Derzeit erinnert am Hochturm nichts daran, dass hier ein die wegen Hexerei Verfolgten eingesperrt waren. Foto: Otto

266 Menschen wurden in Rottweil verfolgt, gefoltert und verbrannt. Knappes Ja für öffentliches Gedenken.

Rottweil - Meistens diskutiert der Gemeinderat mit Blick auf die Zukunft der Stadt. Doch ein Antrag der Grünen versetzte die Räte jetzt zurück ins tiefste Mittelalter: Fast 270 Menschen wurden in Rottweil Opfer der Hexen- und Zaubererverfolgung. Jetzt soll mit einer Gedenktafel an sie erinnert werden. Manch einer tat sich mit diesem Vorschlag allerdings schwer.

Es mochte zunächst auch so gar nicht ins Bild passen, was Hubert Nowack von den Grünen da im Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschuss forderte. Gerade war noch über Wirtschaftsförderung und neue Marketingkonzepte für den Thyssen-Krupp-Turm debattiert worden, da mussten sich die Räte mit einem dunklen Kapitel der Stadtgeschichte beschäftigen: Im 16. und 17. Jahrhundert wurden in Rottweil 266 Frauen und Männer zu Unrecht unter dem Vorwand der Hexerei verurteilt, gefoltert und getötet. Doch nichts erinnert an sie. Die Grünen forderten deren "moralisch-sozialethische Rehabilitaion" per Beschluss durch den Gemeinderat, als sichtbares Zeichen dafür soll am Hochturm – wo die Verfolgten eingesperrt waren – eine Gedenktafel angebracht werden. "Dies ist ein Akt im Geiste der Erinnerung und Versöhnung", erläuterte Nowack den Antrag. Und immerhin sei die Hexenverfolgung bei Stadtführungen ein großes Thema – ein Hinweis auf die Opfer finde sich aber nirgends.

In der Tat lassen die Fakten zur Hexenverfolgung die Zuhörer bei Stadtführungen erschaudern. Das Ausmaß des Unrechts war gerade in Rottweil groß. Ganze Bücher (zum Beispiel: "Im Rauch gehn Himmel geschüggt. Hexenverfolgungen in der Reichsstadt Rottweil" von Mario Zeck oder Veröffentlichungen des ehemaligen Stadtarchivars Winfried Hecht) beschäftigen sich mit dem Thema. 287 Verfahren wegen Hexerei, Zauberei oder Magie wurden geführt. 266 der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Eine lange Namensliste zu den dokumentierten Fällen hatten die Grünen ihrem Antrag beigefügt. Anna Hermanns – verbrannt, Margaretha Höhn – verbrannt, Barbara Vogler – verbrannt und zuvor "mit einem Griff einer glühenden Zange" gefoltert, Agneta Petermann und deren Tochter – ertränkt, Margaretha Scheirl aus der Altstadt – verbrannt. So geht es Seite um Seite.

Doch eine Gedenktafel für die Ofer? Heute, 500 Jahre später? Nicht alle Räte konnten sich damit anfreunden. "Ich sehe mich nicht in der Lage, mich für die letzten 2000 Jahre zu entschuldigen", fand Michael Gerlich (FDP) deutliche Worte. Man könne diesen Menschen mit einer Gedenktafel ihre Würde nicht zurückgeben. Auch Jörg Stauss (FWV) hatte mit der Sache so seine Probleme. "Wenn wir hier jetzt ein Fass aufmachen, dann haben wir bald überall Gedenktafeln", befürchtet er. Mit der "Stolperstein-Debatte" sei es ja ähnlich gewesen.

Hubert Nowack verteigte sein Ansinnen. Die Hexenverfolgung sei Teil der Rottweiler Geschichte. Das fand auch Ralf Armleder, bei dem die Lektüre eines Buchs über die Hexenverbrennungen tiefen Eindruck hinterlassen hat. "Die dunklen Seiten gehören auch dazu". Eine Tafel am Hochturm könne dazu beitragen, Geschichte erlebbarer zu machen. Auch Heide Friedrichs (FFR) unterstützte den Vorschlag. "Ein sehr wichtiges Thema" werde aufgegriffen.

Fünf Räte stimmten dem Beschlussvorschlag schließlich zu, drei stimmten dagegen, drei enthielten sich. Nun muss noch im Detail über die Gestaltung der Tafel gesprochen werden. Hubert Nowack ist es wichtig, dass das Thema nicht "reißerisch" aufgearbeitet wird. Sondern als das, was es sein soll: ein Gedenken an die Opfer.