliniken für die Anwohner bauen. Stiefel und Schutzhelme stehen für Besucher in verschiedenen Größen bereit, der Müll im Raum wird getrennt. Eine Visitenkarte für vermeintlich einwandfreien Bergbau, der dem europäischen Lieferkettengesetz standhält. Wären da nicht diese lästigen Anschuldigungen.
Auf dem Fußweg zum Eingang des Bergwerks kommen im Abendlicht Hunderte Bergarbeiter entgegen. 1700 sind hier beschäftigt, 220 davon Frauen. Der Vorwurf des Schmuggels aus dem Kongo sei falsch, sagt der PR-Mann Mukiza: „In Ruanda wird verantwortungsvoller Bergbau betrieben.“
Wie sehr profitiert Ruanda vom Schmuggel?
Seit Jahrzehnten steht die Frage im Raum, wie systematisch Ruanda die Ausbeutung kongolesischer Rohstoffe und deren Schmuggel über die poröse Grenze betreibt. Immer wieder wird auf einen im Dezember veröffentlichten UN-Bericht verwiesen. Dort sind Beispiele aus dem Jahr 2013 aufgeführt, als aus dem Kongo stammendes Coltan in Ruanda entdeckt wurde.
Zu jüngeren Vorfällen werden neben anonymen Augenzeugenberichten zwei verdächtige Satellitenbilder von 2024 aufgeführt: der Ausbau einer Straße im Kongo etwa. Lastwagen könnten so die illegalen Rohstoffe besser abtransportieren. In einem anderen Fall wird auf das Beladen von Lastwagen hingewiesen, Zeugen hätten berichtet, es habe sich um geschmuggelte Rohstoffe gehandelt. Verdächtig ist das alles, gerichtsfest eher nicht. Entsprechend wählt auch Philip Schütte, Wirtschaftsgeologe an der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, seine Worte vorsichtig. Bei den ruandischen Exporten von Zinn-, Tantal- und Wolframkonzentraten sowie von Gold handele es sich um „eine Kombination aus eigener Produktion und sowie Schmuggelmaterial“. Doch die jeweiligen Anteile seien „nicht belastbar abschätzbar”.
Konflikt verhindert Kontrollen
Das wird wohl so bleiben: Westliche Länder hatten in den vergangenen Jahren verstärkt Untersuchungen in verdächtigen Bergbaugegenden im Ostkongo eingeleitet. Mit der Eskalation des Konflikts kamen diese aber zum Stillstand.
Im Bashyamba-Bergwerk von Kigali präsentieren die Ingenieure 120 Meter unter der Erde so ziemlich jeden Gang, Unter tropfenden Decken bohren Männer mit schwerem Gerät. Wieder an der Oberfläche besteht Mukiza völlig durchnässt noch auf dem Besuch der Lagerräume. „Das wäre wirklich gut“, sagt er, als würden die dort gestapelten Zinn-Säcke endgültig die kongolesischen Vorwürfe entkräften.
Propagandaschlacht hat erst begonnen
Bei der Rückfahrt sagt der Regierungsmitarbeiter, beim nächsten Mal müsse man aber unbedingt quer durchs ganze Land Bergwerke besuchen. Der Kongo vermeldet derweil, man sei wegen des Rohstoffabkommens und der erhofften militärischen Unterstützung „täglich“ mit den USA in Kontakt.
Die Propagandaschlacht um die Seltenen Erden der Region hat gerade erst begonnen.