Avishai Cohen bietet am Samstagabend mit seinem Quintett im Stall die große Form von kammermusikalischem Jazz. Foto: Bodo Schnekenburger

In der Alten Stallhalle in Rottweil feiern 500 Besucher das Quintet des israelischen Bassisten beim 37. Rottweiler Jazzfest.

Das erste Wochenende des 37. Jazzfests serviert seinen Fans an zwei Abenden eine spannende Konfrontation unterschiedlicher Ästhetiken mit ganz erstaunlichen Parallelen.

 

Nach dem Auftaktkonzert mit der „Jazzrausch“-Bigband, die am Freitagabend das Festival in der Alten Stallhalle druckvoll, fast überschäumend, mit viel Zug und doch überraschend subtilen, lyrischen Passagen eröffnet hat, gehört die Bühne am Samstag dem Avishai Cohen Quintet.

Aus vielen Welten

An die 500 Besucher erleben einen Abend, der es in sich hat. Denn da ist natürlich Mastermind Cohen, der Bassist, mitunter der Sänger, der Gestalter, immer der Organisator der musikalischen Prozesse, die sich auf der Bühne entwickeln.

Druckvolle Eröffnung: Am Freitag gab „Jazzrausch“ den Auftakt für die Konzertreihe im Stall. Foto: Schnekenburger

Das bedeutet auch in Rottweil: Es gibt längere Szenen mit Jazz, der durchkomponiert wirkt. Ein Zugeständnis an die große Besetzung? Mitnichten, wie am Ende zu resümieren wäre.

Denn in mehr als eineinhalb Stunden hat das Quintett Abstecher in eine ganze Reihe musikalischer Welten unternommen, weniger, um sie auszukosten, sondern vielmehr aus und mit ihnen lustvolle, tiefe, bunte, launige in jedem Fall aber beredte Bilder zu formulieren.

Avishai Cohen Foto: Bodo Schnekenburger

Da ist Cohens großer Ton, tragend, mit viel Raum, nie scharf, doch immer sehr präsent. Sein Trio funktioniert damit wunderbar. Es gibt genügend Gelegenheiten für komplexe musikalische Diskurse, die sich damit und daneben etablieren. Gerne auch hart und treibend.

Offene Räume

Kann das Quintett da noch eins draufsetzen? Es macht etwas anderes. Die Räume werden anders definiert. Sie sind weiter. Die Klangereignisse, die Phrasen, die kleinen Fantasien lassen sich leichter ausspielen. Es gibt viel Platz für Schwere und Augenzwinkern, für eine Eruption und für ausgiebiges Deklamieren.

Bildreicher Abend

Das alles geschieht mit klarem Fokus auf die Melodik und vermeidet die Virtuosen-Inszenierung. Wobei durchaus durchblitzt, dass da noch mehr lauern könnte. So gibt es einen bildreichen Erzählabend voller Intensität, kein Hochleistungskonzert zum Staunen. Das passt zu Cohens Spiel in Rottweil. Wenn er auch später seine Stimme erheben sollte – auch der „Sing“-Ruf gegen Ende des Konzerts blieb nicht ungehört –, so machte er am Bass über weite Passagen genau dies: einen Gedanken nach dem anderen zu Balladen fügen.

Noch einmal zurück zum Thema Quintett. Dass da sehr versierte Musiker am Start sind, hört man schnell. Auch, dass sie sich durchaus wohlfühlen. Und sie sind nicht, zumindest nicht nur, eine Erweiterung spielerischer Möglichkeiten, die die Musik unter zusätzlichen Aspekten interpretieren.

Über das Quintett hinaus

Sie funktionieren immer wieder auch dank der hohen Klangkultur in faszinierenden Kleinformen. Wenn da zum Beispiel Klangereignisse, die Saxofonist Yuval Drabkin über vital perlendem Klavierspiel vorträgt, von Yonatan Voltzok mit der Posaune akkordisch kontrastiert und verlängert werden, entstehen Momente, in denen scheinbar ein Dutzend Musiker zu hören sind. Daraus erwächst am Samstag dann die wirklich große Form des kammermusikalischen Jazz.