Das Studium der Tora (hebräische Bibel) ist ein elementarer Bestandteil des jüdischen Lebens. Sie wird von rechts nach links gelesen. Symbol-Foto: Bockwoldt Foto: Schwarzwälder Bote

Glaubensorte: Die jüdisch-israelitische Gemeinde fühlt sich wohl in ihrer Synagoge in Rottweil

Rottweil. Freitagabend, kurz vor 18 Uhr, im jüdischen Gemeindehaus. "Sind sie neu hier?", werde ich gefragt. "Nein, ich bin ein Gast", antworte ich. Wer am Schabbat-Gebet teilnehmen möchte, muss sich davor anmelden. Drinnen führt mich ein Gemeindemitglied zur Garderobe, dann in die Synagoge, den Gebetsraum. Hier versammelt sich die jüdisch-israelitische Gemeinde, um den Schabbat, also den Ruhetag, der mit Sonnenuntergang eintritt, zu begrüßen und empfangen. Ich bekomme ein Gebets- und Gesangbuch mit deutscher Übersetzung. Die Gemeindemitglieder sprechen russisch, sie kommen aus der ehemaligen Sowjetunion. Manche sprechen auch deutsch.

Geblättert wird im Gebetsbuch von rechts nach links, was für mich ungewohnt ist. Bevor der gemeinsame Teil startet, laufen zwei angehende Rabbiner mit Gebetsriemen durch die Reihen, die sie den Männern auf Wunsch anlegen. "Das ist vor allem bei jungen Juden eine wichtige Mizwa, also eine gute Tat", so einer der Gemeindemitglieder. Gesprochen wird mit angelegten Riemen das erste Drittel des "Schema Israel", ein wichtiges jüdisches Gebet. Die Männer versammeln sich unten in Richtung Jerusalem, die Frauen nehmen oben auf der Empore Platz. Dann singen und beten die Frauen und Männer auf hebräisch, vor allem Psalme, aber auch ein mystisches Gedicht.

Die Tora-Rollen bleiben am Freitagabend noch hinter dem Vorhang (Parochet). Sie werden beim Gottesdienst am Samstagmorgen hervorgeholt. Drei Torarollen hat die Gemeinde in Rottweil, gespendet von einer Familie aus Israel, vom Landkreis Rottweil und vom Oberrat Baden.

"Die Torarollen zeigen, wie reich eine Gemeinde ist", sagt Tatjana Malafy, die Ansprechpartnerin und Geschäftsführerin der Gemeinde beim Besuch in der Synagoge. Die Schriftrollen werden samstags beim Gottesdienst auf einem Tisch (Bima) auf dem Podest ausgerollt, erläutert Malafy. Zum Lesen werden normalerweise Gemeindemitglieder aufgerufen. Da allerdings nur auf hebräisch gelesen werden darf und die Männer in der Gemeinde das nicht können, übernimmt diese Aufgabe repräsentativ für die Gemeinde ein Kantor (Chasan, Vorbeter), erläutert Malafy.

Sie ist vor 21 Jahren aus Russland nach Rottweil gekommen, hat die Gemeinde vor 16 Jahren aufgebaut. Damals habe es kein aktives jüdisches Leben mehr in Rottweil gegeben, ihre Familie sei die einzige in Rottweil gewesen. Mittlerweile habe die Gemeinde über 270 Mitglieder, allesamt orthodoxe Juden aus der ehemaligen Sowjet-Union.

Manche kommen jeden Tag in die Synagoge, um zu lernen

Einige davon kommen jeden Tag in die Synagoge, um den jeweiligen Tagesabschnitt (Parascha) zu lernen. Seit dem Jahr 2017 können sie das in einem neuen, modernen Gemeindezentrum. Davor traf sich die Gemeinde in einem Gebetssaal in der Alten Post. In dem jetzigen Gebäude gibt es auch eine Bibliothek, ein Büro für Sozialarbeiter und einen Senioren- und Jugendraum. Sonntags gibt es jüdischen Religionsunterricht für die Kinder.

Auch eine Mikwe (rituelles Tauchbad) und zwei Küchen befinden sich in dem Gemeindezentrum: eine für Milchprodukte und eine für Fleisch, denn Milch und Fleisch darf im Judentum nicht vermischt werden.

Freitagabend bin ich eingeladen, mit der Gemeinde Wein zu trinken und am Essen teilzunehmen. Hier wird der Übergang von der Arbeitswoche zum Ruhetag zelebriert. Der Wein wird gesegnet, davor wasche ich meine Hände drei mal rechts und dreimal links. Nach dem Essen erfahre ich von mehreren Männern, dass es ihnen in Rottweil gut gefalle, obwohl sie teilweise aus Großstädten wie Moskau kommen.

Auch Malafy zeigt sich begeistert von Rottweil: "Wir haben keine Feinde und viele Freunde". Die Gemeinde könne hier ruhig leben und wachsen, sagt sie.