In den Tagen nach der Tat im September 2017 werden Blumen und Kuscheltiere am Tatort niedergelegt. Bei der Staatsanwaltschaft ist man noch immer mit den Geschehnissen im Vorfeld der Tat befasst. Foto: Archiv: Otto

Drazen D.: Entscheidungen stehen aus. Mutter des getöteten Jungen will Klarheit.

Rottweil/Villingendorf - Das Urteil für den Dreifachmord von Villingendorf ist im Juni gefallen: Lebenslänglich für Drazen D. Doch noch immer sind nicht alle Akten geschlossen. Die Mutter des getöteten Jungen wartet auf wichtige Entscheidungen der Staatsanwaltschaften in Rottweil und Konstanz – bislang vergeblich.

Die grausame Tat des 14. September 2017, bei der Drazen D. seinen sechsjährigen Sohn, den neuen Lebensgefährten seiner Ex-Partnerin und dessen Verwandte erschoss, und der monatelange Prozess am Landgericht Rottweil im vergangenen Jahr rücken im öffentlichen Gedächtnis langsam in den Hintergrund. Die Angehörigen, insbesondere die Mutter des getöteten Sechsjährigen, quälen jedoch weiter drängende Fragen: Hätte die Tat verhindert werden können? Hat es Versäumnisse seitens der Behörden gegeben? Und: Wird gegen die Nichte von Drazen D. wegen Beihilfe zum Mord neu ermittelt?

Es zeigt sich, dass die Beurteilung dieser Fragen bei den zuständigen Staatsanwaltschaften nicht unbedingt höchste Priorität hat. "Wir warten. Meine Mandantin hat sich schon mehrfach erkundigt, ob es endlich Neues gibt", erklärt Wido Fischer, Rechtsanwalt der jungen Mutter. Sie hatte schon während des Prozesses Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Polizei, des Jugendamts Rottweil und der Unterhaltsvorschusskasse Tuttlingen – dort soll Drazen D. die neue Adresse der Ex-Partnerin gesehen haben – gestellt. Der Racheakt von Drazen D. hätte ihrer Ansicht nach verhindert werden können, wenn die Polizei die Warnzeichen und Bedrohungen des Täters ernst genommen hätte und wenn Behörden schneller reagiert hätten.

Siehe auch: Familiendrama in Villingendorf - Chronologie der Ereignisse

Ob die Staatsanwaltschaft Rottweil hierfür Anhaltspunkte sieht oder ob das Verfahren eingestellt wird, diese Entscheidung steht weiter aus. Sprecher Frank Grundke sieht unter anderem einen Grund darin, dass – bei einer ohnehin hohen Arbeitsbelastung – Fälle mit dringlichen Fristen Vorrang hätten.

Wird Nichte angeklagt?

Die Staatsanwaltschaft Konstanz hat zu klären, ob die Nichte des Täters möglicherweise wegen Beihilfe zum Mord angeklagt wird. Im Prozess gegen Drazen D. hatte sich gezeigt, dass sie bei der Reise nach Kroatien zur Beschaffung der Waffe dabei war und über die Rachepläne des 41-Jährigen Bescheid wusste. Schon bevor Drazen D. die drei Menschen erschoss, suchte sie am Tattag im Internet nach Polizeimeldungen über Schüsse in Villingendorf. Der bereits gegen die 29-Jährige verhängte – aber noch nicht rechtskräftige – Strafbefehl wegen Nichtanzeigens einer Straftat wurde daraufhin von der Staatsanwaltschaft zurückgezogen. Man wolle den Fall prüfen und gegebenenfalls neu bewerten, hieß es. Dazu wurde das ausführliche Urteil des Landgerichts Rottweil gegen Drazen D. nach Konstanz übersandt. Doch auch wenn ein Sprecher im September versicherte, man wolle "auch im Sinne der Betroffenen" zeitnah zu einer Entscheidung kommen – getan hat sich bisher nichts.

Für die Angehörigen der Getöteten geht die Zeit des Wartens weiter. Sie wollen endlich wissen, ob die Nichte Drazen D.s weitergehend zur Rechenschaft gezogen wird. Die junge Frau war auch an der Seite des späteren Täters, als dieser seiner Ex-Partnerin im August 2017 ankündigte, dass er "kommen, und alle töten" werde. Nur sie werde er am Leben lassen.

Sie hat überlebt. Drazen D. hat die Mutter seines Sohnes verschont, um sie leiden zu lassen. Wie die 31-Jährige im Dezember im Internet schreibt, gehe es ihr nach wie vor sehr schlecht. Sie wolle das Grab ihres toten Kindes nicht verlassen.

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