Kristina Reichle, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Flözlingen-Zimmern.Foto: Reichle Foto: Schwarzwälder Bote

Kirche: Geistlicher Impuls auch ohne Gottesdienst / Pfarrer legen an dieser Stelle ihre Gedanken dar

Rottweil. Als Pfarrerinnen und Pfarrer möchten wir gerne mit unseren Gedanken und Impulsen an dieser Stelle zu Ihnen Kontakt halten. Ich starte gleich mit Worten aus dem Hebräerbrief, Kapitel13, 12 bis 14: "Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir." In diesen Wochen gehen wir gerade nicht hinaus. Drinnen bleiben sollen wir. Das Drinnenbleiben jedoch ist etwas Außergewöhnliches, wir sind es nicht gewöhnt. Wir müssen also unsere Gewohnheiten ändern. Bei uns bleiben. Wir leben außerhalb der sonstigen Gewohnheiten. Und bleiben weitgehend zuhause. Und damit verhalten sich auch die nicht Infizierten weitgehend so, wie es die Infizierten und Kranken tun müssen.

"Jesus hat gelitten draußen vor dem Tor." "Draußen vor dem Tor" – das klingt nach Ortsangabe, ist aber keine. "Außerhalb" bedeutet: Jesus starb außerhalb des heiligen Bezirks, in der Welt, bedroht durch sie, schmachvoll. Dorthin sollen die Jesusleute ihm folgen. In die vergängliche Welt, in die "nicht bleibende Stadt", dorthin, wo Menschen in Gefahr sind. Solidarität ist gefragt für die Leute vor dem Tor, für die im Abseits, im Schatten, für die Leute, die out sind. Draußen vor dem Tor – das ist out. Christus selbst ist out. Er sagt: "Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen."

Er ist out, er ist da draußen vor dem Tor – und da draußen vor meiner eignen Tür lebt eine alte Oma. Sie ist 85. Sie könnte noch ein paar Jahre leben. Und sich ihres Lebens freuen. Wer bei "WirBleibenZuhause" mitmacht, ist solidarisch mit der alten Oma. Sein Außen ist zurzeit ein außergewöhnliches Drinbleiben. Und ein paar Wochen zuhause bleiben – aus Solidarität mit anderen, schwierig ist das, zugegeben, dramatisch ist es nicht!

Dass wir hier keine bleibende Statt hier auf der Erde haben, ist für uns ein schwerer Gedanke. Wir leben und handeln so, als lebten wir ewig. Als blieben die Häuser auf ewig in unserm Besitz. Dabei werden die meisten Häuser nach dem Tod ihrer Besitzer verkauft. Doch wer will das schon hören! Wir sind bloß Gäste auf diesem unendlich erwählten blauen Planeten. Das ist so.

Und was ist mit der zukünftigen Stadt? Die Bibel beschreibt die zukünftige Stadt als den Ort, wo Gott bei den Menschen wohnt und sie tröstet und befreit: "Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein." So soll es sein – dann. Und jetzt schon – in Ansätzen. Das ist die Richtung, dahin sind wir unterwegs. Die zukünftige Stadt suchen wir. "Glaube"… wäre dann so etwas wie ein Vorbehalt. Das was ist, ist nicht alles. Und das, was wir haben, ist nur geliehen.

Wir bleiben nicht. Draußen zu sein oder im Außergewöhnlichen drinnen fühlt sich fremd an. Sich in der Welt auch fremd zu fühlen – das aber gehört zum Glauben dazu. Wir werden draußen erwartet. Von ihm.

In Zeiten ohne Gottesdienste möchte der Schwarzwälder Bote den Pfarrerinnen und Pfarrern künftig jeden Freitag an dieser Stelle die Möglichkeit geben, ihre Gedanken zum jeweiligen Predigttext mitzuteilen.