Die Maiandacht auf Maria Hochheim ist sehr gut besucht. Foto: Marcel

Die Wallfahrt nach Maria Hochheim lockte viele Rottweiler an – einst und ebenso aktuell. Nun wurde ein altes Marienlied vom Münsterchor einstudiert.

Bereits im 16. Jahrhundert wallfahrten die Rottweiler gerne, nicht weit, aber immerhin bis hinter Dietingen, zum Kirchlein Maria Hochheim zwischen Irslingen und Gößlingen, um dort die Muttergottes anzubeten. Diese Pilgerfahrt wurde erstmals im Jahr 1588 erwähnt.

Nun nahmen wieder zahlreiche Rottweiler diese etwa zehn Kilometer unter Schusters Rappen oder ihr Radl, um an der Maiandacht teilzunehmen. Und natürlich waren auch die Gläubigen aus den umliegenden Dörfern gekommen. Am Ende so viele, dass schnell zusätzliche Bänke herangeschafft werden mussten.

Besonderer Anlass

Denn der Anlass war ein besonderer: Nicht nur die Reaktivierung der einst traditionellen Wallfahrt, sondern auch ein altes Marienlied, das seit mehr als 200 Jahren nicht mehr gesungen wurde.

Komponiert hat es der damalige Kantor von Heilig Kreuz, Sebastian Mez, im Archiv wiedergefunden jetzt Patrick Mink, der es dann auch mit dem Münsterchor einstudierte. Und der ersten Strophe von Mez gleich noch zwei weitere Strophen hinzu komponierte.

„Mit Kreuz und Fahne ziehen wir nach Hochheim zu Dir hin“, sangen die Rottweiler einst auf ihrer Wallfahrt, die nach der Heuernte, also Anfang Juli, stattfand.

Die Erweiterung

Patrick Mink fügte die Geschichte von Maria, die nach der Verkündigung ihrer Schwangerschaft durch den Engel übers Gebirge zu ihrer Cousine Elisabeth ging, hinzu. „Elisabeth, vom Geist erfüllt, hat dies sogleich erfühlt“, heißt es nun in der zweiten Strophe.

Auch die Bitte nach Frieden für die Welt, aktuell damals wie heute, gehört jetzt zum alten Lied, das vermutlich um das Jahr 1750 herum entstand.

Der Münsterchor bei einer besonderen Aufführung. Er singt ein Marienlied, komponiert von Kantor Sebastian Mez, das seit 200 Jahren ruhte. Patrick Mink steuerte zwei weitere Strophen bei und studierte sie mit den Sängern ein. Foto: Marcel

Gemeinsam mit dem Münsterchor sangen es die etwa 200 Gläubigen, und Pfarrer Timo Weber erinnerte an die Zeit, als es zum letzten Mal hier gesungen wurde: Harte Zeiten für die freie Reichsstadt, 1802 durften die Rottweiler das letzte Mal die „Visitatio Mariae“, die Heimsuchung Mariens, mit dieser Wallfahrt feiern, kurz darauf wurde die stolze, bis dato nur dem Kaiser unterstellte Stadt württembergisch und die Bürger zu eher unwilligen Untertanen von Herzog Friedrich II.

Vier Jahre später wurde die Kirche von „Hauchen“ geschlossen, 40 Jahre später beschlossen die Irslinger, sie abzubrechen und eine kleinere Kapelle dort zu bauen. Später fiel sie in den Dornröschenschlaf.

Nach Dornröschens Schlaf

Erst ab 1999 kehrte wieder mehr Leben ein, 2016 fand eine Messe zum Fest Mariä Heimsuchung statt, die viele Gläubige anlockte, zwei Jahre später das Patrozinium, zu dem sogar Reiter kamen – und die Pferde nach der Messe mit Karotten belohnt wurden.

Seit 2017 kümmert sich der Freundeskreis Maria Hochheim um den Erhalt und die Belebung der Kapelle, die heute von einem modernen Bildnis von Maria und Elisabeth geschmückt wird, geschaffen vom Ellwanger Künstler Rudolf Kurz.

Einst standen hier zwei Marienfiguren, jede mit dem vom Kreuz abgenommenen Jesus auf dem Schoß. Beide Pietà-Skulpturen verschwanden allerdings Anfang der 1970er-Jahre spurlos. Von ihnen existieren heute nur noch Fotos.

Vorhaben des Fördervereins

Zudem kümmert sich der Förderverein um das Mesmerhaus neben der Kapelle und wesentlich älter als diese, das man vor dem Verfall retten möchte.

Das Landesdenkmalamt sei mit im Boot, wie Hans Schlenker, lange Jahre Pfarrer in Dietingen, inzwischen im Ruhestand und Vorsitzender des Fördervereins, erzählt.

Geplant sei, im Wohnteil einfache Pilgerunterkünfte einzurichten samt Stube für ein Beisammensein – immerhin liegt Maria Hochheim am Jakobsweg. Und es soll eine luxuriösere Unterkunft in der jetzigen Scheune entstehen, in der sich Menschen eine längere Auszeit gönnen können.

Eine weitere Besonderheit

Doch zurück zur Maiandacht, denn hier gab es noch eine weitere Besonderheit. Das waren zwei Marienlieder, die Franz Balluff komponiert hat. Balluff kam 1914 aus Ratzenried nach Rottweil, um hier als Lehrer an der Volksschule zu unterrichten. Zudem war er Organist und Chorleiter am Münster.

Vor Ort (von links): Wolfgang Staudinger, Elisabeth und Patrick Mink und Elisabeth Balluff, die Enkelin von Franz Balluff, dem Komponisten des Rottweiler Marienlieds, der vor 150 Jahren geboren wurde. Foto: Marcel

Balluff wurde von 150 Jahren geboren, und aus diesem Anlass war seine Enkelin Elisabeth aus Michelstadt nach Maria Hochheim gekommen. Sie komme ebenso gern zur Rottweiler Fasnet, und in diesem Jahr, erzählt sie, sei ihr auf der Heimfahrt eingefallen, dass ja ein runder Geburtstag ihres Opas anstehe.

Die Originale seiner Kompositionen hatte sie längst dem Rottweiler Stadtarchiv zur Verfügung gestellt, dort waren sie leicht wiederzufinden. Also nahm sich der Münsterchor dieser Stücke an.

„Zeit tiefster Finsternis“

Eines davon ist das „Rottweiler Marienlied“, das im Münster regelmäßig bei Maiandachten gesungen wird. Dieses komponierte Balluff im Jahr 1942, „in einer Zeit tiefster Finsternis“, wie Pfarrer Timo Weber betonte.

Es erzählt von Maria, dieser starken Frau, wie sie ihren Weg geht, aktiv wird, handelt, und die Kinder der beiden schwangere Frauen, Maria und Elisabeth, vor Freude in den Bäuchen ihrer Mütter hüpfen.

Noch heute würden manche Ältere davon sprechen, erzählte Weber, wie bewegend der Gottesdienst im November 1943 war, als das Lied erstmals gesungen wurde. „Das war in der damaligen Zeit ein starkes Zeichen.“, so Weber.

Und solle es auch heute noch sein, in Zeiten von Krieg und Klimawandel nicht nur konsumierend vor dem Fernseher daheim zu sitzen, sondern sich wie Maria auf den Weg zu machen.

Kleines Kuriosum

Nettes Kuriosum am Rande: Franz Balluff komponierte sogar einen Narrenmarsch für die Rottweiler Fasnet. Der konnte sich allerdings nie gegen den von Heinrich von Besele und Otto Wolf durchsetzen.