Rush-Hour nachmittags in der Tempo-20-Zone auf der Hochbrücktorstraße. Foto: Otto

Zu Stoßzeiten staut sich Verkehr in Hochbrücktorstraße bis zum Landgericht. Mit Video

Rottweil - Wie eine Lawine zieht sich der Verkehr in der Hochbrücktorstraße manchmal bis zum Landgericht. Viele Autofahrer fühlen sich zu den Stoßzeiten ausgebremst. Die Stadt arbeitet derweil an einem Mobilitätskonzept.

Wie eine Umfrage unserer Online-Reporter auf dem Wochenmarkt zeigt, sind einige Bürger mit der Verkehrssituation in der Innenstadt richtig unzufrieden. So meint ein Bewohner der Innenstadt, er komme nicht mal durch die eigene Stadt. Ein anderer kritisiert, es staue sich manchmal von der Hochbrücktorstraße zurück bis zum Kreisel am Lidl. "Durch die Stadt zu kommen, ist ein Chaos", sagt einer der Befragten (siehe Video-Umfrage). Das kann jeder nachvollziehen, der in der Feierabendzeit versucht, mit dem Auto vom Friedrichsplatz kommend über die Hochbrücktorstraße zur Königstraße in Richtung Altstadt zu fahren. Im Schneckentempo geht es dort voran.

Mehr Stimmen von Bürgern gibt es im Video:

Aber nicht nur für Autofahrer, auch für Radfahrer ist die Verkehrslage in der Innenstadt, vorsichtig ausgedrückt, problematisch. Stefan Mauch, Sprecher des Arbeitskreis Radkultur, hat eine Umfrage zum Sicherheitsempfinden von Radfahrern durchgeführt (wir berichteten). Der Bereich an der Hochbrücktorstraße gehöre in die "Top 3" der kritischen Stellen in Rottweil. Der Angebotsstreifen sorge für zusätzliche Verunsicherung. Aufknallende Türen oder rangierende Autos seien ein Unsicherheitsfaktor. "Die meisten Fahrradfahrer fühlen sich unwohl", ist Mauchs Eindruck.

Aus der Sicht der Stadtverwaltung ist der Modellversuch in "Rottweil Mitte", auf einer Landesstraße eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 20 Stundenkilometern zu haben, erfolgreich. Und das auch für Radfahrer: Diese hätten sich früher, also vor der Nordumgehung, zwischen Schwerlastverkehr bei 50 Stundenkilometern behaupten müssen. Da sei die Lage ohne Lastwagen und mit Tempo 20 heute doch wesentlich sicherer. Außerdem hätten die Radfahrer einen Vorteil: Falls es sich staut, kommen Radfahrer schneller durch die Stadt als Autos, betont Stadtpressesprecher Tobias Hermann auf Anfrage unserer Zeitung.

Dem Verkehrsbericht von Fachbereichsleiter Bernd Pfaff zufolge habe sich der Verkehrsraum in der Innenstadt auch für Autos positiv etabliert. Belegt wird das durch geringe Unfallzahlen (Hermann: "Es gab noch keine schweren Verkehrsunfälle") und auch durch Geschwindigkeitsmessungen. Die Beanstandungsquote von 19 Prozent scheint zwar relativ hoch, aber mehr als 73 Prozent davon liegen unterhalb des Bereichs von zehn Stundenkilometern Überschreitung.

Ein Blick in die Geschichte des Verkehrsbereichs in der Innenstadt zeigt, dass früher keineswegs alles besser war. Die Stadt litt lange Zeit unter einer deutlich höheren Verkehrsbelastung in der Innenstadt. "Vor der Nordumgehung 2002 belasteten fast 26 000 Fahrzeuge inklusive Schwerlastverkehr pro Tag das Hauptstraßenkreuz", teilt Tobias Hermann mit. Zunächst sei der Schwerlastverkehr aus der Stadt verbannt und die Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometern reduziert worden. 2011 wurde dann die verkehrsberuhigte Zone eingeführt. Heute seien dort durchschnittlich mit 16 000 Fahrzeugen pro Tag deutlich weniger unterwegs.

Durchgangsverkehr Thema

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Arved Sassnick baute die Verkehrslage in der Innenstadt in seine Haushaltsrede ein. Er gehe davon aus, dass der Durchgangsverkehr aufgrund des erhöhten Touristenzustroms in Zukunft zunehme. "Die SPD möchte den Durchgangsverkehr durch Rottweils Innenstadt verringern, weil er unnötig die Luft verpestet und den Autofahrern im Stau Zeit stielt", so Sassnick. Diese seien laut Hermann aber auch darauf zurückzuführen, dass Autofahrer die vorhandenen Umfahrungsmöglichkeiten nicht konsequent nutzen.

Was könnte die Lösung sein? Die Stadt arbeite an einem Mobilitätskonzept, das der Gemeinderat im Juli vergangenen Jahres in Auftrag gegeben hat. Die Planungsgrundlagen hierfür werden derzeit erarbeitet, so Tobias Hermann.

Stefan Mauch fordert einen klar gekennzeichneten eigenen Streifen für Radfahrer und sähe die Innenstadt für Autos am liebsten komplett gesperrt – so wie in anderen Städten auch. Oder zumindest eine Einbahnstraße. Dieser Forderung schließen sich auch manche Befragte auf dem Wochenmarkt an. Sie sind teilweise dafür, den Verkehr ganz aus der historischen Innenstadt herauszuhalten. Dass es aus dem Stegreif heraus keine Lösung gebe, die Innenstadt vom Autoverkehr zu befreien, ist ihnen aber bewusst.

Kommentar: Miteinander

Von Patrick Merk

Dass die Ära des Autos keineswegs vorbei ist, zeigt sich in der Rush-Hour in der Hochbrücktorstraße. Staus in der Feierabendzeit, die sich bis zum Landgericht ziehen, verunsicherte Fahrradfahrer wie in einer Großstadt – und das im beschaulichen Rottweil. Dieser Verkehr ist hausgemacht: Denn es sind nicht die Touristen, die unter der Woche in der 20er-Zone unterwegs sind.

Das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder wird den Einwohnern aber auch nicht gerade erleichtert. Vor allem Fahrradfahrer fühlen sich trotz des gedrosselten Tempos und des Angebotsstreifens unwohl.

Die Qualität des Radverkehrsnetzes ist, das belegt auch eine Umfrage, zu gering. Es ist also höchste Zeit, das Miteinander von Fahrradfahrern, Autofahrern und Fußgängern zu verbessern. Dabei muss die Verwaltung die Motive aller Beteiligten im Blick behalten.