Rottweil - Und wieder eine Option dahin: Die Stadtkapelle sucht seit mehr als zehn Jahren eine neue Bleibe, doch alle bisherigen Vorschläge sind laut Stadt zu kostenintensiv oder nicht umsetzbar.

Dynamisches Spiel, ein buntes Programm und anspruchsvolle Stücke – beim Jahreskonzert hat die Stadtkapelle einmal mehr ihre Qualität gezeigt. Bemerkenswerter wird diese Leistung noch, wenn man bedenkt, unter welchen Umständen die Proben der Musiker stattfinden.

"Eigentlich können wir nur einmal richtig für unsere Konzerte üben – bei der Generalprobe in der Stadthalle", sagt Ralf Stölzl, Vorsitzender der Stadtkapelle.

Die Musiker proben im Gebäude des Alten Kaufhauses am Friedrichsplatz, in dem auch die Stadtbücherei, das Zimmertheater und Forum Kunst zu finden sind. Dort sind sie auf etwa 100 Quadratmetern untergebracht, zuzüglich Lagerfläche. "Wenn wir da in voller Lautstärke spielen, dann grenzt das an Körperverletzung. Also müssen wir quasi mit angezogener Handbremse üben", erklärt Stölzl die schwierigen Voraussetzungen.

Jeder kann sich am Equipment vergreifen

Doch nicht nur die akustischen Verhältnisse sind unbefriedigend. So hat die Stadtkapelle mit massiven Platzproblemen zu kämpfen. "Meist sind bis zu 50 Musiker bei der Probe, wenn es auf Veranstaltungen zugeht auch mal 60", berichtet Stölzl. Allein das Schlagzeuginstrumentarium nehme schon viel Platz ein.

Für Equipment wie Instrumentenkoffer und Ähnliches heiße es dann: Wir müssen draußen bleiben. Das sieht der Stadtkapellenvorsitzende äußerst kritisch: "Das Material ist damit für die Öffentlichkeit zugänglich. Vergangenen Freitag erst wurde einem unserer Mitglieder während der Probe die Jacke gestohlen". Eine schier untragbare Situation, die allerdings schon seit mehr als zehn Jahren besteht. "Genau kann ich nicht beziffern, wann wir den Bedarf angemeldet haben, aber in den Anfängen des Kapuziners war auch schon im Gespräch, ob wir dort einen Proberaum einrichten können", erinnert sich Stölzl.

Bisherige Versuche, eine neue Unterbringung zu finden, scheiterten jedes Mal. Vor vier Jahren hatten die Freien Wähler schon einen Prüfantrag zum Gebäude Schlachthausstraße 2 gestellt. Doch die Sanierung hätte zu viel Aufwand bedeutet, hieß es damals von der Stadt.

Diesmal kam der Prüfantrag von der SPD-Fraktion. Bei dem entsprechenden Gebäude handelt es sich um die Schlachthausstraße 1, das ehemalige Feuerwehrquartier. "Die alte Halle wäre in Sachen Höhe und Breite ideal für unsere Zwecke", sagt Stölzl. Natürlich sei ihm klar, dass der Raum nicht gelassen werden könne wie er ist.

Und genau das ist auch das Argument der Stadt laut Beratungsvorlage für die Sitzung des Kultur-, Sozial- und Verwaltungsausschusses am Mittwoch. "Der bauliche Zustand entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Eine Ertüchtigung würde Kosten verursachen, die einem Neubauvorhaben entsprechen", heißt es darin. Das Erdgeschoss des Hauptgebäudes sowie die angrenzenden Feuerwehrräume seien lediglich noch für Lagerzwecke nutzbar.

Würde die Stadtkapelle ihre Proberäume dort einrichten, scheide zudem eine parallele Wohnnutzung aus. "Das Problem mit Nachbarn oder anderen Nutzern besteht immer. Die Proben sind eben mit Lärm verbunden", weiß der Stadtkapellenvorsitzende.

Auch ein "Haus der Musik" war angedacht

Man habe sogar mal an ein gemeinsames "Haus der Musik" mit Bläser- und Musikschule gedacht. Nicht finanziell umsetzbar, habe es von der Stadt zur Schlachthausstraße 2 geheißen. Schade, meint Stölzl. Denn die erforderliche Deckenhöhe (etwa drei Meter) und Raumgröße, obligatorische Parameter, wären dort gewährleistet.

Obligatorisch ist für die Kapelle auch die Nähe zur Innenstadt, "allein schon wegen des Instrumententransports zu unseren Promenadenkonzerten", meint Stölzl.

Ein weiterer von der Stadt angeführter Grund, warum das Gebäude in der Schlachthausstraße wegfällt, ist die Stadtentwicklungsmaßnahme "Nägelesgraben". Damals flossen für das Projekt "Jugendherberge" Fördermittel als Baustein für die Stadtentwicklung entlang der Achse Schlachthausstraße – Schwarzes Tor – Innenstadt. Die Entwicklung des Areals Schlachthausstraße 1 und 2 sei damals schon Thema gewesen.

Dort einen Proberaum einzurichten und das alte Gebäude somit weiterzunutzen, ist offenbar zu riskant. So könnte es "den bereits eingegangenen Verpflichtungen widersprechen" und, wenn man den Gedanken weiterspinnt, zum Verlust von Fördergeldern führen.

"Glücklich sind wir nicht darüber, aber als städtische Kapelle müssen wir uns dem Votum beugen und weiter auf eine andere Lösung hoffen", sagt Stölzl. Es seien viele Gespräche geführt und häufig versichert worden, dass man nach etwas Neuem Ausschau halte. Aber: Schwerpunkt des städtischen Finanzhaushalts sei eben zuletzt die Feuerwehr gewesen. "Bei uns geht es halt ›nur‹ um Kultur", sagt Stölzl, bewusst eine überspitzte Formulierung wählend.

Solange die Stadtkapelle funktioniert – und das tue sie – scheint eine Lösung aus Sicht der Stadt wohl nicht zwingend. "Wir arbeiten schon lange unter diesen Bedingungen. Klar, keiner bekommt hier einen Tinnitus oder trägt körperliche Schäden davon, aber es ist eben eine frustrierende Situation", fasst der Vorsitzende zusammen.

Kommentar: Bisher läuft's ja

Von Jasmin Cools

Diese Resignation kann man verstehen: "Ist ja ›nur‹ Kultur", sagt der Vorsitzende Ralf Stölzl. Die Stadtkapelle sucht nicht erst seit gestern nach einem neuen Proberaum, sondern schon seit zehn Jahren. Gleichzeitig wird sie aber als Aushängeschild benutzt – solange sie keine Probleme macht. Gute Jugendarbeit und viele Auftritte sind gern gesehen, weniger aber die Erinnerung daran, dass die Kapelle immer noch in einer akustisch miserablen Umgebung proben muss. Da halten es die Herren der Stadt wie die drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Kultur ist schön, aber nur dann, wenn man sie brauchen kann, wie jetzt an der Fasnet. Dass sich die Stadt ihre Feuerwehr eine schöne Stange Geld kosten lässt, liegt auf der Hand: Sie rettet Leben. Bei der Kultur wurde das noch nicht nachgewiesen. Dennoch sollte sie Gehör finden – nicht nur musikalisch.