Foto: Nädele

Wir wagen uns auf die halb fertige Besucherplattform. Treppenläufer schon in den Startlöchern.

Rottweil - Gelbe Stiefel mit Stahlkappen, Bauhelm, Warnweste – die Ausrüstung passt. Es kann losgehen. Wir wagen uns ganz hoch auf den Testturm. Was uns auf dem Rohbau in 232 Meter Höhe erwartet ist atemberaubend. Und das hängt nicht unbedingt mit der Aussicht zusammen.

Es hat Nebel. Und die Temperatur liegt bei null Grad. Unten am Boden wohlgemerkt. Egal, die Vorfreude ist trotzdem groß. Schließlich läuft der Innenausbau des insgesamt 246 Meter hohen Aufzugstestturms von Thyssen- Krupp Elevator (TKE) in Rottweil auch im Winter auf Hochtouren, und wir sind gespannt, wie es oben und im Innern inzwischen aussieht. Derzeit wird der Schacht für den Panoramaaufzug verglast, auf der Büroebene in etwa 210 Metern Höhe sind die Fenster schon drin. Und als erster Aufzug im Turm ist der Feuerwehraufzug jetzt eingebaut worden. In Betrieb geht er allerdings erst ab Montag, deshalb müssen wir den orangenen Bauaufzug nehmen, der an der Außenwand der Betonröhre entlang kriecht.

"Achtung Lebensgefahr" – das Schild hat nicht gerade beruhigende Wirkung, aber Nibar Abdullah, Student und derzeit Praktikant bei der Baufirma Züblin, der uns begleitet, ist völlig relaxed. "Einsteigen bitte." Ein Bauarbeiter fährt auch mit uns hoch. Noch wundern wir uns, warum er unter dem Bauhelm eine Skimütze trägt, bei der nur die Augen ausgespart sind. 110 Meter... 190 Meter. Je höher der Aufzug steigt, umso deutlicher wird der Ernst der Lage: Es wird kalt. Sehr kalt. 232 Meter. Unser Begleiter öffnet die Gittertür. Wir sind oben – willkommen am Polarkreis! Alles ist hier von einer bizarren Eisschicht überzogen. Die Bauarbeiter sind dick vermummt. Und der sehnsüchtige Gedanke an die Skiunterwäsche zu Hause kommt auf.

Turmwände sind ganz oben gerade mal 25 Zentimeter dick

Der von unten winzig klein aussehende Betonkasten auf der Plattform ist riesig groß. Schon jetzt ist zu sehen, wo die Besucher aus dem Panoramaaufzug aussteigen werden. Voraussichtlich werden sie dann mit einem Leitsystem rund um die Aussichtsfläche geschleust. Momentan besteht der "Deckel" des Turms allerdings erst zur Hälfte. Die andere Hälfte ist offen und man kann weit hinunter in die Konferenzebene mit den hohen Fensterschlitzen schauen.

Die nächste Überraschung: Die Außenwand ist hier oben, am Ende der Mega-Röhre, erstaunlich dünn. Es sind gerade mal 25 Zentimeter. "Das ist der Clou an dem ganzen Bau", meint Projektleiter Hardy Stimmer von der Thyssen- Krupp Real Estate GmbH. "Die Wände wurden nach oben hin verjüngt – von unten 40 Zentimeter auf 25. "Dadurch ist der Turmbau überhaupt wirtschaftlich geworden", sagt Stimmer. So konnten Tausende Tonnen Beton eingespart werden.

Inzwischen ist der Kugelschreiber eingefroren, die Zehen sind taub. "Wenn es unten regnet, schneit es hier oben oft", erklärt der Projektleiter. In einem kleinen, mit Planen abgehängten Holzverschlag steht ein Heizlüfter – zum Aufwärmen. Schließlich verbringen Bauarbeiter und der Kranführer mehrere Stunden hier oben. Der zweite Kran auf dem Turm wurde übrigens an Fastnacht abgebaut. Mittlerweile sind die Zwischendecken für 20 Geschosse bis auf 200 Meter Höhe drin, auch das Treppenhaus ist komplett fertig. Es reicht durchgehend vom Untergeschoss bis ganz nach oben.

Treppenhaus ist nur was für Extremsportler

"Wir hatten schon Anfragen von Treppenläufern, die hier Wettbewerbe austragen wollen", verrät der Pressesprecher von TKE. Man finde die Idee ganz lustig. Rottweil kann sich also schonmal auf ein besonderes Sportereignis freuen.

Nibar Abdullah erzählt, dass er und Kollegen von Züblin die Treppe kürzlich erklommen haben. "Wir haben eine Dreiviertelstunde gebraucht – es war echt hart." Ein topfitter Bauleiter sei die Treppe dann allerdings in 15 Minuten hochgespurtet – und ist seither ungekrönter König.

Wir nehmen nach unten wieder den Aufzug – und steigen auf Ebene 190 aus. Hier wurde – weltweit einmalig – ein 240 Tonnen schweres Pendel installiert, das künftig Schwingungen ausgleicht, oder Schwingungen anderer hoher Gebäude in der Welt für Aufzugstests simulieren kann. Das "Pendel" entpuppt sich als Koloss aus Betonteilen. Gleich daneben kann man in einen der Schächte für die Testaufzüge schauen. Der Blick geht so weit in die Tiefe, dass man die Luft anhält.

Leider wird der Außenaufzug gerade weiter unten von Arbeitern benötigt. Wir sitzen auf 190 Metern Höhe erst mal fest. Zeit, um sich mit klappernden Zähnen über die Außenhülle zu unterhalten, auf die viele schon gespannt warten. Anfang April soll damit begonnen werden, die weiße Haut aus High-Tech-Stoff von oben nach unten zu montieren. Der Abstand zur Betonröhre wird zwischen 80 Zentimetern und zwei Metern liegen. Zuvor muss allerdings der Deckel des Turms komplett fertig und auch der große Baukran abgebaut sein.

Jetzt ist der Aufzug da und es geht zurück auf den Boden. Die Herren von Züblin und Thyssen-Krupp haben gleich noch eine Besprechung mit Vertretern der Stadtverwaltung – im warmen Container versteht sich. Man bringt sich gegenseitig auf den neusten Stand. Die Idee der Hängebrücke kommt übrigens bei Thyssen-Krupp sehr gut an. Und dann gibt es ja auch noch das Beleuchtungskonzept... es bleibt also spannend beim Rottweiler Mega-Turm. Das nächste Mal gehen wir dann aber im Sommer rauf.