Tanja Tetzlaff (von links), Annemei Blessing-Leyhausen, Janina Ruh und Florian Donderer begeistern das Publikum mit einem vielschichtigen Programm. Foto: Friederichs Foto: Schwarzwälder Bote

Konzert: Musiker schaffen in der Predigerkirche ein ganzes Weltgebäude

Rottweil (hf). Das große Musikfestival 2020 musste wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden – doch zwei kleine "Sommersprössle"-Konzerte wurden gewagt.

So klein die Ankündigung, so groß und vielschichtig erwies sich das Programm des künstlerischen Leiters Florian Donderer. Schwerpunkte umriss er in seiner Begrüßung in der Predigerkirche: das 250. Beethoven-Jubiläumsjahr und das 75. Befreiungsjahr der Konzentrationslager nach Kriegsende mit einer Hommage an den tschechischen Juden und Sowjetbürger Erwin Schulhoff, der im KZ Wülzburg 1942 umgekommen ist.

Sein erstes Konzert-Programm "Duo!" erwies sich als sensibel ausgewogen, nicht ohne aber den Brüchen innerhalb zweier Jahrhunderte nachzuspüren. In Beethovens Duo für Viola und Violoncello "mit zwei obligatorischen Augengläsern" wechselten sich Tanja Tetzlaff (Violoncello) und Florian Donderer (Viola) in anmutender Kontrastierung des Grundthemas ab. Beide entwickelten ein kraftvolles Spannungsgefüge. Beethovens Freund Bernhard Romberg, selbst Cellist, komponierte die Sonate für zwei Violoncelli op 43, die von Tanja Tetzlaff und Janina Ruh in harmonischer Abgestimmtheit sowohl in den schnellen Sätzen als auch im langsamen Andante pastorale majestätisch umgesetzt wurde.

In den aus zehn Duetten von Reinhold Glière für zwei Violoncelli ausgewählten, überraschten modernere Klangfarben; besonders im dritten Duett verschmolzen beide Celli zu einer eleganten Klangeinheit. Beinahe im Kontrast dazu standen die Liederparts der Engländer Ralph Vaughan Williams und Gustav Holst für Sopran und Violine.

Sehr zurückgenommen und linear interpretierten die Sopranistin Annemei Blessing-Leyhausen und Florian Donderer (Violine) "Verlorenes Glück auf dem Lande" und mittelalterliche Texte. Annemei Blessing-Leyhausen gelang in klarer Linie und breitem Stimmumfang, von Florian Donderer durch die Violine verstärkend, eine zarte, ja klagende Innerlichkeit: "And they looked away."

Den Höhepunkt des Konzertes bildete Erwin Schulhoffs Duo aus dem Jahr 1925 für Violine (Florian Donderer) und Violoncello (Tanja Tetzlaff). Expressiver Reichtum, harte Schnitte und fast gläsern wirkende Linienführung (Violine) ließen ein Werk von zauberhafter musikalischer Schönheit erstehen.

Beide Musiker schufen im Wechsel von abrupten Schnitten und ruhig-weicher Linienführung ein ganzes Weltgebäude: rhythmisch tänzerisch die Zingaresca, zarteste Einheit im Andantino, kontrastierend das Anfangsthema im Schluss-Moderato wieder aufgreifend – hier dominant ein Wechsel von brutalem Crescendo und zurückgenommener Innigkeit: Eine neue Welt der Avantgarde in der Musik.