Die Folgen der Stürme "Sabine" und "Bianca" sind nach wie vor präsent. Foto: Häberle

Sturmholzaufarbeitung hat Priorität. Keine gemeinsamen Vesperpausen wegen Corona-Lage.

Rottweil - Während viele Büroarbeiter ins Homeoffice gewechselt sind, sind die Forstarbeiter Tag für Tag im Wald im Einsatz. Das große Aufräumen läuft auf Hochtouren. Denn im Kampf gegen den Borkenkäfer darf man keine Zeit verlieren. Erschwert wird die Lage durch Sturmfolgen und die Corona-Krise.

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Die Auswirkungen der Stürme "Sabine" und "Bianca" sind erheblich und im Wald immer noch spürbar. Sie müssen nun aufwendig beseitigt werden. "Mit geschätzten 5000 Festmetern Sturmholz dürfte im Revier Rottweil etwa die Hälfte eines planmäßigen Jahreshiebsatzes angefallen sein", erklärt Hans-Joachim Häberle, der Leiter des Forstreviers Rottweil. "Zum Vergleich: 'Lothar' hat dem städtischen Forstbetrieb etwa einen sechsfachen Jahreshiebsatz beschert", erläutert er weiter.

Häberle macht klar: Auch wenn die Sturmholzmengen noch überschaubar seien, dürfte die Aufarbeitung bis Anfang Juni dauern. "Die Auswirkungen der Folgeschäden werden noch länger anhalten", ist er überzeugt.

Spaziergänge im Wald seien derzeit aber sicher - solange man die Waldwege nicht verlässt, sagt der Revierleiter. "Abseits der Waldwege besteht nach wie vor ein erhebliches Gefahrenpotenzial, sofern die Sturmholzaufarbeitung noch nicht abgeschlossen ist", fügt Häberle hinzu.

Was die Situation mit dem Borkenkäfer angehe, seien Prognosen schwierig, gibt der Revierleiter zu. "Sollte sich aber die Wettertendenz so fortsetzen, dürften wir wohl kaum 'nur mit einem blauen Auge davonkommen'. Die anhaltend warmen Temperaturen haben die Borkenkäfer frühzeitig aus ihrer Winterpause erwachen lassen. Auch wenn der erste Hauptschwärmflug bei uns noch nicht stattgefunden hat, ist die 'Vorhut' schon bemerkenswert aktiv", so Häberle.

Forstarbeiter kämpfen um Abflachung der Kurve

Die aktuellen Rahmenbedingungen seien tendenziell ungünstig: "Die letzten beiden extrem warmen und trockenen Sommer haben die Käferpopulation drastisch anwachsen lassen, gleichzeitig sind die Widerstandskräfte der Bäume durch Trockenheitsschäden geschwächt."

Häberle erklärt, dass eine Massenvermehrung der Borkenkäfer ihren Ursprung gewöhnlich in einem großen Sturmereignis hat. Wenn die Sturmholzmengen dann nicht rechtzeitig aufgearbeitet werden können, hat der Borkenkäfer in den gebrochenen Sturmhölzern leichtes Spiel.

"Unser aktuelles Problem ist, dass wir zu Beginn des Sturmholzaufkommens schon eine überhöhte Population verzeichnen müssen. ›Exponentielles Wachstum‹ ist im Moment im Zusammenhang mit dem Coronavirus in aller Munde. Die Borkenkäferproblematik wird ebenfalls durch das exponentielle Wachstumspotenzial der Käfer maßgeblich beeinflusst", erläutert Häberle.

Er verdeutlicht die Entwicklung an einem Beispiel: "Eine vom Sturm abgebrochene stärkere Fichte wird Anfang Mai vom Buchdrucker befallen. Sieben, acht Wochen später, wahrscheinlich in der zweiten Juni-Hälfte, startet die erste Nachwuchsgeneration aus ›unserer Sturmfichte‹. Sie hat sich so stark vermehrt, dass weitere 20 Fichten befallen werden können. In der heißen Sommerphase verkürzt sich die Entwicklungszeit der nächsten Generation, das heißt, nach bereits fünf, sechs Wochen startet dann die sogenannte zweite Generation, die nun so mächtig ist, dass sie weitere 400 Bäume befallen kann. Bleibt der Sommer anhaltend warm und trocken, kann es zur gefürchteten dritten Generation kommen. Ist dieses grundsätzliche Wachstumspotenzial nicht gebremst worden, schießt die exponentielle Kurve durch die Decke."

Es könnten dann so bis zu 8000 Fichten befallen werden – ausgehend von der einen Sturmwurffichte im Frühjahr.

Gleich wie beim Coronavirus kämpfen die forstlich Verantwortlichen laut Häberle um die Abflachung der Wachstumskurve. "Die Sturmholzaufarbeitung hat deswegen in den nächsten Wochen oberste Priorität", betont er.

Sägewerke reduzieren ihre Kapazitäten

Die Situation rund ums Coronavirus beeinflusst auch die Arbeitseinsätze im Wald. "Abstandsregeln müssen eingehalten werden, es gibt keine gemeinsamen Vesperpausen im Waldarbeiterwagen, und Fahrgemeinschaften werden so gut es geht gemieden", schildert der Revierleiter. Das lasse sich aber alles mit vertretbarem Aufwand regeln, betont er.

Allerdings steuere ein weiteres dramatisches Problem auf den Forst zu. Das befallene Holz muss möglichst schnell in die Sägewerke - das Virus lege aber diesen Wirtschaftszweig nahezu lahm. "Die Sägewerkskapazitäten sind stark zurückgefahren. Die aufgearbeiteten Hölzer dürften sich nun eine längere Zeit im Wald 'stauen'", erklärt Häberle.

Seine Prognose: Die Holzpreise werden durch die nachlassende Nachfrage noch weiter unter Druck geraten. Der Wald werde für den Waldbesitzer zumindest vorübergehend zur finanziellen Hypothek.

Der Revierleiter versichert aber: "Wir werden alles Vernünftige versuchen, um die Borkenkäferkalamität einzudämmen." Mitentscheidend werde der Witterungsverlauf sein. Optimal wäre für den Wald ein wechselhafter, möglichst verregneter Sommer.