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ThyssenKrupp Elevator nimmt auf Berner Feld neue Technologie in Betrieb. Mit Videos

Rottweil - Auf dem Berner Feld fiel am Montag im Testturm von Thyssenkrupp Elevator der Startschuss für den Test- und Forschungsbetrieb – nicht mit einem Knall oder einem Knopfdruck, sondern zu gediegener Musik.

Thyssenkrupp Elevator (TKE) will feiern. Das wird jedem klar, der sich der Turmbaustelle nähert. Vor dem künftigen Kundeneingang ist ein Zelt aufgebaut, Security-Mitarbeiter stehen bereit. Doch bevor das Unternehmen seine Mitarbeiter für den Abend eingeladen hat, den Forschungsbetrieb im Aufzugstestturm einzuläuten, trudeln nachmittags 35 Journalisten ein.

Aus Lautsprechern plätschert gemütliche Musik. Aufzugsmusik. "Schön, dass Sie nach Rottweil gekommen sind, um gemeinsam mit uns den Turm in Betrieb zu nehmen", empfängt der Vorstandsvorsitzende Andreas Schierenbeck die Gäste. Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach der Grundsteinlegung und rund 16 Monate nach dem Richtfest bezieht Thomas Ehrl mit seinem Team aus 14 Ingenieuren das Forschungscenter und nimmt die Arbeit auf. "Es hat eigentlich gar nicht so lange gedauert", betont Schierenbeck die Bedeutung dieses Tages und des Testturms für das Unternehmen. Auch in Korea, in China und den USA habe TKE Testtürme, doch hier in Rottweil stehe der modernste – "also richten wir unser Forschungszentrum hier ein".

Das 40-Millionen-Euro-Projekt sei im Zeit- und im Kostenplan. Einzige Einschränkung: Die Außenhülle hinkt hinterher. Nicht Probleme mit dem Material oder Zulieferern führt Schierenbeck dafür als Gründe an, sondern es sei um die Sicherheit bei der Montage gegangen. Er rechnet damit, dass Mitte 2017 die Membran angebracht ist und dass dann auch der Betrieb der Aussichtsplattform beginnen wird. Schweift bei diesen Worten der Blick der Journalisten nach oben, wo in 231 Metern Höhe unter der Turmspitze künftig die Etage 29 einen atemberaubenden Blick auf das Panorama bieten soll, behindert keine Zeltplane die Sicht – die ist durchsichtig.

Dem Test- und Forschungsbetrieb entwachsen ist der Panoramaaufzug, der künftig mit bis zu acht Metern pro Sekunde die Besucher nach oben und wieder herunter bringen wird. Zwischen 30 und 50 Sekunden dauert die Fahrt nur. Auf der Plattform sind die letzten Arbeiten noch im Gange.

Die künftigen Abläufe erklärt Katrin Hünger. Sie rechnet mit 100 000 Besuchern im Jahr, die auf die Plattform wollen. Schon jetzt gebe es Hunderte Anfragen von Gruppen. "Es wird einen Riesen-Ansturm geben", ist sie sich sicher. "Dann noch die Hängebrücke – das wäre schon schön", macht sie keinen Hehl aus ihrer Begeisterung für das Projekt.

Der Besucher-Eingang ist seitlich, rechts vom Kundeneingang des Testturms zu finden. Im Foyer wird es nicht nur die Tickets zu kaufen geben, sondern auch Souvenirartikel zur Erinnerung an das Erlebnis. Geplant ist bislang, die Plattform, freitags bis sonntags zu öffnen. Käme auch noch die Hängebrücke hinzu, glaubt Katrin Hünger aber, dass diese drei Öffnungstage nicht ausreichen würden.

Das große Interesse am Testturm von TKE kann auch der städtische Wirtschaftsförderer André Lomsky in Zahlen fassen. Mehr als 100 000 Baustellenbesucher habe es von April 2015 bis jetzt gegeben. Hinzu kommen 20 000 Gäste, bei Baustellenführungen über die Tourist-Information. Zum Start des Test- und Forschungsbetriebs richtet aber auch Lomsky den Blick nach vorne. Er steht dabei auf Ebene 27, wo in 220 Metern Höhe ein Konferenzraum einlädt, die Gedanken weit schweifen zu lassen. Wie auch die Aussichtsplattform soll dieser Raum für Veranstaltungen angemietet werden können.

Wohin es gehen soll, hat Andreas Schierenbeck deutlich gemacht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Multi, das seillose Aufzugssystem, für das drei der zwölf Schächte im Testturm reserviert sind. "Mithilfe des Testturms gilt es nun, unsere Innovationskraft in unserem Kerngeschäft – dem Aufzugsbau – unter Beweis zu stellen und Lösungen zu präsentieren, die es uns ermöglichen, Mobilität in Städten neu zu definieren und diese Ballungszentren zu den lebenswertesten Orten der Welt zu machen", kündigt der Vorstandsvorsitzende für Mitte 2017 die öffentliche Präsentation des Systems an. Derzeit laufen auf dem Berner Feld die Installationsarbeiten – noch sorgfältig verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit. Spätestens Mitte 2019 sollen die ersten Systeme irgendwo auf der Welt eingebaut werden können – und Architekten ganz neue Möglichkeiten eröffnen beim Bau immer weiter in die Höhe.

Der Testturm in Rottweil bietet Thyssenkrupp Elevator dabei das passende Umfeld. Getestet werden hier neben dem Multi auch konventionelle seilgebundene Aufzüge. Ein Twin wird im Moment eingebaut. Und dann werden natürlich dank der Turmhöhe die Schnellläufer getestet werden können mit Geschwindigkeiten von bis zu 18 Metern pro Sekunde. Dass zudem der weltweit einzige aktive Schwingungstilger eingebaut ist, erlaubt den Forschern, das Schwingungsverhalten beliebiger Gebäude zu simulieren. Der Rottweiler Testturm verhält sich dann auf Wunsch wie der künftige Jeddah Tower, der einmal 1007 Meter in den Himmel ragen soll. Gestern aber stand zunächst das Feiern, nicht das Forschen an.