Prozess: Wer schlug wen? / Zeuge widerspricht sich

Rottweil. Wer ging auf wen los? Wer teilte aus, wer steckte ein? Wer hat wen zuerst beleidigt? Wer hat überhaupt etwas gesehen? Die Beantwortung dieser Fragen gestaltete sich in einem Prozess vor dem Amtsgericht Rottweil schwierig. Am Ende war der Sachverhalt nicht endgültig zu klären. So blieb dem Gericht nichts anderes übrig, als das Verfahren einzustellen.

Wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung musste sich jetzt ein Pärchen vor dem Amtsgericht verantworten. Aber es holperte von Anfang an. Die Verhandlung begann schon damit, dass die Angeklagten ohne ihren Anwalt erschienen, und die Sache selbst in die Hand nahmen. Auch der Geschädigte tauchte nicht zur Verhandlung auf. Er war unauffindbar. Was nicht weiter verwunderlich war, da der Tatort die Spittelmühle in Rottweil war, eine Einrichtung für Wohnsitzlose. Und da war er rausgeflogen. Schlechte Startbedingungen also für die Wahrheitsfindung.

Was war geschehen? Der Angeklagte habe im vergangenen August mit mehreren Personen, darunter der mutmaßlich Geschädigte, unter freiem Himmel im Hof der Spittelmühle Brettspiele gespielt, berichtete seine Freundin, die neben ihm auf der Anklagebank saß. Die beiden Angeklagten und der Geschädigte seien stark alkoholisiert gewesen.

Alle Beteiligten zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisiert

Sie habe vom Fenster ihres Zimmers gesehen, wie der Geschädigte auf ihren Freund "losgegangen" sei. Er habe diesen gepackt und geschlagen. Sie sei deshalb hinunter gelaufen, um ihrem Freund beizustehen. Der Geschädigte habe daraufhin auch sie "anpacken wollen".

Da habe sie ihn an den Haaren gepackt und mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, um sich zu wehren, räumte sie ein. Der Freund, immerhin von großer kräftiger Statur, habe dagegen "nichts gemacht" und habe sich sogar vom Handgemenge entfernt. Vor Gericht gab er sich unschuldig. Seine Freundin habe dann die Bereitschaft alarmiert und die Polizei gerufen, die für Ruhe sorgte. Ob die Keilerei im Zusammenhang mit anderen Streitigkeiten ein paar Tage vorher standen, stritten die Angeklagten vehement ab.

Das war die eine Version der Geschehnisse.

Ein Zeuge, der mit am Tisch gesessen hatte, sollte Licht ins Dunkle bringen. Der maulfaule Mann, der bei seiner Befragung durch das Gericht nicht einen Satz vollständig zu Ende brachte, bestätigte zunächst die Version der Angeklagten. Dumm war dabei allerdings, dass er bei der Vernehmung bei der Polizei genau das Gegenteil behauptet hatte. Die Richterin hielt ihm das Protokoll vor, in dem er ausgesagt hatte, dass die Angeklagten dazugekommen seien und sofort einen Streit begonnen hätten. Hartnäckiges Nachhaken der Richterin brachten den Fall der Wahrheit allerdings nicht entscheidend näher. Eine weitere Zeugin sah wieder die Angeklagten als den aggressiven Teil der Kontrahenten. Der Angeklagte sei "reingestürmt" und habe in Richtung des Geschädigten "rumgeschrien".

Der Staatsanwalt sah schließlich wenig Sinn darin weiterzumachen. Es sei nach seinem Dafürhalten nicht damit zu rechnen, dass es noch belastbare Zeugenaussagen gebe, die den Hergang eindeutig klären könnten, stellte er fest. Er beantrage deshalb die Einstellung des Verfahrens. Nach kurzer Überlegung folgte das Gericht seinem Antrag. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.