Atomschutzbunker unter dem Rottweiler ABG sollte im Krisenfall der Landesregierung Platz bieten. Pläne im Verborgenen.
Rottweil - Das Geheimnis wurde schon vor 20 Jahren gelüftet: Unter dem ehemaligen Staatlichen Aufbaugymnasium (ABG) liegt ein Bunker aus den Zeiten des Kalten Kriegs. Doch scheint er inzwischen vergessen – selbst die Behörden wühlen im Dunkeln.
Die Recherche ist spannend, aber auch mühselig. Die einst streng geheimen Dokumente liegen ebenso im Verborgenen wie der einst streng geheime Unterschlupf. Das Areal, auf dem sich der Bunker befindet, gehört dem Land Baden-Württemberg – verwaltet vom Amt Vermögen und Bau. Aber die Nachfrage läuft ins Leere. Die Bemühungen bei der Spurensuche sind zwar durchweg lobenswert, mehr noch, die Mitarbeiter von Vermögen und Bau sind selbst neugierig. Aber obwohl in deren Archiv jedes Blatt gewendet und gedreht wird, kommen nur die nicht allzu aufschlussreichen Werkpläne zu Tage.
Auch im Rathaus ist kein einziger Hinweis zu finden. Dem ehemaligen Stadtarchivar Winfried Hecht ist die Existenz des Bunkers völlig unbekannt. Von Landessache ist in der Stadtverwaltung die Rede, die Stadt sei damals in die Pläne nicht eingeweiht worden. Damals, das war 1967. Die Zeit des Kalten Krieges. Wie die Bundesregierung suchte auch die Landesregierung nach einem atombombensicheren Fluchtort. Fündig wurde sie in Rottweil, weil das Land zu diesem Zeitpunkt gerade das Internat zu seinem Gymnasium (ABG) baute. So stand es im Schwarzwälder Boten vor 20 Jahren, als der Bunker entdeckt wurde.
Unterschlupf für vier Wochen
Im internationalen Krisenfall wäre die Landesregierung in die Räume des ABG eingezogen, um die zivilen Geschäfte von Rottweil aus weiterführen zu können. Der Bunker als dazugehöriger Schutzraum sollte im Fall unmittelbarer Bedrohung bezogen werden. Vier Wochen lang hätte die Landesregierung hier im Ernstfall Unterschlupf gefunden.
Josef Schwaibold war damals Fernmeldereferent der Behördenorganisation mit Sicherheitsaufgaben, als das Regierungspräsidium noch seinen Sitz in Tübingen innehatte. Zweimal in der Woche reiste Schwaibold nach Rottweil, um nach dem Rechten zu sehen. Eine Luxusherberge sei es nicht, wird er damals zitiert. Bis zu 200 Schlafplätze sollten in den fünf Blocks auf engstem Raum verteilt gewesen sein. Das Bett des damaligen Ministerpräsident Hans Filbinger sei ein Stahlrohrgestell mit Segeltuchbespannung auf drei Etagen. Die Verbindungen der einzelnen Komplexe waren durch Stahl-Drucktüren gesichert, und neben den Betten umfasste der Bunker Arbeitsplätze und Toiletten.
Die Technik indes war deutlich aufwendiger. Im Bunker befanden sich eine Notstromversorgung, eine Belüftungsanlage, eine ABC-Messstelle, Funkzentrale und Telefonanlage. Allerdings mussten die Gespräche von Hand vermittelt werden, weil elektronische Teile nach einem Atombomben-Abwurf schnell unbrauchbar werden würden.
Indes, schon 1975 nahm die Landesregierung Abstand von ihrem Vorhaben in Rottweil. Der Bunker erschien zu klein. Irgendwo im Land wurde ein größerer gebaut, und der Bunker beim ABG wurde dem Regierungspräsidium Tübingen zugewiesen. Mit Bussen reisten die Beamten damals an, um einen Tag unter der Erde zu arbeiten.
"Vor allem ältere Mitarbeiter, die Probleme mit Herz und Kreislauf haben, bekamen schon nach zwei, drei Stunden einen Koller", fasste Schwaibold das Ergebnis dieser Probe zusammen. Damals wussten nur wenige Menschen in Rottweil Bescheid. Handwerker und eine Reinemachfrau, die Sicherheitsprüfungen unterzogen wurden, die Leiterin des ABG, der Chef des damaligen Staatlichen Liegenschaftsamtes, heute Amt Vermögen und Bau, und der jeweilige Polizeichef.
1992 kamen die Rottweiler dem Bunker auf die Spur, doch bis heute ist er geheimnisumwittert. Selbst die Finanzbehörde, die inzwischen das ABG-Gebäude nutzt, tappt im Dunkeln. "Ich kenne noch nicht einmal den Weg hinunter zum Bunker", bekennt der Leiter Gerolf Reis.
Ergebnislos blieb auch die Recherche im Regierungspräsidium Freiburg. Zwar wurde auch dort nach den Unterlagen gefahndet und entsprechende Behörden zu Rate gezogen, doch, nach Auskunft von Pressereferent Matthias Henrich, ohne Erfolg. Sicher war man sich indes, dass entsprechende Unterlagen als Verschlusssachen deklariert wären. Verblüffend insofern, da eine Geheimhaltung heute nicht mehr nachvollziehbar erscheint, und selbst der Regierungsbunker inzwischen zum Museum umfunktioniert ist.