Gefängnisseelsorger Michael Leibrecht berichtet in der Bürgerversammlung von den Bedingungen in der jetzigen JVA. Foto: Graner

Bürgerversammlung zum Gefängnis-Neubau in Rottweiler Stadthalle. Das Esch - oder Rottweil geht leer aus.

Rottweil - Argumente, Emotionen – und durchaus neue Erkenntnisse: Dreieinhalb Stunden lang stand am Donnerstagabend in der vollen Stadthalle ein möglicher JVA-Neubau am Standort "Esch" in Rottweil zur Diskussion. Befürworter und Gegner gaben sich das Mikrofon in die Hand. Die Stimmung insgesamt: ein bisschen mehr "pro" JVA.

Die Bezeichnung "Bürgerversammlung" ist eigentlich zu nüchtern für das, was sich am Donnerstag in der Stadthalle abspielte. Es war schon eher ein kleines Event: Gleich im Foyer wurden die Besucher an Ständen von CDU, SPD, FWV und FDP mit Pro-JVA-Buttons bestückt oder aber am Stand der Bürgerinitiative "Neckarburg ohne Gefängnis" über naturschutzrechtliche Belange im Gebiet "Esch" aufgeklärt. In der Halle gab es an Schaubildern und auf Plänen zahlreiche Infos zum Standort. Und sogar ein Moderator war angeheuert worden, der zwar ein klein wenig an eine Werbeveranstaltung erinnerte – aber zu Beginn war es das in gewisser Weise ja auch: Oberbürgermeister Ralf Broß warb in Anwesenheit von Justizminister Rainer Stickelberger und Staatsrätin Gisela Erler um den Zuschlag für Rottweil sowie bei den Bürgern um Unterstützung, angesichts der großen Chance für die Stadt. "Wir müssen zugreifen, wenn das Land hier in die Infrastruktur investieren will." Dies sichere nachhaltig den Justizstandort und mache das Mittelzentrum Rottweil weiter fit für die Zukunft. Dabei bezog er ausdrücklich auch die umliegenden – und wie Villingendorf und Dietingen unmittelbar betroffenen – Orte mit ein, aus denen viele Bürger zur Versammlung gekommen waren.

80 Millionen sind den "Eiertanz" wert

Minister und Staatsrätin wiederum warben um Verständnis für den schwierigen Prozess der Standortsuche. "Bei einer Investition von 80 Millionen Euro ist es die Mühe wert", meinte Stickelberger auf den Vorwurf aus den Bürgerreihen, dass durch den jahrelangen "Eiertanz" schon viel zu viel Geld verschwendet worden sei. Staatsrätin Erler appellierte an die Bürger, eine faire Diskussion zu führen, "damit sich nach einer Entscheidung alle noch in die Augen schauen können." Überhaupt fand die resolute Staatsrätin klare Worte, die anzukommen schienen – auch wenn sie nicht immer allen schmeckten. Wortbeiträge aus dem Publikum zu früher diskutierten Standorten wie Bitzwäldle oder Stallberg beendete sie knapp: "Sie müssen sich jetzt einfach damit abfinden: Entweder bekommen sie die JVA im Esch, oder sie bekommen sie gar nicht." Ängste und Bedenken gebe es bei jedem Standort. "Ich war noch nie irgendwo, wo es keine Gegner gibt. Aber wir brauchen nunmal die JVAs."

Nur wo? Rottweil oder Meßstetten? Justizminister Stickelberger stellte die Abwägungsfaktoren zwischen den verbliebenen Standorten dar, verwies auf die "vielfältigen Beziehungen zur heimischen Wirtschaft", die hier wie dort entstehen würden, und wollte auch nicht kleinreden, dass gerade im Esch naturschutzrechtliche Belange durchaus eine gewichtige Rolle spielen. Aber: Man könne auch eine verträgliche Nutzung herbeiführen.

Wird "Rottweils schönstes Naherholungsgebiet" zerstört?

Die Gegner bezweifeln das. Wolfgang Blässing von der Bürgerinitiative erläuterte in seinem Vortrag auf der Bühne, dass mit dem Esch "Rottweils schönstes Naherholungsgebiet" zerstört würde. Vor allem von der Größe der JVA von 120.000 Quadratmetern seien die Menschen schockiert. Zudem gebe es "Frust" darüber, dass der Gemeinderat die Bürger von der Entscheidung ausschließe. Mehr als 1400 Unterschriften habe man bisher gesammelt, so Blässing, der betonte: "Wir sagen zwar Ja zum Standort Rottweil, aber nicht im Esch."

Klar ist: Die Entscheidung wird noch vor der Sommerpause fallen. Das zumindest hat der Justizminister mit dem Ministerpräsidenten so vereinbart. Projektsteuerer Alfons Bürk zeigte sich zum Abschluss mehr als zuversichtlich: "Ich glaube heute sind wir soweit, der Standort Rottweil ist gesichert", meinte er schmunzelnd – nicht zuletzt auch angesichts des überdurchschnittlich langen Applauses, den Landgerichtspräsident Dietmar Foth für seinen Wortbeitrag erntete: Rottweil müsse sich für eine kommende Justizreform gut positionieren, wenn die Stadt keine weitere Verluste erleiden will. Und das gehe nur mit der neuen JVA.

Den sporttreibenden Bürgern in der Stadt konnte Minister Stickelberger übrigens schon jetzt eine – für manchen überraschende – Zusage geben: Die neuen Sportanlagen der JVA können auch von den Vereinen genutzt werden.