Zimtsterne gibt es zwar noch nicht, aber die ersten Lebkuchen sind unterwegs. Foto: Hollemann

In eingen Märkten gibt es bereits Lebkuchen. Doch kommt Naschwerk auch gut an?

Rottweil - Ein besonders heißer Sommer verabschiedet sich langsam, und schon liegt auch in Rottweil vereinzelt Weihnachtsgebäck in Supermarktregalen. Händler und Industrie stehen dazu, Pfarrvikar Jürgen Rieger kritisiert den frühen Verkauf.

"Das Gebäck, das jetzt schon in manchem Regal liegt, ist kein Weihnachtsgebäck, sondern Herbstgebäck", so Detlev Maier, Vorsitzender des Rottweiler Gewerbe- und Handelsvereins (GHV) und Leiter eines großen Supermarkts. Die Backindustrie definiere das Gebäck, das schon jetzt, wo es gerade noch 30 Grad warm war und die Sonne vom Himmel brannte, in Regalen liege, als Herbstgebäck, so Maier.

Als Beispiel nennt der Händler gefüllte Lebkuchen, die in vielen Kulturen traditionell zum Weihnachtsgebäck zählen. Die meisten Lebkuchen verkaufe sein Markt, je nach Witterung, in den Monaten Oktober und November. Im Dezember gehe der Umsatz im Vergleich dazu zurück. Maier weist darauf hin, dass auf der Verpackung keine weihnachtlichen Motive verwendet werden. Weihnachtsbäume, Sterne und Glocken kämen erst kurz vor der Adventszeit hinzu.

Eine Pressesprecherin der Firma Bahlsen, die Lebkuchen herstellt, sagt: "Fest steht ja, dass Lebkuchen und Co. bereits im Spätsommer verfügbar sind und hauptsächlich im Herbst gegessen werden". Damit begründet sie die Tatsache, dass die Firma bei 30 Grad im Schatten bereits Lebkuchen und Spekulatius backt. Rund 7413 Tonnen Herbst- beziehungsweise Wintergebäck werden von Bahlsen in Hannover produziert und ab Ende August an den Handel ausgeliefert, geht aus einer Pressemitteilung des Unternehmens hervor.

Historisch betrachtet wurden Lebkuchen vor dem 30-jährigen Krieg ganzjährig verkauft. Erst als die Zutaten knapp wurden, kam das Gebäck nur noch zu besonderen Anlässen wie eben Weihnachten auf den Tisch.

Pfarrer: Tradition geht verloren

Diesen besonderen Charakter verliere das Gebäck, wenn es schon frühzeitig zu kaufen sei, meint Jürgen Rieger, Pfarrvikar in Rottweil. Für ihn ist der Lebkuchen ein traditionelles Weihnachtsgebäck, das mit Kindheitserinnerungen an Advent und Weihnachten verbunden ist. "Die Bedeutung des Weihnachtsfestes geht durch das frühe Angebot verloren", meint der Pfarrer. Hinter dieser Entwicklung sieht er Symptome einer Gesellschaft, in der fast alles jederzeit verfügbar sei. Die christliche Tradition lebe davon, dass es besondere Zeiten gebe, die sich von anderen unterscheiden.

"Die Bestellungen werden bereits acht Monate vor dem Verkauf aufgegeben", schildert Maier einen weiteren Grund für das frühe Angebot. Die Händler müssten frühzeitig planen, ohne zu wissen, welches Wetter etwa in Kalenderwoche 40 sein wird. "Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich den Verkauf von Herbstgebäck auch noch für verfrüht", sagt Maier in Anbetracht spätsommerlicher Temperaturen.

Umfrage: Lebkuchen Im August kommen nicht gut an

Rottweil - Das erste Weihnachtsgebäck, das Händler in "Herbstgebäck" umgetauft haben, liegt bereits in manchem Supermarktregal. Besucher des Wochenmarkts finden das viel zu früh. 30 Grad und Lebkuchen, das passt nicht.

Klaus Salowsky (73 Jahre, Bühlingen) "Ich habe heute morgen schon Weihnachtsgebäck im Laden gesehen. Wenn die Lebkuchen schon im August kommen, verlieren sie ihre Bedeutung. Mir schmecken sie erst an Weihnachten."

Ann-Kathrin Kiefer (23 Jahre, Schwenningen), Miriam Belikan (28 Jahre, Balingen) "Wir finden es schlimm und übertrieben. Es macht das Sommergefühl kaputt und verdirbt den Vorgeschmack auf Weihnachten. Das ist dann nicht mehr besonders."

Erika Fink (75 Jahre, Rottweil) "Ich finde es abstoßend, wenn jetzt schon Weihnachtsgebäck verkauft wird. Die Tradition geht verloren, Weihnachten ist nur noch Kommerz. Das ist reines Konsumverhalten, hat nichts mit Werten zu tun und ist nicht zeitgemäß."

Helmut Rohel (80 Jahre, Zimmern o.R.) "Wie kann man bei 30 Grad schon Lebkuchen verkaufen? Ich esse sie gerne, aber das ist viel zu früh. Auch für die Kinder ist es nichts besonderes mehr, wenn dann Weihnachten ist."

Birgit Augstein (53 Jahre, Rottweil) "Kaum aus dem Sommerurlaub zurück, gibt es schon die ersten Lebkuchen. Ich unterstütze das nicht. Weihnachtsgebäck kaufe ich erst Ende November ein. Ich backe außerdem selber."

Kommentar: Zu früh!

Von Patrick Merk

Bahlsen backt Lebkuchen und Spekulatius bei 30 Grad im Schatten – diese Nachricht hat auch Rottweil erreicht, denn die ersten Lebkuchen im Supermarkt wurden schon gesichtet. 7413 Tonnen "Herbstgebäck" hat Bahlsen schon für den Handel produziert. Eine beachtliche Menge. Eine Umfrage in der Fußgängerzone zeigt, dass viele potenzielle Käufer den Zeitpunkt für Lebkuchen als zu früh erachten. Sommer und Lebkuchen, das geht für viele nicht zusammen. Dahinter steckt ein Trend: alles soll jederzeit verfügbar sein. Lebkuchen im Sommer, Erdbeeren im Winter, Eier in der Fastenzeit. Zurecht weist der Pfarrer darauf hin, dass in der christlichen Tradition bestimmte Zeiten eingehalten werden sollten. Wenn Lebkuchen jederzeit verfügbar sind, verlieren sie ihren Reiz.