Spielzeit: Zimmertheater will an Erfolg anknüpfen / Europa-Trilogie findet im März ihren Abschluss

Von der Utopie der Toleranz, Kindern, die gemeinsam etwas erreichen, und der Bedeutung innerer Werte – mit den Stücken der aktuellen Spielzeit greift das Zimmertheater auf, was die Welt bewegt und setzt diesmal ganz besonders auf starke Schauspieler und Momente, die unter die Haut gehen.

Rottweil. Ein großer Schritt in die richtige Richtung – das war die vergangene Spielzeit für Peter Staatsmann, den Intendanten des Zimmertheaters. Mit der Uraufführung eines Stücks über den Rottweiler Unternehmer Max von Duttenhofer hatte man ein Experiment gewagt. Es scheint geglückt. Dabei geht es nicht unbedingt um Zuschauerzahlen, sondern um eine Erkenntnis bei den Bürgern, so Staatsmann. Ihnen werde zunehmend klar, dass man im Theater Tag für Tag das Weltgeschehen beschreibe und verarbeite. Der Zuschauer will mehr als dröge "Vorabendserien", ist er sich sicher.

Auf diesen großen Schritt soll nun mit einer spannenden neuen Spielzeit der nächste folgen. Bereits am 18. Oktober feiert "Nathan der Weise" Premiere im Zimmertheater – ein Stück Weltliteratur, das an Aktualität kaum etwas eingebüßt hat. "Lessing würde sich wundern, wenn er sähe, dass wir nach all der Zeit wieder am selben Punkt sind", meint Staatsmann.

Nathan der Weise sei der Prototyp der europäischen Aufklärung. Das Stück zeige, dass es nicht die eine Wahrheit gebe und führe das komplette Scheitern aller Vernunft vor Augen. Lessing sei ein Verfechter dessen gewesen, andere zu hören und sie wahrzunehmen.

"Sehr gute Schauspieler sind das Kennzeichen in diesem Stück wie auch in der gesamten Spielzeit", erklärt Staatsmann. Meinolf Steiner, der zuletzt Max von Duttenhofer spielte, wird die Rolle des Nathan bekleiden. "Wir wollen die Schauspielkunst in den Fokus rücken und damit Momente erzeugen, die unter die Haut gehen." Ähnlich zu Stücken wie "Kabale und Liebe" oder "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" werde das Stück ruhiger, aber umso intensiver, verspricht Staatsmann.

Ein Stück für die ganze Familie feiert derweil am 1. Dezember Premiere. Erich Kästners Kinderbuchklassiker "Emil und die Detektive" ist beliebt wie eh und je. Woran das liegt? Es spiegle ein wenig wieder, was man zurzeit erlebe: Kinder, die sich zusammenschließen und etwas erreichen. Dabei soll das Stück jedoch nicht politisch werden oder gar Greta von Thunberg ins Spiel bringen. Es geht nach wie vor um Detektivarbeit, eine spannende Verfolgungsjagd und den Kampf um Gerechtigkeit. Mit der Zielgruppe vom Kindergartenalter bis zur sechsten Klasse deckt man eine weite Altersspanne ab. Die Thematik scheint zeit- und alterlos.

Zeitlos ist auch die Frage danach, was einen Menschen und eine Familie ausmacht. Mit dieser beschäftigt sich das Zimmertheater im dritten Teil der Europa-Trilogie, "Eine Familie #We are Family". Eine Familie wird unter die Lupe genommen. Wie kann sie in den aktuellen sozialen Veränderungen bestehen? "Dabei geht es nicht nur um Generationenkonflikte, sondern vor allem um den digitalen Epochenbruch", meint Staatsmann. Was tun, wenn dort, wo früher Vertrauen und Wärme waren, plötzlich nur noch Leere ist?

Natürlich spielt auch der Kapitalismus wieder eine Rolle. Zwar gibt es einen Raum, in den dieser nicht hineinreicht. Doch wie schützt man diesen? Um all diese Fragen geht es in dem Stück, das am 6. März Premiere feiert.

Völlig unbedarft und ohne Sorge vor quälenden Fragen nach der Aufführung kann der Zuschauer laut Intendanz das Stück "All das Schöne" besuchen. Mit diesem zeigt das Zimmertheater die Vielseitigkeit des aktuellen Programms.

Dass jemand einen Monolog führt, bedeutet dabei nicht, dass es langweilig wird. Feinfühlig und nachdenklich berichtet im Stück eine Tochter, deren Mutter depressiv ist, von ihrem Leben. Dabei wird das Publikum immer wieder sanft ins Stück einbezogen. "Es ist ein Thema, bei dem jeder andocken kann. Und es wird zurecht als das ›lustigste Stück über Depression‹ bezeichnet", meint Bettina Schültke. Inszeniert wird es von Peter Raffalt, der in "Raub der Europa" mitspielte. Premiere ist am 10. Januar.

Zwei Wochen später, ab dem 24. Januar, beschäftigt man sich beim Gastspiel "Judas" mit dem Thema Schuld und Verrat und der Frage, ob man ohne beides überhaupt das Gute erkennen würde.

"Mit Cyrano de Bergerac" kommt am 16. Juli derweil ein romantisch-komödiantischer Klassiker auf die Bühne im Bockshof. Das Sommertheaterstück wird laut Staatsmann "klein, aber fein und intensiv" und natürlich musikalisch. Es geht um Liebe und die inneren Werte, aber auch darum, etwas selbst nicht zu schaffen und vor lauter Idealvorstellungen das Echte zu verpassen.

Unterdrücktes an die Oberfläche bringen

Ein Klassenzimmerstück wird es ebenfalls wieder geben. Oftmals sei es sehr schwer, für Klassen ins Zimmertheater zu kommen, berichtet Schültke. Manchmal überstiegen die Fahrtkosten sogar den Eintrittspreis. Umso wichtiger sei es, Theater in die Schule zu bringen. Nachdem "Arm, aber sexy" schultypunabhängig interessante Gespräche hervorgebracht und persönliche Probleme bei manchen Schülern ans Licht gebracht hat, geht es nun um "Robinson im Cyberspace". Es geht um Realität versus Klickwelt und die Frage, was ein echter Freund ist.

Wenn das dazu führt, dass mancher sich oder andere als "Süchtige" erkennt, umso besser. Denn mit der aktuellen Spielzeit verfolgt das Zimmertheater, was es sich schon vor Jahren auf die Fahnen geschrieben hat: keine seichte Unterhaltung, sondern unangenehme Themen anzutippen und Unterdrücktes an die Oberfläche zu bringen, um damit zu einer Erkenntnis zu kommen, die jeden Einzelnen, aber auch die Gemeinschaft weiterbringt.

Weitere Informationen: zimmertheater-rottweil.de