Symbolträchtiger Ort: Oberbürgermeister Ralf Broß (am Pult) erinnert bei der Verleihung der "Demokratie-Rose" an die Sitzungen von Gemeinderat und Beteiligungsgruppe im Sitzungssaal des Neuen Rathauses. Hier wurde in den vergangenen Jahren über JVA-Standorte, zuletzt das Esch, diskutiert. Foto: Nädele

Demokratie-Rose: Verein "Mehr Demokratie" lobt Verwaltung für politische Begleitung der JVA-Standortsuche. Kein Verständnis für Gefängnisgegner.

Rottweil - Die Übergabe des Demokratiepreises an die Stadt für vorbildliche Bürgerbeteiligung fand am Dienstag, wie angekündigt, ohne die Gefängnisgegner statt. Es hätte ihnen auch nicht gefallen, was man ihnen ins Stammbuch schrieb.

Sie war nicht da und dennoch in aller Munde. Immer wieder kam man am Dienstag im Sitzungssaal des Neuen Rathauses bei der Übergabe der Demokratie-Rose an Oberbürgermeister Ralf Broß auf den offenen Brief der Bürgerinitiative "Neckarburg-ohne-Gefängnis" zu sprechen. Die BI war auch zur gestrigen Preisverleihung eingeladen, hatte am Montag ihre Teilnahme indes öffentlich abgesagt mit der Begründung, nicht als "Alibi-Statisten" zur Verfügung zu stehen.

Mit dieser Sichtweise steht die BI, die sich bildete, als in der Standortdiskussion für das neue Gefängnis das Gewann Esch an Bedeutung gewann, allein da. Sarah Händel, die Landesgeschäftsführerin des Vereins "Mehr Demokratie", die den Preis gestern überreichte, sagte, dieser Vorwurf sei nicht gerechtfertigt.

Die Bürger hätten die Chance gehabt, sich und ihre Meinung in den Prozess einzubringen. Für sie sei das Beteiligungsverfahren, vor allem die Einberufung einer Begleitgruppe, sehr vorbildlich gewesen. Ein kleines Manko sehe sie indes: Der BI hätte man mehr Platz in der Info-Broschüre einräumen können.

Rottweil ist das Positiv-Beispiel dafür, wie man Bürger in strittige Entscheidungen einbindet, und erhält eine Rose. Der gemeinnützige Verein "Mehr Demokratie" vergibt aber auch das Gegenstück, die "Demokratie-Gurke" für ein Demokratieverständnis "wie aus dem vergangenen Jahrhundert", so Händel.

Diese Negativ-Auszeichnung erhält in diesem Jahr Radolfzell am Bodensee. Dort bildete sich in der Diskussion um das 23-Millionen-Projekt "Seetorquerung" ebenfalls eine Bürgerinitiative, die sich gegen die Umsetzung aussprach. "Diese wurde an den Rand gedrängt, erhielt keinen Platz in der Info-Broschüre" und scheiterte beim Bürgerentscheid denkbar knapp am Quorum, das damals noch bei 25 Prozent lag. Das sei für die Bürger ein tief frustrierendes Erlebnis gewesen.

Plädoyer: maximal fair miteinander umgehen

Händel plädierte in der gestrigen Feierstunde, an der Vertreter der Beteiligungsgruppe sowie Repräsentanten der Behörden, Mitglieder der Ministerien, des Gemeinderats und Mitarbeiter der Stadtverwaltung teilnahmen, für maximale Fairnessanstrengungen. Sie sprach sich dafür aus, den Bürgern auf Augenhöhe zu begegnen. Sie wies ebenso darauf hin, dass ein Bürgerentscheid nicht von vornherein das einzige und richtige Instrument bei großen Projekten sein müsse und betonte, dass der Gemeinderat in der repräsentativen Demokratie natürlich legitimiert sei, Entscheidungen zu treffen.

Oberbürgermeister Ralf Broß dürfte diese Ausführungen gerne gehört haben. Ihm war es wichtig hervorzuheben, dass er die Auszeichnung stellvertretend für die Bürger in Rottweil entgegennehme. Er wies ebenso darauf hin, dass die Anstrengungen der Gefängnisgegner zum Bürgerentscheid geführt habe.

Staatsrätin Gisela Erler, die die Standortsuche für eine neue JVA aufs Engste begleitete, besuchte vor der Veranstaltung den Testturm von Thyssen-Krupp und lobte danach die spannenden Projekte und den Weg, den Rottweil in den vergangenen Monaten zurückgelegt habe. Sie ließ erkennen, dass sie auch die Diskussion über ein weiteres Großprojekt, die Hängebrücke, mit Interesse verfolge. "Mal sehen, ob aus der Hängebrücke eine Hängepartie wird", sagte sie in ihrer bekannt offenen Art.

Ganz offen sprach sie auch aus, was sie über die von der Stadt angestoßenen Untersuchungen denkt, die zurzeit in dem erweiterten Plangebiet der JVA am Standort Esch gemacht werden, um auf die Belange der Nachbargemeinden Rücksicht zu nehmen: "Hoffentlich finden Sie nicht irgendeinen Lurch. Das bereitet mir schlaflose Nächte."

Apropos Fairness: Als sich im vergangenen Herbst offenbarte, dass die BI noch nicht genügend Unterschriften für einen Bürgerentscheid beisammen hatte, war es die Stadtverwaltung, die der BI einen entsprechenden Hinweis gab. Woraufhin diese die noch fehlenden Paraphen nachreichen konnte.