Ungewohnte Aussichten: Von der Hochbrücke aus wäre der Testturm links neben der Kapellenkirche zu sehen. Foto: ThyssenKrupp Elevator

Neue Perspektiven, gewohnte Ansichten: An breiter Zustimmung zum Turm ändern Montagen nichts.

Rottweil - Der Abend im Kapuziner endet mit "If I Could Turn Back Time" ("Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte") von Cher. Als Soundtrack für den Abend hätte es sich Rolf Sauter vermutlich nicht ausgesucht, es läuft dennoch nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung. Sauter indes muss die Zeit nicht zurückdrehen: Vor und nach der zweiten Bürgerversammlung in Rottweil zum geplanten Testturm von ThyssenKrupp Elevator (TKE) ist seine Meinung zu dem Vorhaben dieselbe. Der Turm, sagt er, "ist eine Attraktion für Rottweil". Sauter wohnt im Gewerbegebiet Hinterprediger. In der Hollywoodschaukel auf seiner Terrasse säße er in der ersten Reihe.

Die Argumente der Befürworter, meint er nach der Veranstaltung – nachdem sich Oberbürgermeister Ralf Broß die überwältigende Zustimmung der Anwesenden per Abschlussapplaus (knapp 35 Sekunden, "Juhu"-Rufe inklusive) hat bestätigen lassen – seien in Ordnung. Seiner Meinung nach "werden die Touristen kommen".

Der Turm überzeugt auch Margot Krell. Warum immer Köln oder Hamburg? Warum nicht Rottweil?, fragt sie sich. Ihr gefällt ihre Heimat. Aber: "Warum soll man nicht mal etwas Besonderes kriegen, wenn man die Chance dazu hat?"

Besonders war gestern Abend auch, dass TKE fünf neue Montagen mit dem geplanten Turm vor der Stadtsilhouette vorstellte. Darauf hatten vor allem die Turmgegner sechs Monate lang gewartet. Sie hatten wiederholt bemängelt, dass der Gigant auf frühen Versionen zu klein und schmächtig dargestellt worden war. Jetzt, mit den neuen Visualisierungen, die anhand der Aufnahmen vom Testballon gemacht wurden, legt TKE endlich nach, der Turm ist darauf gewachsen. Die Dimensionen allerdings können Margot Krell nicht schrecken. "Ich glaub nicht, dass er so stark wird", erklärt sie.

Der Eindruck überwiegt, dass die neuen Fotomontagen, die die Gegner so sehnsüchtig erwartet hatten, für die meisten Rottweiler keinen Unterschied machen. "Wir finden’s toll", sagt eine Frau über das Vorhaben. Ihr Mann meint: "Der Turm stört das Stadtbild überhaupt nicht."

Auch der Rottweiler Johannes Haug, der in der Bürgerversammlung kritisch angemerkt hatte, er erwarte zumindest, dass ThyssenKrupp mehr Gewerbesteuer bezahle als ein Handswerksbetrieb und anregte, eine Photovoltaikanlage und ein Windrad auf dem Bau anzubringen, erklärt: "Ich bin dafür" – der Turm müsste allerdings architektonisch ansprechend gestaltet werden. Wobei er von einem Turm eigentlich nicht reden will. "Das ist ein Hochhaus."

So wirkt der Riese auch etwas auf der Montage, die ihn – von der Hochbrücke aus gesehen – links vom Kapellenturm zeigt. "Hier find ich ihn jetzt schon ein bisschen beeinträchtigender", meint eine 41-jährige Rottweilerin. Stören tut er sie dennoch nicht.

Am Wochenende, als der Testballon aufstieg, habe sie nach diesem schon morgens von ihrem Balkon aus Ausschau gehalten und gedacht: "Super, ich seh ihn!" Ähnlich geht es einer anderen Bürgerin. Der Blick vom Bockshof hat sie beeindruckt: Von dort aus betrachtet, rage der Turm aus dem Grün hervor. "Ich liebe meine Stadt", sagt sie. "Ich bin hier geboren. Aber irgendwann muss man in die Zukunft investieren."

Das klingt mehr nach einem Blick nach vorn als nach hinten. Selbst Ute Bott, die wohl prominenteste Turmgegnerin der Stadt, sehnt sich nicht in die erste Bürgerversammlung am 6. Mai zurück. "Es war ganz anders als beim ersten Mal." Die Atmosphäre sei viel offener gewesen. Auch sie ist nach gestern Abend weiterhin zuversichtlich. "Wir werden einen langen Atem haben", sagt sie. Und ThyssenKrupp Elevator? Hätte Cher gestern Abend offenbar nicht bemühen müssen.

Weitere Fotomontagen finden sich auf www.aufzugsturm-rottweil.de