Foto: Schwarzwälder Bote

Von Patrick Merk

Rottweil - Beten, meditieren, Gemeinschaft erleben, mit Gott reden – an welchen Orten ist das in Rottweil möglich? Welche ungewöhnlichen Glaubensorte gibt es in der Stadt? Diesen Fragen spürt unsere Serie "Glaubensorte" nach.

Bald beginnt die Adventszeit, in der sich Christen auf die Ankunft von Jesus vorbereiten. Es ist eine Zeit, in der nicht nur Christen verstärkt Orte des Glaubens aufsuchen.

Glauben bedeutet laut Brockhaus das Fürwahrhalten von Tatsachen, die sich nicht methodisch belegen lassen. Es bezeichnet das Vertrauen auf etwas Unsichtbares. Dazu gehören Praktiken wie beten, meditieren oder Gottesdienste. Menschen haben Orte, an denen sie das praktizieren.

"Kirchen werden immer mehr unter dem Aspekt der Architektur, der Baugeschichte oder als Museen besichtigt und betrachtet. Viele Menschen sind sich nicht mehr der Bedeutung als Ort der Gegenwart Gottes bewusst", meint Pfarrvikar Jürgen Rieger (Heilig-Kreuz-Gemeinde).

Für eine Frau aus Rottweil ist ein Wegkreuz zwischen Lauffen und Deißlingen ihr Glaubensort, an dem sie inne hält und betet. Für andere sind die katholischen und evangelischen Kirchen noch ganz traditionelle Glaubensorte (siehe Umfrage). Und dann gibt es auch Atheisten (verneinen Gott), die abwinken und sagen, dass sie mit der Kirche und deren Bodenpersonal nichts am Hut hätten. Andere glauben zwar, suchen dafür aber nicht Kirchen auf. Eine katholische Passantin sagt, sie habe sich der Wissenschaft verschrieben und finde, die Kirche sei noch im Mittelalter.

Die Menschen, die einen Glaubensort haben, begegnen Gott an ganz verschiedenen Orten in Rottweil. Und der Gott, dem sie begegnen wollen, heißt auch jeweils anders: Gott, Jesus, Allah oder Jahwe. Ihnen gemeinsam ist die Sehnsucht nach einem Ort, wo sie sich und Gott begegnen, um Oasen im Alltag zu finden und Kraft zu tanken.

Eine Auswahl von Glaubensorten in Rottweil (siehe Karte): eine Moschee, eine Synagoge, ein Meditationsraum in einer Kirche, eine evangelische Gemeinde in Firmenräumen. Wir unternehmen Ausflüge an Orte, wo die Weltreligionen zu Hause sind, und nehmen Teil an der Erfahrung, Gott zu begegnen – auch im Kleinen.

Als Gast in der Synagoge

Wir erkunden die Synagoge in Rottweil und deren Gemeindeleben und sprechen mit Tatjana Malafy, der Geschäftsführerin, über die Rottweiler Synagoge. Dort treffen sich Menschen zum Beten, Lernen und gemeinsamen Essen. Wir nehmen am Kabbalat Schabbat-Gebet am Freitagabend teil und erfahren, wie so eine jüdische Feier eigentlich abläuft.

Zen-Meditation

Wir lassen uns in die Zen-Meditation von dem Theologen und Lehrer Gerd Lassak-Baumann einführen, der die Kapellenkirche zum Begegnungsort mit Gott macht. Regelmäßig treffen sich dort Menschen, um in der Stille Gott zu begegnen und wieder Kraft für den Alltag zu tanken. Die Meditation ist ein sehr spiritueller Weg, um dem Göttlichen zu begegnen.

Islamisches Freitagsgebet

Wir besuchen das islamische Freitagsgebet in der Moschee und sprechen mit Mustafa Keskinsoy, dem Vorsitzenden der türkisch-islamischen Gemeinde (Ditib), und dem Imam über das wichtigste Gebet für Muslime weltweit. Weil der Platz im Gebetsraum vor allem freitags knapp wird, ist die Ditib-Gemeinde auf der Suche nach einem neuen Gebäude. Keskinsoy träumt von einer großen repräsentativen Moschee für die Muslime in Rottweil.

Eine katholische Familie

Die Familie ist ein traditioneller Glaubensort. Die fünfköpfige Familie Burkard aus Göllsdorf ist im christlichen Glauben verwurzelt und praktiziert ihn auch. Wir wollen wissen, was sie bewegt, was für sie einen Glaubensort ausmacht. Wir sprechen auch mit der Gemeindereferentin von Göllsdorf, Karin Baumann, über ihre Tätigkeit in einer ganz "normalen" katholischen Gemeinde.

Umfrage:

Mögliche Orte des Glaubens gibt es in Rottweil viele: Kreuzwege, Kapellen, Kirchen, Gebetshäuser. Wir haben Menschen auf der Straße angesprochen und wollten wissen, was ihr persönlicher Glaubensort ist. Dabei zeigt sich, dass es noch Menschen gibt, die sagen, dass die Kirche ihr Ort der Besinnung und des Glaubens sei. Aber auch überraschende und weniger prominente Orte des Glaubens wurden genannt.

Alfred Seifriz (62 Jahre, Rottweil)

Meine Glaubensorte sind das Münster und die Kapellenkirche. Auch unter der Woche gehe ich dorthin, um zu beten und um einen kleinen Impuls zu bekommen. Die Kirchen sind für mich eine Oase der Ruhe und Einkehr.

Norbert König-Weih (55 Jahre, Rottweil)

Glaubensort ist für mich das Schwarze Tor am Fasnetsmontag. Wenn der Narrenmarsch spielt, kullern bei mir die Tränen. Da geht etwas für mich in Erfüllung, woran ich glaube. Ansonsten ist die Natur für mich ein Glaubensort.

Peter Hugger (68 Jahre, Rottweil)

Das Heilig-Kreuz-Münster und die Kapellenkirche sind meine Glaubensorte, ich bin in der Gemeinde involviert. Besonders gerne besinne ich mich vor der Judas-Thaddäus-Kapelle. Dort werde ich still und andächtig.

Rolf (79 Jahre) und Irmhild Hermann (80 Jahre, Rottweil)

Für uns ist die Predigerkirche unser Glaubensort. An Sonn- und Feiertagen gehen wir dorthin, aber auch manchmal unter der Woche. Die besondere Geschichte der Kirche fasziniert uns, es ist keine typisch evangelische Kirche.

Verena Gaiffi (66 Jahre, Rottweil)

Für mich ist das die Natur in der Rottweiler Umgebung, vor allem der Wald und die Felder. Dort kann ich auftanken und dankbar sein, dass ich alles habe und so ein tolles Leben. Das ist mein Kraft- und Glaubensort.