Neubau in exponierter Lage: Das derzeit noch eingerüstete Zwölf-Familien-Haus auf dem Hegneberg sorgt für Wirbel. Foto: Otto

Vor allem für rechte Lager bietet Rottweiler Projekt willkommenes Futter. Mit Kommentar

Rottweil - Die Stadt Rottweil macht wieder einmal bundesweit Schlagzeilen: diesmal nicht wegen Turm, Gefängnis oder Hängebrücke – sondern wegen dem Bau eines Zwölf-Familien-Hauses. Das ist im Rahmen eines Förderprogramms für Flüchtlinge entstanden – und bietet jetzt willkommenes Futter für einschlägige Foren im Internet.

Wenn Peter Hauser von der Stadtbau Rottweil gewusst hätte, was er sich da einbrockt, hätte er die Fördermittel womöglich sausen lassen: Intention war, auf einem städtischen Grundstück auf dem Hegneberg neue Wohnungen zu schaffen, und zur Finanzierung ein Förderprogramm des Landes zu nutzen. Das Ministerium schießt immerhin 25 Prozent zu – bei einem Bau für 2,1 Millionen Euro ein Batzen Geld. Das Förderprogramm "Wohnraum für Flüchtlinge" schreibt allerdings vor, dass die Wohnungen zehn Jahre lang Flüchtlingen mit Bleiberecht und anerkannten Asylbewerbern vorbehalten sind.

Ein Umstand, der schon bei der Vorstellung der Pläne auf viel Unmut stieß – vor allem, so hieß es in zahlreichen Beiträgen im Internet, angesichts des insgesamt herrschenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum.

Der Bau wurde inzwischen in die Höhe gezogen – und zieht jetzt auch bundesweit Kreise: Grund ist der Besuch des Gemeinderats auf der Baustelle (wir berichteten), bei dem auch von "Fußbodenheizung" und "Tiefgarage" die Rede war. Verschiedene Internetplattformen machten aus diesen Informationen flugs einen "Luxusneubau für Flüchtlinge". Diese Stoßrichtung verbreitete sich in Windeseile – und animierte letztlich auch AfD-Größen in Berlin zu erbosten Kommentaren. Im Rottweiler Rathaus sah man sich mit "unzähligen Mails aus ganz Deutschland" und zahlreichen Anrufen wütender Bürger konfrontiert.

Angesichts der zum Teil ausufernden Internet-Hetze hat sich Ende April auch das Recherchezentrum "correctiv.org" des Themas angenommen und stellt abschließend fest: "In Rottweil entstehen keine Luxusunterkünfte."

Die Stadt hat zu den im Fokus stehenden Aspekten des Projekts Stellung genommen:

Wohnungsmarkt: Die Stadt betont auf Nachfrage, dass schon jetzt ein ausgewogener Wohnungsmarkt garantiert sei und verweist auf den Bau eines Neun-Familien-Hauses im Birkenweg und den geplanten Bau eines weiteren 15- bis 18-Familien-Wohnhauses auf der Spitalhöhe – zwei Projekte, die allen Wohnungssuchenden offen stehen.

Mieter: Im Neubau auf dem Hegneberg sollen insbesondere Familien mit Kindern unterkommen, eine Vermietung an Einzelpersonen oder Wohngemeinschaften wird ausgeschlossen.

Ausstattung: Die Fußbodenheizungen seien nicht etwa ein Luxuselement. Vielmehr würden die Kosten sinken, weil so der KfW-Effizienzhaus-Standard erfüllt werden könne. Damit sei ein zinsgünstiges Darlehen und ein Tilgungszuschuss verbunden. Zum Bau der Tiefgarage sei man gezwungen, da das Bauplanungsrecht die Zahl der Stellplätze vorschreibt. Außerdem müssten die Wohnungen nach Ablauf der Belegungsbindung marktfähig sein.

Hausmeister: So wie für alle anderen Wohngebäude der Stadtbau Rottweil werde es auch für das Haus in der Überlinger Straße einen Hausmeister geben, der sich ausschließlich um das Gebäude kümmert.

Mietpreis: Im Rahmen der Förderung sei man verpflichtet, in den ersten zehn Jahren einen reduzierten Mietpreis zu verlangen (5,57 Euro pro Quadratmeter). Der Preis dürfe die "Kosten der Unterkunft" gemäß Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitssuchende, nicht übersteigen.

Unberührt vom Wirbel im Netz gehen die Arbeiten auf dem Hegneberg weiter. Der ursprünglich für Ende Juni vorgesehene Einzugstermin verschiebt sich laut Auskunft von Peter Hauser allerdings.

Info: Förderprogramm "Wohnraum für Flüchtlinge"

Das Rottweiler Neubauprojekt ist eines von vielen. Unsere Nachfrage beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau ergibt, dass im Zuge des Förderprogramms 458 Bewilligungen durch die L-Bank erteilt wurden. Die Höhe der bewilligten Mittel beträgt rund 118,45 Millionen Euro. Für das Programm wurden 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Zu den Negativschlagzeilen heißt es vom Ministerium: "Die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen ist eine Pflichtaufgabe der Gemeinden. Aus Sicht des Ministeriums hat das Förderprogramm die Kommunen zielgerichtet bei dieser Aufgabe unterstützt." Die Förderung verfolge außerdem einen integrativen Ansatz. Die einzuhaltenden zehn Quadratmeter Wohnfläche je Flüchtling entsprechen einem einfachen Wohnstandard, der Voraussetzung für eine Integration der Flüchtlinge ist. Das Programm fordere keine Baustandards, die über das geltende Recht hinausgehen. Es wurden sämtliche Bauweisen gefördert.

Darüber hinaus sei die Förderung flexibel kombinierbar. Die Gemeinden hätten als Förderempfänger die Möglichkeit, den für die Anschlussunterbringung geförderten Wohnraum mit frei finanziertem Wohnraum sowie sozialem Mietwohnraum zu kombinieren. So könne eine durchmischte Haus- und Quartiersstruktur erreicht werden.

Kommentar: Ungeschickt

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Dieser Spruch trifft auf das Neubauprojekt für Flüchtlinge auf dem Hegneberg zu. Die Stadt meint es gut, will Flüchtlingen mit Bleiberecht und anerkannten Asylbewerbern pflichtgemäß Wohnraum bieten und – langfristig gesehen – für Rottweil neue Wohnungen schaffen.

Das Ministerium meint es gut und legt ein Förderprogramm auf, das Neubauten für Flüchtlinge mit einer kräftigen Finanzspritze unterstützt. So entstehen zwölf nagelneue Wohnungen, die nicht auf dem freien Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen.

Dass das vielen Bürgern angesichts des ohnehin knappen bezahlbaren Wohnraums sauer aufstößt, hätte man sich denken können. Statt die Integration voranzubringen, werden so weiter Ressentiments geschürt. Da nützt dann auch ein weiterer "Neubau für alle" nichts. Sehr, sehr ungeschickt.