Die Inszenierung erzählt das Ende der jüdischen Familie Degginger-Roeder in Rottweil. Foto: Schwarzwälder Bote

Erinnerung: Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht mit eindrücklicher Inszenierung

"Erinnerung ist wichtig": Diese Aussage einer Schülerin durchzog die Inszenierung der Auslöschung der jüdischen Gemeinde durch den Nazi-Terror bei einer gut besuchten Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Pogromnacht vom 8. auf den 9. November 1938.

Rottweil (hf). Oberbürgermeister Ralf Broß erinnerte an die gezielten Terrorakte der NS-Koordinatoren in jenen Novembertagen auch in Rottweil: Die fünf Jahre nach der Machtergreifung der Nazis hätten die Geschichte in Deutschland und die Geschichte in Rottweil mitgeprägt, aber erst durch die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte sei auch die Erinnerung an sie möglich.

Broß verwies auf den Rundweg zu jüdischen Häusern durch die Innenstadt oder auf das neue Buch "Jüdisches Rottweil" der Historikerin Gisela Roming. Er erwähnte Nachkommen wie die Familie Rodhes auf der Spurensuche nach ihren jüdischen Vorfahren (Rothschild) in Rottweil. Zum Gedenkabend konnte er die in New York geborene und jetzt in München lebende Peggy Schulte-Frohlinde, Urenkelin des Rottweiler Arztes Julius Hess, begrüßen sowie die Geschäftsführerin der jüdischen Gemeinde in Rottweil, Tatjana Malafy.

Geschichte der Familie Degginger nacherzählt

Gisela Roming führte in die Geschichte des Buchhändlers Adolph Degginger und der Hemdenfabrikanten Degginger-Roeder bis zur ihrer Auswanderung ein. Bekannt sei der Widerstand, den die Söhne Adolph und Julius Roeder mit ihren Familien nach dem Bezug der NSDAP-Zentrale in der Königstraße 1 (Duttenhofer Villa) – die Hemdenfabrik lag direkt gegenüber – bis zur Schließung beziehungsweise Arisierung der Fabrik 1938 leisten mussten. Beide konnten rechtzeitig in die USA auswandern.

Sehr beeindruckend setzten Schüler des Literatur- und Theaterkurses des beruflichen Gymnasiums Nell-Breuning-Schule (NBS) unter der Leitung von Christine Biebl diese jüdische Rottweiler Familiengeschichte szenisch um. Zur Intensität der eindrücklichen Inszenierung trug die musikalische Gestaltung bei, die der Chor des Musikkurses der NBS unter Leitung von Beate Vöhringer mit jüdischen Liedern während und zwischen den einzelnen Szenen einbrachte.

Zwischen der Zerstörung jüdischer Geschäfte, Wohnhäusern und der Synagoge in der Kameralamtsgasse 1938 und der bitteren Frage nach dem "Warum" für die betroffenen jüdischen Bürger, die so lange in Rottweil gelebt hatten, stellten die Schüler in einzelnen Szenen den Aufstieg der Hemdenfabrik und erfolgreiche Jahre in der Stadt dar bis zum Umschwung durch die Nazi-Herrschaft mit ihren Hetzkampagnen sowie Zerstörung, Deportation oder wie in diesem Fall rechtzeitiger Flucht in die USA.

"Alles ist zerstört, die Synagoge, die Thora, das Harmonium, und alle haben zugesehen", bricht aus den Betroffenen heraus. "Aber wir hinterlassen Spuren, Spuren, von denen sie lernen können", sagt Julius Roeder vor seiner Auswanderung und er sagt es mahnend zu uns, den Erinnernden.

Draußen vor der ehemaligen Synagoge sprachen Yosyp Svobodyn von der jüdischen Gemeinde das Kaddisch-Gebet und Pfarrer Jürgen Rieger beschwor im Schlussgebet Frieden – Schalom – zwischen den Völkern.