Ab dem 1. August dürfen Senioren gegen ihre Fahrerlaubnis vergünstigt Bus fahren. Foto: © Monkey Business – stock.adobe.com

Verkehrsbund bietet Senioren an, günstiger Bus und Bahn zu fahren, wenn sie ihre Fahrerlaubnis abgeben.

Kreis Rottweil - Ältere Bürger dürfen ab dem 1. August für zwölf Monate vergünstigt Bus und Bahn fahren – vorausgesetzt sie geben dafür ihren Führerschein ab. Die Aktion ist ein freiwilliges Angebot des Verkehrsbund Rottweil und ist vorerst ein Testlauf.

"Fahrschein statt Führerschein" heißt die Aktion, die sich an die Bürger des Landkreises Rottweil richtet, die über 65 Jahre alt sind. Wenn diese freiwillig auf ihre Fahrerlaubnis verzichten und ihren Führerschein abgeben, bekommen sie die "AboCard-Senior", die die Senioren dazu berechtigt, während des Zeitraums von zwölf Monaten mit allen Bussen und Bahnen im gesamten Netz des VVR zu fahren. Dies schließt die Zonen 20 bis 27 sowie die Übergangszonen 30, 31 und 35 ein. Ferner gelten die allgemeinen Bedingungen zur "VVR-AboCard Erwachsene und Senior".

Die Aktion sei ein freiwilliges Angebot des VVR, welches in enger Zusammenarbeit mit dem Nahverkehrsamt ausgearbeitet worden sei, wie Landrat Wolf-Rüdiger Michel dem Gremium des Verwaltungsausschusses erklärte. Vergleichbare Angebote würde es bereits in benachbarten Landkreisen geben, weshalb die Idee aufgekommen sei, so eine Aktion nun auch im Landkreis Rottweil auszuprobieren. Der Testlauf beginnt am 1. August diesen Jahres und endet am 31. Dezember 2020.

"Wir erhoffen uns von der Aktion, dass die Zielgruppe Senioren mit alterbedingten Einschränkungen, die noch aktiv am Straßenverkehr teilnehmen, von der Maßnahme erreicht werden und durch den Verzicht auf ihre Fahrerlaubnis zu dauerhaften Kunden im ÖPNV werden", heißt es in der Sitzungsvorlage. Die Finanzierung des Projekts erfolge über das bestehende Marketingbudget des VVR und verursache daher keinerlei Zusatzkosten.

Das Gremium begrüßte die Idee größtenteils, Rainer Hezel (CDU) bemängelte jedoch das Einstiegsalter der Aktion: "In Deutschland diskutiert man über den Renteneintritt mit 67 oder gar 69 Jahren, und hier heißt es, dass man bereits mit 65 so betagt ist, dass man daran denken sollte seinen Führerschein abzugeben", so das Gremiumsmitglied. Thomas Bareiß (CDU) stimmte seinem Kollegen da zu: "Ich schließe mich Herrn Hezels Äußerung an, ich zweifle auch an dem Einstiegsalter. Da fragen sich die Leute da draußen ja: ›sind die noch ganz sauber?‹".

Landrat Wolf-Rüdiger Michel versteht die Besorgnis der beiden Gremiumsmitglieder und erklärte, dass sich der Verkehrsbund Rottweil dieses Einstiegsalter überlegt hat. Außerdem wies er die beiden Ausschussmitglieder darauf hin, dass es auch Leute gibt die mit 63 Jahren in Rente gehen und vielleicht gerne dieses Angebot wahrnehmen würden. "Man muss nach Ablauf dieser Testphase sowieso gucken, wie sich das entwickelt hat und wer das überhaupt genutzt hat", so der Landrat. Vermutlich würden anschließend auch Zahlen in Bezug auf das Alter derjenigen, die das Angebot genutzt haben, erhoben werden. "Und wenn man sieht, dass alle über 70 Jahre alt waren, kann man diese Alterbegrenzung immer noch anpassen".

Gerhard Wössner meldete sich außerdem noch mit einer weiteren Idee: "Könnte man aus der Aktion nicht eine Art Schneeballsystem machen, indem die Senioren jemanden anwerben können und sich dadurch als Prämie ihre vergünstigte Fahrzeit verlängern lassen können?". Das amüsierte die meisten Ratsmitglieder: "Herr Wössner, bei Schneeballsystemen müssen wir aber aufpassen", warnt Landrat Wolf-Rüdiger Michel lachend. Mit seiner Antwort betonte er nochmals, dass dies sowieso erstmal eine Testphase sei, und bevor man Versprechungen über Verlängerungen ausspricht, erstmal schauen sollte, wie sich die Aktion entwickelt und wer überhaupt daran teilnimmt.

Kommentar: Mehr Zeit

Von Jennifer Merk

Wenn Senioren nahegelegt wird, den Führerschein bei Unsicherheit im Straßenverkehr abzugeben, kann das sinnvoll sein. Wenn diese dann auch noch vergünstigt Bus und Bahn fahren können, ist das erfreulich. Aber der ein oder andere "Senior" fühlt sich mit 65 Jahren vermutlich doch eher auf die Schippe genommen, wenn ihm gesagt wird, dass er ab jetzt in einem Alter ist, in dem er darüber nachdenken darf, seinen Führerschein abzugeben und fortan mit Bus und Bahn zu fahren. Der Denkfehler: Der Eintritt in das Rentenalter bedeutet nicht, schlagartig so tüdelig zu werden, dass man das Auto künftig lieber stehen lassen sollte. Dennoch: Die Idee zu der Aktion ist gut. Sie kann ältere Menschen dazu ermutigen, aus eigener Einsicht einen Schritt der Vernunft zu gehen und trotzdem mobil zu bleiben – wenn es dann an der Zeit ist.