or dem Langericht Rottweil fällt am Mittwoch das Urteil gegen einen Mann aus Russland. Foto: Schnekenburger

25-Jähriger hat Frau aus Trossingen erstochen. Prozessbeteiligte halten Plädoyers. Unterbringung in Psychiatrie?

Rottweil/Trossinge - Ein Motiv gibt es nicht, eine echte Strafe droht auch nicht. Was bleibt, ist das Unfassbare an der Tat: Am Dienstag wurden im Unterbringungsverfahren gegen einen 25-jährigen Mann vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil die Plädoyers gehalten. Der Angeklagte hatte im September eine Trossingerin erstochen, der er wohl nie zuvor begegnet war. Heute, Mittwoch, fällt das Urteil.

"Zur falschen Zeit am falschen Ort". Müsste die Oberstaatsanwältin eine Überschrift finden, um die Ereignisse vom 5. September zu beschreiben, dann würde sie diese wählen. Der Satz gelte sowohl für den Täter, als auch für das Opfer, erklärte sie in ihrem Schlussvortrag. "Die Situation ist geradezu traumatisch für die Hinterbliebenen", sagte die Anklägerin.

Sie zeichnete noch einmal das Leben des jungen Mannes aus Russland nach. Kindheit und Jugend waren problematisch gewesen, seinen ersten Suizidversuch hatte er im Alter von 13 Jahren unternommen, mit 14 nahm er bereits Drogen. Gegen seine Mutter war der junge Mann schon als Kind körperlich aggressiv geworden, in seinem Kopf hörte er Stimmen. Die Mutter habe sich um alles gekümmert, als Hauptproblem die Drogen angesehen. Aus diesem Grund war der 25-Jährige im August 2015 noch Trossingen gekommen, in eine Einrichtung zur Rehabilitation von ehemaligen Drogenabhängigen, vorwiegend aus Russland.

"Mit Gottes Hilfe" und fernab der Heimat sollten sie von ihrer Sucht geheilt werden. Eine richtige Therapie gab es nicht. "Dieser Laiengruppe" in Trossingen sei schon aufgefallen, dass der junge Mann komisch ist, sagte die Staatsanwältin. Allerdings hatte er dort nicht gesagt, dass er bereits drei Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen in der Heimat hinter sich hat und Stimmen hört.

Am Abend der Tat schlich sich der 25-Jährige mit zwei Küchenmessern davon. Im Verfahren hatte er ausgesagt, dass ihm die Stimmen gesagt hätten, er sei in Gefahr. Und: "Du musst jemanden umbringen, das ist die letzte Chance."

Ohne Motiv unerklärbar

Die Staatsanwältin zeichnete nach, dass der Angeklagte losgegangen sei, und sich beim Haus seines Opfers, offenbar ein zufälliges Ziel, hinter einer Hecke versteckt hätte. Als die Frau abends von der Arbeit in einer Bäckerei kam, attackierte er sie. Gleich zu Beginn seines Angriffs versetzte er der Frau einen tödlichen Stich ins Herz. Dennoch stach er weiter auf sein am Boden liegendes Opfer ein.

Wer ist strafrechtlich verantwortlich für die Tat? Sie sei sicherlich nicht voraussehbar gewesen für die Mitarbeiter der Trossinger Einrichtung, meinte die Staatsanwältin. Und die beiden psychiatrischen Gutachter bescheinigten ihm beide eine krankhafte seelische Störung. Der 25-Jährige habe sich zur Tatzeit in einem akuten psychotischen Zustand befunden.

Die Staatsanwältin geht deshalb von Totschlag, begangen in einem Zustand der Schuldunfähigkeit, aus. Sie plädierte für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Der Anwalt der Opfer-Familie befürwortete dies ebenfalls. Er betonte zugleich, wie unfassbar die Tat für seine Mandanten sei. Das liege auch daran, dass es keinen Grund dafür gegeben habe. "Eine Tat wird nicht besser durch ein Motiv. Aber es macht die Tat erklärbarer." Schwierig sei zudem, dass der Täter nicht bestraft werde, sondern eben untergebracht.

Für die Unterbringung sprach sich auch der Verteidiger aus. "Verbunden mit der Hoffnung, dass zumindest eine gewisse Gesundung eintreten kann." Wie lange dies dauert, sei ungewiss.

Das letzte Wort hatte gestern der Angeklagte: "Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, dann würde ich diese Frau nicht umbringen."