Am Anfang gaben die Läufer noch Gas. Foto: Ralf Graner Photodesign

Rund 700 Läufer bringen 1390 Stufen hinter sich. Feuerwehren laufen in voller Montur. Mit Videos

Rottweil - Ein prüfender Blick nach oben, Schweißperlen auf der Stirn. Der Läufer visiert das Ziel an, ehe der Startschuss ertönt und das Adrenalin ihn vorwärts treibt. Auf ihn wartet die vermutlich härteste sportliche Prüfung seit langem: 1390 Stufen und 232 Höhenmeter beim Towerrun.

Laute Musik schallt über den Parkplatz, einige Läufer albern mit ihren angereisten Fans herum und fotografieren den Testturm, andere sind ganz fokussiert, dehnen die Muskeln und prüfen fachmännisch, ob ihre Startnummer richtig sitzt. Und auch wenn manche es zu verbergen versuchen, haben sie alle doch eins gemeinsam: die Anspannung vor der Herausforderung, der sich rund 700 Läufer am Thyssenkrupp-Testturm gestellt haben.

Auch bei der Feuerwehr in Rottweil herrscht allgemeine Unruhe. "Die Frage nach der Zeit stellen wir uns nicht. Ankommen ist alles", stellt Simon Rebmann mit Blick auf den Turm klar. Die Feuerwehr-Elite mit Atemschutz startet an diesem Morgen zuerst. Die 20 Kilogramm schwere Ausrüstung ist nichts gegen die tonnenschwere Anspannung bei den Männern. "Angst haben wir keine, aber gesunden Respekt", meint Benjamin Sigrist, bevor er seinen Helm aufsetzt.

Der Countdown läuft bereits, der Moderator witzelt über die Anfeuerungsrufe der Rottweiler Feuerwehr-Fans, doch die Männer, die in sechs Zweier-Teams antreten, bekommen davon kaum mehr etwas mit. Die Kameraden schließen gegenseitig den Atemschutz an, testen ihn und machen sich bereit.

Als das Startsignal ertönt, versuchen sie, Meter zu machen. Zuerst geht es vom gleißenden Sonnenlicht in einen abgedunkelten Tunnel, an dessen Seite Aufzugsysteme getestet werden. Ein Mitarbeiter des Orga-Teams leitet sie durch Zurufe ins Treppenhaus, damit die Läufer keine wertvollen Sekunden verschwenden. Dann gibt es nur noch die vielen Stufen, die zwischen den Läufern und ihrem Ziel stehen. Und die knapp 1900 Liter Luft, die ihnen zur Verfügung stehen. "Es ist ein Lauf gegen die Luft", meint Feuerwehr-Pressesprecher Mathias Woywod.

Während die Männer Stufe um Stufe erklimmen, sind schon die nächsten Starter auf dem Turmgelände eingetroffen, manche mit weiter Anreise, etwa aus Hamburg, andere aus dem nahen Umkreis. Vertreten sind unter anderem die Epfendorfer und Irslinger Feuerwehren, die ohne Atemschutz starten, der TSV Göllsdorf und der Lauftreff des VfB Bösingen. Einzelläufer Raphael Banholzer vom VfB Bösingen, der mit gut zehn Läufern an den Start geht, ist guter Dinge. Er und seine Laufkollegen haben unter anderem am Lembergturm für den Event trainiert.

Ob das helfen wird? Nach dem Treppenlauf fühle man sich schlechter als nach einem Marathon, verrät Thyssenkrupp-Elevator-Vorstandsvorsitzender Andreas Schierenbeck. Am Ende kann Banholzer strahlen. Mit einer Zeit von 9:44 Minuten im Einzel-Lauf belegt der Bösinger den 17. Platz von 311 Startern. Sein größtes Problem beim Lauf: die trockene Luft im Treppenhaus.

Mittlerweile sind die ersten Feuerwehrmänner oben angekommen und werden von Ersthelfern empfangen. Auch der Rottweiler Stadtbrandmeister Frank Müller wartet auf die Kameraden. Er ist nicht nur zum Anfeuern gekommen, sondern hilft den eintreffenden Männern aus ihrer schweren Ausrüstung. "Wir können die erschöpften Läufer mit wenigen Handgriffen schnell von der Last befreien", erklärt er, beinahe übertönt vom Pfeifsignal der leeren Atemluftflaschen.

