Der erste Stempel ist im Pilgerpass: Thomas Maute beginnt seine Reise vor dem Rottweiler Heilig-Kreuz-Münster. Foto: Schickle

Thomas Maute pilgert nach Santiago. Für den Ebinger eine Reise zurück zu sich selbst.

Rottweil - Thomas Maute hat sich auf den Weg nach Santiago de Compostela gemacht. Unterwegs, auf dem Jakobsweg, will er sich selber finden.Thomas Maute hat vielleicht den Marsch seines Lebens vor sich. Begonnen hat er ihn in Rottweil, vor dem Heilig-Kreuz-Münster. Zeichen des Aufbruchs ist der erste Stempel in Mautes Pilgerpass: "Jakobusweg Rottweil". Der Pilgerpass, ein oranger Rucksack und ein dicker Stock. Viel mehr nimmt Thomas Maute nicht mit nach Santiago de Compostela.

Viel mehr besitzt der 52-Jährige auch nicht. Das vergangene Jahr hat er in der Rottweiler Spittelmühle, einem Heim für wohnungslose Menschen, verbracht. "Mich hat’s aus der Bahn geworfen", sagt der gelernte Krankenpfleger. Von seiner Frau ist er seit Jahren getrennt, dazu kommt lange Arbeitslosigkeit und ohne Arbeit keine eigene Wohnung. Sei man einmal in der Spittelmühle, sei es schwer, wieder hochzukommen. Die Einrichtung und ihre Sozialarbeiter findet er "super". "Aber vom Klientel pass ich da nicht rein."

Mit seiner Vergangenheit möchte sich Thomas Maute jedoch nicht aufhalten: "Ich möchte aus dem Sumpf raus", erklärt er. Zum Sumpf gehört eine unglückliche Frauengeschichte. Auch sie ist jetzt Vergangenheit. Jetzt blickt der Ebinger nach vorn, in Richtung Spanien.

Er wolle zeigen, dass man man auch etwas aus seinem Leben machen kann, wenn man scheinbar nichts hat. "Man braucht kein Geld, um sich zu beweisen", sagt er entschlossen. Damit begonnen hat er vorgestern Morgen. Rund 1500 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Rottweil und Santiago de Compostela in Spanien. Maute will den Jakobsweg laufen. "Ich will ganz durch, ich werd’ hinterher ein neuer Mensch sein", erhofft er sich.

Den Heiligen Abend möchte er an seinem Ziel verbringen. Wenn der Winter zu kalt und verschneit wird, muss Thomas Maute womöglich zwei Monate lang in Frankreich überwintern. Sind die Pässe gesperrt, kommt der Pilger nicht über die Pyrenäen. Dann benötigt Maute Geduld. Eines der Dinge, die er auf seiner Reise lernen möchte.

Vieles ist möglich, wenn man alleine loszieht. Erst recht ohne Geld – von ein paar Kupfermünzen abgesehen. Thomas Maute will auch zeigen, dass Geld ohnehin nicht wichtig ist. Ein Handy für den Notfall und um Kontakt zu seinem Vater und seiner 17-jährigen Tochter zu halten, zwei Ersatzunterhosen, zwei Paar Socken, eine Jeans extra, Waschzeug, zwei Pullis, genauso viele T-Shirts und Jacken sowie seinen Wanderstock ("den hab ich in Beuron gefunden"), dazu kommt noch der Schlafsack – mehr hat der 52-Jährige nicht dabei.

Die Nacht vor der großen Reise hat er auf dem Sportplatz in Göllsdorf verbracht. Kalt und feucht war es dort. "Aber ich hab kein Problem damit." Auch auf seiner Pilgerreise will er unter freiem Himmel übernachten, wenn es zu kalt ist, in Pfarrhäusern oder Herbergen. Alles weitere ergibt sich. Wie vorgestern, als er vor dem Heilig-Kreuz-Münster auf einer Bank saß. Ein Anwohner sei mit ihm ins Gespräch gekommen, habe ihn zum Frühstücken eingeladen und ihm noch ein Vesperbrot mitgegeben.

Eine große Reise hat Thomas Maute schon hinter sich: 2007 wanderte er nach Berlin. Sein 24-Tage-Marsch durch die Republik war ein Protest gegen Arbeitslosigkeit, gegen Hartz IV und die Aussichtslosigkeit, in seinem Alter wieder eine Stelle zu finden. In der Hauptstadt hat er damals Volker Kauder, den CDU-Bundestagsabgeordneten, getroffen. Der habe ihm nicht nur zwei Nächte im Hotel, sondern auch den Rückflug in die Heimat gesponsert. Auf so einer Reise ist vieles möglich.

Ins spanische Santiago wird Thomas Maute länger unterwegs sein. Über seinen Rückweg hat er sich dennoch bereits Gedanken gemacht: Per Anhalter möchte er heimkehren. Bis dahin allerdings bleibt noch viel Zeit. Und die Hoffnung auf Veränderung. "Ich will wieder zu mir selber finden."

Er wolle viel nachdenken, viel beten und sich vor allem aufs Laufen konzentrieren. Immer weiter. "Man ist befreit", sagt Thomas Maute. Auf einer Pilgerreise ist vieles möglich.