Andreas Schierenbeck, Vorstandsvorsitzender der Aufzugssparte. Foto: Thyssen-Krupp Elevator

246 Meter hohes Bauwerk wird eröffnet. Vorstandsvorsitzender überzeugt: "Gefühl ist großartig". Mit Interview

Rottweil - Das ist schon etwas Einmaliges. In Rottweil wird am Wochenende die Eröffnung des 246 Meter hohen Testturms von Thyssen-Krupp Elevator gefeiert. Wir sprechen mit Andreas Schierenbeck, dem Chef der Aufzugssparte, über die Bedeutung des Bauwerks für den Konzern und den Südwesten.

Der Testturm in Rottweil ist (fast) fertig. Was ist das für ein Gefühl für Sie?

Das Gefühl ist großartig! Ich bin ziemlich stolz, dass wir innerhalb des geplanten Budgets und Zeitrahmens fertig geworden sind. Unsere Mitarbeiter sind pünktlich eingezogen und stecken schon tief in der Forschung zu Hochgeschwindigkeitsaufzügen. Nur die äußere Umhüllung des Turms ist wetterbedingt nicht ganz fertig geworden, das stört mich aber nicht. Es ist ja kaum etwas schiefgegangen und ich freue mich jedes Mal, wenn ich den Testturm sehe.

Hat es Sie überrascht, dass die Stadt Rottweil im Vorfeld auf eine öffentliche Nutzung des Testturms bestand – Stichwort Besucherplattform?

Ein Bauwerk, das so viel Aufsehen erregt und ein solcher Anziehungspunkt ist, wird selbst international mit der Stadt Rottweil in Verbindung gebracht. Dass man das Gebäude dann auch öffentlich nutzen möchte, kann ich sehr gut verstehen. Wir haben uns deshalb entschieden, Räumlichkeiten im Testturm für Veranstaltungen zu vermieten und die Besucherplattform in luftiger Höhe von 232 Metern freitags, samstags und sonntags für alle Interessierten zu öffnen.

Kannten Sie Rottweil bereits vor diesem Projekt?

Als "Stadt der Türme" ist Rottweil, denke ich, deutschlandweit bekannt. Zudem ist unser Aufzugswerk in Neuhausen nicht weit entfernt. Ort und Region sind kein Neuland für mich. Im Gegenteil: Thyssen-Krupp Elevator fühlt sich eng mit Baden-Württemberg verbunden.

Was bedeutet Rottweil für Sie heute persönlich? Haben sich neue Freundschaften ergeben?

Ich habe Rottweil über die Bauzeit des Turms wirklich schätzen und lieben gelernt. Die Gegend gefällt mir gut, und natürlich haben sich auch sehr enge Kontakte etabliert. Die Aufbruchsstimmung im Ort hat mich von Anfang an beeindruckt, und ich bin froh, dass wir auch auf der Baustelle eine gute Atmosphäre hatten. Für ein solches Großprojekt, bei dem es immer auch mal Hürden und Tiefs gibt, ist ein positives Grundrauschen unverzichtbar.

Wie wichtig ist der Testturm für den Konzern?

Der Turm symbolisiert die herausragende Ingenieurskunst des gesamten Konzerns. Nicht zuletzt investiert Thyssen-Krupp Elevator rund 40 Millionen Euro in den Bau. Wir erhoffen uns daher Großes. Der Testturm bietet beste Bedingungen für hoch qualifizierte Ingenieure, deren Entwicklungen die globale Aufzugsbranche transformieren sollen. Daneben dient der Testturm als Standort für Schulungen von Ingenieuren und Servicetechnikern. Wir erwarten auch Besuche von Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Bereichen von Thyssen-Krupp Elevator sowie Kunden aus aller Welt – all das wird für weitere positive Effekte sorgen.

Welche neuen Erkenntnisse in der Aufzugstechnik haben Sie in Rottweil bereits gewonnen?

Der Testturm bietet alles, was für die Entwicklung und Prüfung anspruchsvoller Aufzugsysteme benötigt wird. Dazu zählen neun Testschächte, mit denen wir Erkenntnisse im Hinblick auf Nachhaltigkeitseffekte, Energiemanagement und High-Speed-Lösungen gewinnen. Hier sind vor allem die Ergebnisse zu unserem Twin-Aufzugssystem, in dem zwei Kabinen unabhängig voneinander in einem Schacht fahren, zu nennen. Und natürlich ist nicht zu vergessen, dass hier das weltweit erste seillose Aufzugsystem Multi installiert wurde. Der Multi hat das Potenzial, Stadtarchitektur und Aufzugstechnik zu revolutionieren.

Welche Entwicklung wird der Testturm nehmen?

Die 246 Meter hohe Konstruktion wird dem Test sowie der Zertifizierung von Aufzugsinnovationen dienen und auf der ganzen Welt die Entwicklungszeit zukünftiger und in der Konstruktion befindlicher Wolkenkratzer erheblich verkürzen. So steht nun zum Beispiel die Forschungs- und Entwicklungsphase der Multi-Technologie vor dem nächsten Meilenstein: Ein erster Prototyp wird konstruiert, der 2019/2020 zur Marktreife gebracht werden soll. Durch die höchste Aussichtsplattform Deutschlands bekommt Rottweil außerdem ein weiteres touristisches Highlight.

Welche Bedeutung hat er für die Region?

Die Idee des Turms geht weit über die eigentliche Nutzung hinaus: Als Bauwerk des technologischen Zeitalters symbolisiert der Turm zwar die Innovationskraft von Thyssen-Krupp, er steht aber auch als öffentliches Symbol für die Stadt Rottweil. Der Turm steht im Dialog mit Rottweils historischen Kirch- und Wehrtürmen aus dem Mittelalter und dient als Wahrzeichen, das auf die weiteren Sehenswürdigkeiten in Rottweil und Umgebung aufmerksam macht. Er ist Ausgangs- und Informationspunkt für Gäste, deren Ziel der Turm ist, die aber im Anschluss auch den Ort oder den Industriepfad Neckartal besichtigen. Ich bin optimistisch, dass der Testturm die Verweildauer der Gäste in der Region erhöht.

Was dürfen wir uns vom Unternehmen Thyssen-Krupp Elevator in der Zukunft erwarten?

Wir werden uns auch weiterhin den dringenden Fragen der Zukunft stellen, wie der zunehmenden Urbanisierung und einer älter werdenden Bevölkerung, die im persönlichen Umfeld – etwa mit Treppenliften im Haushalt – mobil bleiben möchte. Weltweit kalkulieren wir mit einer demografischen Entwicklung, bei der die Zahl der Über-65-Jährigen von 600 Millionen Menschen im Jahr 2015 auf über eine Milliarde im Jahr 2030 steigt. Beide Trends sorgen dafür, dass die Branche wächst – und wir mit ihr: Seit 19 Quartalen in Folge verzeichnet Elevator Wachstum. Die Konzeption des Turms weist bereits in die Zukunft urbaner Mobilität: Thyssen-Krupp testet und zertifiziert hier die Aufzugslösungen von morgen, die es ermöglichen, Gebäude- und Städteplanung neu zu denken. Sie dürfen also gespannt sein!  

Die Fragen stellte Armin Schulz.