Leeres Klassenzimmer: An den Beruflichen Schulen im Kreis Rottweil machen sich jetzt schon die vielen Unterrichtsausfälle bemerkbar. Foto: Weißbrod

Im Kreis herrscht akuter Lehrermangel. Ministerium hält an Zielen fest und verweist auf Ende Mai.

Kreis Rottweil - Betriebe und Elternvertreter schlagen Alarm: Im kommenden Schuljahr könnten an den Berufsschulen im Kreis etliche Lehrerstellen fehlen. Bereits jetzt kommt es schon zu erheblichen Unterrichtsausfällen.

Werner Mauch ist verärgert. "So kann das nicht mehr weitergehen", sagt der Schlosser-Meister aus Schramberg und meint damit den Lehrermangel an den Beruflichen Schulen. Mauch ist seit drei Jahren Elternvertreter an der Robert-Gleichauf-Schule in Oberndorf und macht sich große Sorgen um die Ausbildung des Nachwuchses. "Zwischen sechs und acht Lehrer fehlen durchschnittlich an den sechs Beruflichen Schulen im Kreis", sagt er. Die daraus resultierenden Unterrichtsausfälle würden sich schon seit vielen Jahren an den Schulen bemerkbar machen.

Es scheint so, als würden sich am Ende des Schuljahres mehr Lehrer in die Pension verabschieden, als neue eingestellt werden. Bis jetzt seien von den rund 700 frei werdenden Stellen lediglich 160 Stellen ausgeschrieben worden, so Mauch. Eigentlich seien 1100 Neueinstellungen in Baden-Württemberg nötig, um unter anderem auch die Überstunden der Lehrer abzubauen.

Ulrich Hargina – Elternbeiratsvorsitzender der Rottweiler Nell-Breuning-Schule – erlebt die Auswirkungen des Lehrermangels hautnah. Seine Tochter geht auf die kaufmännische Berufsschule und ist öfter daheim, als ihm aus schulischer Sicht lieb sein kann. "Sie schaut jeden Tag auf ihren Stundenplan im Internet, ob was ausfällt, damit sie weiß, worauf sie sich einstellen muss", erzählt Hargina. Im Schnitt würden zwei Stunden in der Woche wegfallen. Vertretungen seien an der Tagesordnung.

Neben den Eltern warnen auch viele Ausbildungsbetriebe vor den Folgen des Lehrermangels. Einer von ihnen ist der Obermeister der Elektroinnung, Ralf Rapp. Seine drei Lehrlinge gehen auf die Oberndorfer Gleichauf-Schule. Er und seine Schützlinge haben ebenfalls mit Stundenplanänderungen zu kämpfen. "Die Berufsschulen sind die Stiefkinder der Schullandschaft", sagt er. Derzeit drehe sich doch alles um das neue Projekt der grün-roten Landesregierung, die Gemeinschaftsschule.

Der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg (BLV) fordert schon seit Längerem eine Umkehr in der Schulpolitik. Das strukturelle Unterrichtsdefizit sei zwar auf 4,1 Prozent zurückgegangen, sagt Gerd Weinmann, stellvertretender Vorsitzender des Landesbezirks Südbaden, dies sei allerdings nur durch Überstunden möglich gewesen. In den vergangenen 30 Jahren habe sich so eine "Überstunden-Bugwelle" von 1800 Deputaten angesammelt. Wenn zu den bisher 160 ausgeschriebenen Stellen lediglich 200 dazukommen würden, wie der BLV vermutet, wäre dies eine Katastrophe, sagt der Lehrer.

Auf den demografischen Faktor spekulieren

Das Problem sei, dass das Kultusministerium auf den demografischen Faktor und somit auf zurückgehende Schülerzahlen spekuliere, so Weinmann, diese seien jedoch konstant. Hinzu komme, dass das Kultusministerium die Schulen auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten würde. Somit hingen die Schulen in Sachen Planung in der Luft, weil sie nicht wissen, wie viel Stellen sie endgültig zugewiesen bekommen.

Auch die Referendare wissen derzeit noch nicht, ob sie für das kommenden Schuljahr eine Stelle angeboten bekommen. "Viele aus dem Bezirk Nordbaden schauen sich derzeit schon in Hessen und Rheinland-Pfalz um; die Referendare aus Südbaden begeben sich wiederum in der Schweiz auf Jobsuche", erzählt Weinmann.

An der Schramberger Friedrich-Ebert-Schule hat sich ebenfalls eine "Bugwelle" angestaut. "Auch wir haben zu wenig Lehrer", sagt Schulleiter Hans-Jürgen Ohlmann. Ein größerer Unterrichtsausfall werde durch Überstunden abgefangen. Um die "Bugwelle" abbauen zu können, brauche die Schule drei bis vier neue Kollegen. Bis jetzt sei der Schule eine Stelle zugewiesen worden.

Aus dem Kultusministerium verlautet, man werde erst nach Auswertung der Lehrerberichte zu den voraussichtlichen Schüler- und Klassenzahlen und weiteren Stellenrechnungen Ende Mai entscheiden können, wie viele Lehrer benötigt würden. Das Ministerium müsse abwarten, welche Änderungen sich beim Übergang von Grundschülern auf die weiterführenden Schulen und hinsichtlich des Schulwahlverfahrens an Werkrealschulen nach Abschluss der Klassenstufe 9 ergeben, erläutert eine Sprecherin auf Anfrage unserer Zeitung.

"Wir sind uns bewusst, dass es in manchen Bezirken brennt", so die Sprecherin. Ziel der grün-roten Regierung sei es weiterhin, das strukturelle Defizit und die Überstunden abzubauen. Allerdings gehe das nicht von heute auf morgen. "Die ›Überstunden-Bugwelle‹ wurde in den letzten Jahren angeschwemmt", sagt sie, jetzt müsse man schauen, wie man sie wieder abbaue.

Von Oliver Rebstock

Eltern und Betriebe im Kreis machen mobil. Der Grund: An den Beruflichen Schulen in Rottweil, Schramberg, Oberndorf und Sulz herrscht akuter Lehrermangel. In ihren Augen sind die Lehranstalten die Sparschweine der Landesregierung. Richtig: An vielen Schulen stehen Unterrichtsausfälle auf der Tagesordnung. Die neue Regierung für die Misere verantwortlich zu machen, greift jedoch zu kurz: Die Überstunden sind kein Phänomen der vergangenen Monate – jahrelang wurde zu wenig in Bildung investiert. Grün-Rot hat angekündigt, die Schulen zu stärken. An diesem Versprechen wird sich die Regierung nun messen lassen müssen. Was die Schulleiter hier vor Ort brauchen, sind zusätzliche Lehrerstellen und eine Politik, die Planungssicherheit garantiert. Für Grün-Rot heißt es nun Prioritäten setzen – ohne Wenn und Aber und zum Wohl unserer Schulen.