Gut 2,5 Liter Wasser verliere ein Läufer auf dem Weg nach oben, heißt es von einem Sanitäter. Das ist den Männern, die nach ihrem Aufstieg völlig erschöpft auf den bereitgelegten Matten zusammenbrechen, deutlich anzusehen. "Ich brauche eine Wiederbelebung", keucht Ewald Alf, mit 63 Jahren der älteste Rottweiler Feuerwehr-Starter.

Schweißüberströmt sind auch die "Firehawks" Michael Harteker und Martin Prinz, doch sie haben ein ebenso breites Grinsen auf dem Gesicht. Mit einer Zeit von 19:30 Minuten belegen die Göllsdorfer als Beste in der Rottweiler Gruppe den neunten Platz von 64 Atemschutz-Teams. "Die letzten 80 Meter waren schlimm, aber das Training hat sich ausgezahlt", meint Prinz. Besonders stolz ist das Team, dass es den Weg mit einer Atemluft-Flasche geschafft hat. "Da wäre sogar noch Luft für gut 40 Meter drin gewesen." Was sich bei den Feuerwehrmännern trotz ihres Zusatzgepäcks zeigt, ist die schnelle Regenerationszeit. "Da merkt man, wie gut sie trainiert sind", sagt Frank Müller.

Die Aufzugfahrt geht deutlich schneller

Die Männer, die die 1390 Stufen mühsam erklommen haben, genießen nach dem Ausblick auf der Plattform die zügige Aufzugfahrt nach unten, während andere den harten Weg nach oben noch vor sich haben, darunter beispielsweise Verteter der Polizei, drei davon in voller Montur, Schlagstock, Waffe, Schienbeinschützer und Helm inklusive.

Auch die acht Läufer des Schwarzwälder-Bote-Teams sind eingetroffen. Das Mutter-Sohn-Duo Nicole und Moritz Bantle aus Zimmern ist sogar mit dem Fahrrad zum Testturm geradelt – ein kleines Warm-Up. Wie sie sich vorbereitet haben? "Wir sind die Treppe zur Wasserrutsche im Urlaub ganz oft hochgelaufen", sagt Bantle lachend. Das Ergebnis des Laufs spielt für die Mutter keine Rolle. Ihr geht es um den Spaß. Eine Strategie entwickle sie spontan. Mit Erfolg: Nach 14:51 Minuten trifft das Gespann auf der Plattform ein und belegt den 18. Platz von 34 Startern im Zweier-Team-Lauf. "Wir haben sogar ein paar überholt", sagt Bantle stolz. Ob es anstregend war? "Ein bisschen", lässt sich der kleine Moritz nichts anmerken.

Auch Martin Wagner und Hans-Dieter Meng vom Schwabo-Team legen mit 13:15 und 13:08 Minuten ordentliche Zeiten hin und finden sich im Mittelfeld der Einzelstarter wieder, ebenso wie Simon Auch mit 13:27 Minuten. Gereon Drauz, der Ersatz für den mit Bänderriss ausgefallenen Robin Auch, findet sich sogar auf Platz 18 wieder. "Das Wichtigste ist für mich, schneller als Simon zu sein."

Das hat Eliteläufer Christian Riedl direkt nach dem Treppenlauf gesagt:

Die Zwillinge Marius und Philipp Ganter kennen bei Wettkämpfen hingegen keinen Spaß. Die Ringer aus Fluorn-Winzeln haben hart trainiert und wissen, dass sie es unter die ersten Zehn schaffen können. Mit eiserner Disziplin kämpfen sie sich im Staffellauf die 232 Meter hoch, ehe sie oben zusammenbrechen. Philipp, der am Tag zuvor noch gerungen hat, schmerzen die Beine. Er hat alles aus sich herausgeholt. Am Ende seien ihm die Beine ein wenig schwach geworden, meint er, doch das Durchbeißen hat sich mehr als gelohnt. Die Ganter-Zwillinge sind die Sieger des Staffel-Laufes.

Und doch zählt für die Beiden oben auf der Plattform, nachdem sie dem Körper alles abverlangt haben, im ersten Moment nur noch eins: Stolz auf die eigene Leistung und der Genuss einer grandiosen Aussicht.