Aus Betonblöcken ist im Testturm in 193 Metern Höhe das Pendel zusammengesetzt. Foto: Nädele Foto: Schwarzwälder-Bote

Thyssen-Krupp-Bau: Riesiges Pendel simuliert Gebäudebewegungen für Aufzugstests

Ob Burj Khalifa, One World Trade Center oder zukünftige Wolkenkratzer: Der Testturm in Rottweil kann bald das Schwingungsverhalten der höchsten Gebäude imitieren. Good vibrations – und weltweit einmalig.

Rottweil. Mit dem neu installierten Schwingungstilgersystem ist der Turm nun um eine weitere technische Finesse reicher. Einerseits werden damit die wetterbedingten Bewegungen des 246 Meter hohen Turmes ausgeglichen, zugleich können aber auch Schwingungen anderer Gebäude simuliert und damit Kosten und Zeit aufwendiger Tests reduziert werden.

Ende Januar wurde von der GERB Schwingungsisolierungen GmbH in der Turmröhre ein riesiges, von elektromagnetischen Linearmotoren gehaltenes Pendel installiert – in 193 Metern Höhe. Diese Technologie ist bereits in Hochhäusern in New York, Shanghai oder Dubai verbaut, doch in der Kombination aus aktiver und passiver Bewegung ist sie weltweit einmalig. Trotz der schlanken Bauform kann der 246 Meter hohe Testturm in Rottweil durch Wind und Wetter in Bewegung geraten, speziell durch sogenannte wirbelerregte Querschwingungen.

Das neue System stemmt der Turmbewegung eine Pendelmasse von 240 Tonnen entgegen und verhindert so, dass Besucher der Aussichtsplattform die Bewegung des Turms spüren. Der Schwingungstilger vermindert zudem die Ermüdungsbelastung des Testturms für Aufzugsinnovationen.

Wirklich bahnbrechend ist jedoch sein zweiter Zweck: Die Entwicklungsingenieure von Thyssen-Krupp Elevator (TKE) können dank des aktiven Pendels Aufzugssysteme unter realistischen Bedingungen testen. Aus diesem Grund wurde zusammen mit der Firma GERB ein Mechanismus entwickelt, um den Testturm künstlich zu realistischen Schwingungen anzuregen – auch bei Windstille. "Wir können damit die unterschiedlichsten Gebäudehöhen und Wetterbedingungen simulieren", erklärt Andreas Schierenbeck, TKE-Vorstandsvorsitzender. "Das gilt natürlich auch für Gebäude, die noch gar nicht gebaut worden sind. So können wir unsere Aufzüge bereits in der Konstruktionsphase ersten Tests unterziehen." Gerade Gebäudeschwingungen stellen eine der großen Herausforderungen in der Aufzugsentwicklung dar. Denn jede Gebäudestatik ist darauf ausgelegt, sich in geringem Maße mit dem Wind zu bewegen. Aufzugsschächte bewegen sich folglich immer mit.

Nach der Installation werden nun die Schwingungen des Turms aufgezeichnet und ausgewertet, um die Steuerung der künstlichen Anregung anzupassen. Es muss sichergestellt werden, dass das gewaltige Pendel kontrolliert schwingt und auf Bewegungen des Bauwerks abgestimmt wird. Zudem enthält das System Dämpfungselemente, die die Energie des schwingenden Pendels zerstreuen. So lassen sich die ursprünglichen Turmbewegungen von bis zu 76 Zentimeter in alle Richtungen auf unter 15 Zentimeter reduzieren.

Für eine solche künstliche Anregung verwendete die Firma GERB die gleiche Technologie, die auch bei der seillosen Technik des MULTI zum Einsatz kommt: elektromagnetische Linearmotoren. Durch die gezielte Auslenkung der Motoren kann das Pendel zu Schwingungen angeregt werden. Dazu sind angesichts der 240 Tonnen Gewicht relative kleine Kräfte von lediglich 35 Kilonewton (ungefähr das 50-fache der Kraft, die auf einen straff geschossenen Fußball einwirkt) notwendig – solange das Timing des Krafteinsatzes, ähnlich dem Schwingen auf einer Kinderschaukel, richtig ist. Bewegt sich die Masse entsprechend, zieht diese den Turm quasi hinter sich her, sodass dieser kontrolliert in Bewegung gerät.