Schüler entfachen bei "Schule als Staat" hitzige Podiumsdiskussion mit Politikern zur Bildungspolitik am Albertus-Magnus-Gymnasium

Von Jürgen Maier

Rottweil. Gemeinschaftsschule, Wert von Schulabschlüssen, Reformen der grün-roten Landesregierung: Schüler und Politiker liefern sich bei "Schule als Staat" eine emotionale Diskussion zur Bildungspolitik.

Was ist Bildung? Fünf leere Leinwände stehen auf der Bühne im Festsaal der Gymnasien. Die Diskussionsteilnehmer sollen ihre Vorstellung von Bildung darstellen. Julian Dehnert, Vizekanzler im Staat "Cucania", wählt ein Frage- und Eurozeichen. "Wir sollten in der Bildungspolitik alles hinterfragen, und die Finanzierung ist wichtig", sagt der 21-jährige Schüler. Stefan Teufel (CDU), Landtagsabgeordneter des Wahlkreises Rottweil, zeichnet einen Schwan. Er stehe für das Abheben zu neuen Ufern, die man durch Bildung erreiche. Für Klaus Käppeler, schulpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, stehen die Kinder im Zentrum. Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Heike Hänsel, sieht Bildung als Herzenssache. Acht Symbole zeichnet Timm Kern, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion: "Bildung soll junge Menschen auf das Leben vorbereiten", meint der Horber. Sandra Boser, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, sagte krank- heitsbedingt ab. Die Diskutanten haben also ganz unterschiedliche Vorstellungen von Bildung.

Welche Positionen vertreten sie in der Bildungspolitik? Die kompetenten und schlagfertigen Moderatoren, der 17-jährige Simon Keller und der 18-jährige Jan Bollman, fordern die Politiker mit klugem und energischem (Nach-)Fragen heraus. Ihre Unverbrauchtheit entfacht eine lebhafte Diskussion, die auch Julian Dehnert mit intelligenten Beiträgen anheizt. Er lehnt die immer wieder im Mittelpunkt stehende Gemeinschaftsschule ab: "Die stärkeren Schüler werden benachteiligt, alles wird in einen Topf geschmissen", formuliert Dehnert klar. Timm Kern ist ebenfalls gegen die Gemeinschaftsschule, die seiner Meinung nach von Grün-Rot bevorzugt werde. Er tritt für eine längere Testphase mit der Gemeinschaftsschule ein als die Landesregierung vorsieht. Ihre Veränderungen in der Bildungspolitik sieht er als Revolution mit dem Schaufelradbagger. "Ich würde Reformen mit einem Spaten durchführen", sagt der 41-jährige ehemalige Lehrer.

Klaus Käppeler, Rektor der Grund- und Hauptschule Hohenstein, schüttelt bei Kerns Ausführungen mehrfach den Kopf. Er nimmt die Rolle des Korrektors ein: Die Gemeinschaftsschule werde nicht bevorzugt. Die grün-rote Bildungspolitik sei keine Revolution und es werde nur mit einem Spielzeug gearbeitet. Neben dem Duell Schüler gegen Politiker tragen Kern und Käppeler ein zweites, hitziges aus. Einig sind sie sich aber in der Bewertung von Schulabschlüssen. Kern: "Das Menschsein fängt nicht mit dem Abitur an." Käppeler: "Zukünftige Hauptschüler schämen sich – gibt es Schlimmeres?"

Wie sehen Teufel und Hänsel die Bildungspolitik? Er will die grün-rote Politik in zwei Bereichen messen: "Baden-Württemberg hat bisher die beste Schüler-Lehrer-Relation und die höchsten Ausgaben je Schüler aller Bundesländer." Sie spricht sich für die Gemeinschaftsschule aus. Bildung sei ein Grundrecht, hänge in Baden-Württemberg aber vom Geldbeutel ab.

Die Diskussion des ideologischen und emotional aufgeladenen Themas Bildungspolitik zwischen Schülern und Politikern findet auch nach 120 Minuten keinen Konsens. So ungleich die Vorstellungen von Bildung, so verschieden sind auch die Positionen zur Bildungspolitik der Schüler und Politiker.